Tanker-Wrack vor Jemens KüsteIm Roten Meer droht der Super-GAU
twei
21.5.2023
Seit Jahren gleicht das Frachtschiff «FSO Safer» vor der jemenitischen Küste einem Pulverfass. Es droht eine der schlimmsten Naturkatastrophen der jüngeren Vergangenheit. Doch die Bergung des Frachters ist kompliziert.
twei
21.05.2023, 07:30
21.05.2023, 08:32
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Vor der Küste des Jemen vegetiert seit Jahren der Öl-Frachter «FSO Safer» vor sich hin – ohne jegliche Kontrolle.
Bricht der Tanker auf oder kommt es zu einer Explosion, droht eine Umweltkatastrophe, die die ganze Welt betrifft.
Trotz hoher politischer und finanzieller Hürden soll in Kürze eine riskante Rettungsaktion starten.
Es sind alarmierende Worte, die aufhorchen lassen. «Dieser Tanker kann jeden Tag auseinanderbrechen oder explodieren», warnt der UN-Koordinator Achim Steiner im Interview mit dem «Bayerischen Rundfunk». Die Rede ist von dem Tanker «FSO Safer», der seit Jahren vor der Küste des Jemen vor sich hinrottet – inklusive einer beträchtlichen Menge von Rohöl in seinem Inneren. Das an sich ist nichts Neues, dort liegt das Schiff seit 47 Jahren.
Kompliziert und hoch riskant macht die Gemengelage der politische Konflikt im Jemen. Seit die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen das verarmte Land 2015 überrannt haben, herrscht Bürgerkrieg. Alle Bemühungen, den Konflikt im Jemen dauerhaft zu lösen, scheiterten bisher. Wirtschaftlich ist das Land am Ende, darunter leiden vor allem die Einheimischen. Die Vereinten Nationen sprechen gar von der grössten humanitären Katastrophe unserer Zeit.
Kaum auszudenken, würde zusätzlich auch noch eine Umweltkatastrophe dazukommen. «Vor allem nach dem Ausbruch des Konfliktes hat keine Wartung mehr stattgefunden, das heißt, es bilden sich in den Tanks Gase. Zum zweiten verrostet das Schiff», schildert UN-Koordinator Steiner gegenüber dem «Bayerischen Rundfunk» die Lage. Weil das Schiff auf Kampfgebiet liegt, wurde der Tanker seit Jahren nicht fachgemäss überprüft.
Bei einer Explosion droht der Super-GAU für das Rote Meer
Kommt es tatsächlich zum Worst Case und das Schiff würde explodieren oder brechen, wäre es ein Super-GAU für das Rote Meer. «Es wäre eine Katastrophe, wie wir sie so vielleicht noch nicht erlebt haben», sieht Steiner schwarz. Nicht nur würde eine tiefgreifende Zerstörung der Meeresökologie folgen, auch für die ohnehin krisengeplagte und verarmte Bevölkerung des Jemen würde sich die Lage erneut verschärfen.
UNO kauft Supertanker zur Vermeidung von Ölpest im Jemen
Die UNO hat den Einsatz eines von ihr gekauften Tankschiffs zur Vermeidung einer Ölpest vor der Küste des Bürgerkriegslandes Jemen angekündigt. Vor dem Hafen Hodeida rottet seit Jahren der Öltanker «FSO Safer» vor sich hin.
10.03.2023
Hunderttausende Menschen im Land leben von der Fischerei. Doch im Falle einer Ölkatastrophe seien Fischbestände im nächsten Vierteljahrhundert laut Steiner nicht mehr nutzbar. Weil der Jemen auf der Route zum Suezkanal gelegen ist, wäre auch die internationale Schifffahrt betroffen. Dazu wäre humanitäre Hilfe aus dem Ausland für Wochen wohl kaum möglich – das «Tor der Tränen», wie die Meeresstrasse Bab al-Mandab heisst, wäre vorerst versiegelt.
Politisch heikle Situation trifft auf Finanzierungsprobleme
Der 368 Meter lange Meereskreuzer birgt 181 Millionen Öl im Inneren. Zum Vergleich: Bei einer der grössten bisherigen Umweltkatastrophen, als 1989 Öl aus der Exxon Valdez ins Meer floss, verschmutzte «nur» ein Viertel dieser Menge den Ozean.
Wie genau die Lage ist, darüber können selbst internationale Experten nur rätseln, wie unter anderem der «Tagesanzeiger» schreibt. Internationalen Kontrolleuren wird schon seit geraumer Zeit der Zugang an Bord des Schiffes, das mit einer Öl-Pipeline verbunden ist, verwehrt. Die aktuellsten Fotos von «FSO Safer» sind vier Jahre alt. Die genaue Gemengelage kennen nurmehr die Huthi-Rebellen – wenn überhaupt.
Der fehlende Zugang zum Tanker ist aber nur eine Schwierigkeit auf einer sehr langen Liste von Problemen. Auch finanziell gestaltet sich die Rettungsaktion der «FSO Safer» als Kraftakt. 148 Millionen Dollar sind laut der Vereinten Nationen (UN) nötig, um das Stahlkoloss zu bergen.
Zwar sammelte man Anfang Mai auf einer virtuellen Geberkonferenz 5,6 Millionen Dollar, doch das reicht noch lange nicht. Noch immer fehlen 23,8 Millionen Dollar. Diese Lücke müsse «dringend geschlossen» werden, appellierte der UN-Sprecher Farhan Haq.
«Da kann unglaublich viel schiefgehen»
Die Lage ist also verzwickt, Hoffnung besteht aber trotzdem – auch, weil Peter Berdowksi involviert ist. Er half 2021 mit seiner Firma wesentlich dabei mit, das Containerschiff Ever Given aus der Verkeilung im Suez-Kanal zu befreien. Ausserdem pumpte seine Firma 2012 Öl aus der gekenterten Costa Concordia. Zunächst habe er vor einer Zusammenarbeit mit der UN zurückgeschreckt, wie Berdowksi dem «Tagesanzeiger» berichtet: «Aber als wir begriffen, was für ein Desaster es zu verhindern gilt, setzten wir uns doch mit der UNO zusammen.»
Der Plan sieht vor, dass der 333-Meter-Tanker «Nautica» aus China das Öl aus dem maroden Tanker abpumpt – und zwar in die «Ndeavor». Beide Rettungsschiffe sollen innerhalb der nächsten Tage in Dschibuti, also in unmittelbarer Nähe zum Standort der «FSO Safer», eintreffen. Und mit ihnen 45 Spezialisten, Chemiker, Taucher und Statiker.
«Wir haben jetzt die besten Voraussetzungen seit acht Jahren, dieses Problem zu lösen», übt sich UN-Koordinator Achim Steiner in Zuversicht. Ian Ralby, Berater für Seerecht und Maritime Sicherheit, sät hingegen Zweifel: «Ein schrecklich riskanter Ansatz. Da kann unglaublich viel schiefgehen.»
Crew ist auf Hilfe der Huthi-Rebellen angewiesen
Sofern die Crew sicher bei der «FSO Safer» ankommt – dafür ist sie ob der teils verminten Gewässer auf die Hilfe der Huthi-Rebellen angewiesen –, kommt die wichtigste Aufgabe zunächst Chemikern zu. Sie sollen, geschützt von Schutzanzügen, ergründen, welche Teile des Schiffs betretbar sind.
Auch danach stellen sich wichtige Fragen. Die Funktionsfähigkeit der Ventile für den Druckablass steht ebenso in Frage wie die der Pumpsysteme an Bord. Auch hinter der Beschaffenheit des Ankersystems, der Verbindungen zur Pipeline und der Schiffshülle stehen Fragezeichen. «Unser Plan ist bislang nur ein Skelett. Das Fleisch kommt erst vor Ort dran», räumt Berdowski ein.
Riskant wird auch der geplante Einsatz von Generatoren an Bord der «FSO Safer». Im schlimmsten Fall droht eine Explosion, die eine riesige, giftige Rauchwolke zur Folge hätte. Je nach Windrichtung würden sich schädliche Partikel auf Äckern und Plantagen absetzen, knapp zwei Millionen Menschen könnten betroffen sein.
Ebenfalls gravierende Folgen hätte das zweite Worst-Case-Szenario: auslaufendes Öl in den Ozean. Weitreichendes Fischsterben, geschlossene Häfen, humanitäre Notlage, fehlende Versorgung mit Trinkwasser – die Folgen für die Menschen im Jemen wäre katastrophal, ebenso wie für das maritime Ökosystem.
Wer verschrottet die «FSO Safer»?
Erst wenn der letzte Tropfen Öl auf die «Nautica» abgepumpt ist, kann durchgeatmet werden – wenn auch nur kurz. Die Situation der «FSO Safer» ist kein Kurzzeitprojekt, und für langfristige Lösungen ist man auf Verhandlungen mit den Huthi-Rebellen angewiesen.
Unklar ist auch, wer bei einer erfolgreichen Sicherstellung des Öls den wertvollen Rohstoff – ist er in gutem Zustand, entsprechen die 181 Millionen Liter Öl etwa 90 Millionen Dollar – bekommt. Ebenso müsste das dann leer gepumpte Schiff abgeschleppt und verschrottet werden. Klar ist also nur eines: Ist das dringendste Problem, die Verhinderung der Umweltkatastrophe, abgewendet, lauern noch viel weitere Herausforderungen.