Eiserne Lunge Paul Alexander lebt seit 71 Jahren in einer Stahlröhre

smi

1.9.2023

Entwickelt vor fast 100 Jahren, eingesetzt bis in die 1950er: Paul Alexander lebt bis heute in einer Eisernen Lunge und will keine andere Atemhilfe.
Entwickelt vor fast 100 Jahren, eingesetzt bis in die 1950er: Paul Alexander lebt bis heute in einer Eisernen Lunge und will keine andere Atemhilfe.
Bild: Imago/UPI Photo

Paul Alexander kann nur mit maschineller Hilfe atmen. Seit 1952 lebt er in einer Eisernen Lunge und sieht keinen Grund, auf ein handlicheres Gerät umzusteigen.

smi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nur dank eines Geräts namens Eiserne Lunge kann Paul Alexander atmen.
  • An Kinderlähmung erkrankt, kam er mit sechs Jahren in die Maschine.
  • Mit 77 lebt er immer noch in der metallenen Röhre. Und er will keine andere Atemhilfe.
  • Trotz seiner Einschränkungen studierte er Jura und wurde Anwalt.

Seit 1952 lebt Paul Alexander in einer Eisernen Lunge, ein Gerät, das ihm ermöglicht zu atmen und zu leben. Ein Metallzylinder, in dem er liegt und aus dem nur sein Kopf herausschaut. Der britische «Guardian» hat einen Podcast mit dem US-Amerikaner publiziert. 

In der Eisernen Lunge herrscht ein Unterdruck. So kann die Maschine den Brustkorb des Patienten anheben, worauf Luft in dessen echte Lunge gesogen wird. Die Maschine gilt als eines der ersten klinischen Geräte, das ermöglichte, Menschen künstlich zu beatmen. Entwickelt wurde sie in den 1930er Jahren. In den 1960er Jahren beendeten die letzten Hersteller die Produktion.

Längst gibt es viel kleinere Beatmungsgeräte, die die Menschen mit sich herumtragen können. Dies wäre Paul Alexander nicht möglich, da er vom Hals abwärts gelähmt ist. Dennoch könnte er auch ausserhalb der Eisernen Lunge leben und beispielsweise in einem Rollstuhl sitzen. 

Opfer der letzten Polio-Epidemie

Doch Alexander will nicht raus aus seiner Röhre. Er habe sich an dieses Leben gewöhnt. Ein altes Foto zeigt ihn als Jungen, der im Mund einen Pinsel hält und ein Bild malt. Vor allem wolle er nie wieder ein Loch im Hals, um atmen zu können. Der Luftröhrenschnitt ist die übliche Form, wie Menschen mit Atemlähmung mit Luft versorgt werden. 

Die Eiserne Lunge sei die einzige Maschine, die die natürliche Atmung durch das Heben und Senken des Brustkorbs imitiere, erklärt Alexander. Darum fühle er sich so am wohlsten.

Alexander gehört zu Zehntausenden Kindern, die in den Fünfzigerjahren in den USA an Polio erkrankten. Wenige Jahre später wurde die Krankheit mit Impfstoffen in den USA und Europa ausgerottet. 

Nach eineinhalb Jahren im Spital holten ihn seine Eltern in der Eisernen Lunge nach Hause. Die Zeit in der Klinik beschreibt er im Interview mit «Riffreporter» als die schlimmste seines Lebens.

Ein erfülltes Leben

«Und der Rest meines Lebens war eine Kombination aus einem Ereignis, einem Abenteuer, einem Wunder, wie auch immer man es nennen will, nach dem anderen.»

Er habe wieder gelernt, zu husten und sich zu räuspern. Erst das habe ihm wieder ermöglicht, zu sprechen. Seine Eltern hätten Jahre gebraucht, um die Schulbehörde dazu zu bringen, ihm einen Lehrer an seine Eiserne Lunge zu schicken. 

Später lernte er vorübergehend aus eigener Kraft zu atmen. Es sei eine eigene Technik, die sonst niemand anwende, um Luft zu bekommen. Bis zu einem Tag habe er es geschafft, so zu atmen. Dann musste er zurück in seine Röhre, um sich auszuruhen. Die Eisernen Lunge begleitet ihn durch sein ganzes Leben. 

Gegen alle Widerstände hat Paul Alexander Jura studiert und als Anwalt praktiziert. Mit seiner Eisernen Lunge habe er allein gelebt, sei er in einem Flugzeug gereist, habe in der Kirche gebetet, sich verliebt, das Meer besucht, sei in einen Stripclub gegangen. Die Stahlröhre habe ihn nicht am Leben gehindert, wie es viele empfänden, sie habe ihm das Leben ermöglicht, sagt er in einem der Interviews, die er gegeben hat.

Keine Garantie, kein Service für die Eiserne Lunge

Seit Anfang der Nullerjahre gibt es für die Eisernen Lungen keinen Service und keine Garantie mehr. Als Alexanders Maschine 2015 Probleme machte, suchte er über soziale Medien nach Fachleuten, die sie reparieren konnten. Und er fand sie. Seither läuft sie wieder wie geschmiert.

Es gibt nur noch eine Handvoll Menschen, die in einer Eisernen Lunge leben. Paul Alexander gilt mittlerweile als derjenige, der am längsten auf die Stahlröhre setzt. Er scheint entschlossen, seinen Rekord auszubauen.

Paul Alexander hat ein Buch über sein Leben geschrieben und im Selbstverlag herausgegeben: Three Minutes for a Dog: My Life in an Iron Lung. 2020.