Iran unter Beschuss Steckt Israel hinter dem Drohnen-Angriff auf die Militäranlage?

Von Gabriela Beck

30.1.2023

Wer war's? Explosionen setzen eine Munitionsfabrik bei Isfahan in Brand. 
Wer war's? Explosionen setzen eine Munitionsfabrik bei Isfahan in Brand. 
Screenshot Euronews/Youtube

Nach einem Drohnenangriff auf eine Munitionsfabrik in Isfahan stellt sich die Frage nach den Verantwortlichen. Weder Israel noch die USA oder Kiew dementieren. Aber Politiker und Diplomaten machen Andeutungen.

Von Gabriela Beck

30.1.2023

Der Iran hat nach eigenen Angaben in der Nacht zum Sonntag einen Drohnenangriff auf eine Militäranlage im Zentrum des Landes abgewehrt. Ziel der Attacke mit mehreren kleinen Fluggeräten sei eine Munitionsfabrik des Verteidigungsministeriums nördlich der Stadt Isfahan gewesen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Irna mit.

Nach Angaben des iranischen Verteidigungsministeriums handelte es sich um einen militärischen Angriff. Drei der Fluggeräte seien von der iranischen Flugabwehr zerstört worden. Der Angriff habe demnach «keinerlei Unterbrechung» der Aktivität des Komplexes verursacht. Es sei niemand verletzt worden.

Aussenminister: Iran entwickelt «friedliche Atomkraft»

Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian erklärte, der Angriff könne den Iran nicht von der Entwicklung «friedlicher Atomkraft» abbringen. Der Parlamentarier Mohammad-Hassan Assafari beschuldigte gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur Mehr die «Gegner und Feinde» der Islamischen Republik, sie wollten mit diesem Angriff die «Abwehrfähigkeiten» des Irans «stören».

In politischen Kreisen ist die Rede von den beiden iranischen Erzfeinden Israel und den USA. Zwar gibt es keine Bestätigung zu den Urhebern der Attacke, der Vorfall scheint jedoch zu einem Muster von Angriffen auf strategische Standorte im Iran zu passen, die Israel in den letzten Jahren zugeschrieben wurden, berichtet der «Guardian». Etwa zur gleichen Zeit wie der Drohnenangriff in Isfahan ist laut Medienberichten in einer Treibstoffraffinerie im Nordwesten des Irans ein Feuer ausgebrochen. Die Ursache ist unklar.

Mehr als ein Drohnenangriff?

Das am Tatort aufgenommene Filmmaterial habe jedoch eine starke Explosion gezeigt, die entweder durch eine sekundäre Detonation oder eine stärkere Nutzlast verursacht wurde, als alles, was eine Drohne tragen könnte, analysiert die britische Tageszeitung.

Es sei bekannt, dass Israel Piloten seines modernsten Düsenjägers F35 für einen möglichen Angriff auf den Iran ausbilde. Es habe die Kampfflugzeuge bereits eingesetzt, um iranische Lieferungen von Drohnenteilen an die libanesische militante Gruppe Hisbollah zu verhindern.

Israel äusserte sich am Sonntag nicht offiziell zu dem Angriff auf Isfahan, obwohl die «Jerusalem Post» feststellte, dass es «ausser dem Mossad nur wenige Organisationen weltweit gäbe, die über die Fähigkeiten verfügten, die für die Operation nötig gewesen seien».

Bereits im Juli habe der Iran Kurden verhaftet, die angeblich mit Israel zusammengearbeitet hätten, um einen Sabotageakt auf den Militärkomplex in Isfahan auszuführen, schreibt der «Guardian».

Zuvor hätte der Iran Raketen- und Drohnenangriffe auf das benachbarte irakische Kurdistan lanciert, da dort im Exil lebende iranische kurdische Milizen Dissidenten in der Heimat anstacheln würden. Die kurdischen Gruppen hätten jede Beteiligung an den Protesten im Iran bestritten.

Kiew: «Die Ukraine hat euch gewarnt»

Kiew stellt unterdessen eine Verbindung zum Krieg in der Ukraine her. «Die Logik des Krieges ist unerbittlich und mörderisch», schrieb der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. «Und er stellt den Urhebern und Komplizen harte Rechnungen aus. (...) Die Ukraine hat euch gewarnt.»

Als Reaktion darauf und wegen «rachsüchtigen Vorgehens» der Regierung in Kiew bestellte das iranische Aussenministerium den ukrainischen Geschäftsträger ein, berichtet die iranische Nachrichtenagentur Tasnim am Montag.

Derweil sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, in einem Interview mit der «Berliner Morgenpost» Israel habe die Ukraine bei der Abwehr der russischen Invasion mehr unterstützt, als allgemein wahrgenommen werde.

Auf die Frage, weshalb Israel der Ukraine zwar humanitäre Unterstützung zukommen lasse, aber keine Militärhilfe, antwortete der Diplomat: «Es ist nicht so einfach. Wir haben die Russen in Syrien. Wie Sie wissen, unterbindet die israelische Armee regelmässig Waffenlieferungen aus dem Iran nach Syrien und Libanon. Darunter sind auch iranische Drohnen und Raketen, die Russland in der Ukraine einsetzt. Wir helfen also – allerdings hinter den Kulissen und deutlich mehr, als bekannt ist.» Das sei ein Grund, weshalb sich Israel bedeckt halte, der zweite sei die grosse jüdische Gemeinde in Russland.

Der Iran hat sich im Ukrainekrieg zwar offiziell für neutral erklärt, wird allerdings von Kiew beschuldigt, den russischen Truppen unter anderem Drohnen für die Angriffe auf ukrainische Städte geliefert zu haben.

Volksaufstand und blockiertes Atomabkommen

Der Angriff in Isfahan kommt zu einem äusserst ungünstigen Zeitpunkt für die Regierung in Iran. Der autokratische Staat kämpft seit vier Monaten gegen Bürgerproteste an, die sich aufgrund der Empörung über den Tod einer jungen Frau in Polizeigewahrsam zur Volksrevolte steigerten. Die EU verurteilte das Vorgehen des iranischen Sicherheitsapparats und verhängte neue, scharfe Sanktionen.

Gleichzeitig stecken die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Wiener Atomabkommens von 2015 zwischen dem Iran und dem Westen in einer Sackgasse. Teheran blockierte nach Aussagen von Diplomaten eine Einigung kurz vor Abschluss. Das Nuklearprogramm des Landes ist einem waffenfähigen Niveau nähergekommen – eine Schwelle, die Israel zu verhindern versprochen hat.

USA: «Alle Optionen sind auf dem Tisch»

Die US-Regierung hat ein militärisches Vorgehen nicht ausgeschlossen, um den Iran davon abzuhalten, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. US-Aussenminister Antony Blinken sagte am Sonntag in einem Interview im Rahmen seiner Nahost-Reise dem Sender Al-Arabija, alle Optionen seien auf dem Tisch.

Er sagte aber auch, dass Diplomatie der bevorzugte Weg sei. Der Iran habe die Chance gehabt, in das internationale Atomabkommen zurückzukehren, habe das aber abgelehnt. Bereits im Sommer 2022 hatte US-Präsident Joe Biden auch einen Angriff «als letztes Mittel» nicht ausgeschlossen.

Der Sicherheitsausschuss des iranischen Parlaments teilte am Sonntag mit, die iranische Regierung werde ein Expertenteam in die Stadt Isfahan schicken, um die Hintergründe der Angriffe auf die Militäranlage zu untersuchen. Danach werde entschieden, wie die politische Führung mit dem Vorfall umgehe.

Mit Material von dpa und afp