Drohende Eskalation USA und China verschärfen im Taiwan-Konflikt den Ton

Von Matthew Lee, AP/uri

28.10.2021 - 10:19

Kriegsschiffe der USA, Grossbritanniens und Japans Anfang Oktober in der Philippinensee, einem Nebenmeer des Pazifiks. Die Spannungen zwischen den USA und China nehmen zu. (Archiv)
Kriegsschiffe der USA, Grossbritanniens und Japans Anfang Oktober in der Philippinensee, einem Nebenmeer des Pazifiks. Die Spannungen zwischen den USA und China nehmen zu. (Archiv)
Bild: Keystone

In der Taiwan-Frage lassen die USA und China die Muskeln spielen – und schüren so die Furcht vor einer offenen Konfrontation. 

Von diplomatisch heiklen Statements bis hin zu provokanten Militärübungen – beide Seiten scheinen gezielt den Druck erhöhen zu wollen. Das Kräftemessen bedroht nicht nur die Sicherheit in der Region. Auch auf globaler Ebene sorgt es zunehmend für Unruhe.

Peking lässt in unmittelbarer Nähe der Insel, die es als abtrünnige Provinz betrachtet, Kampfjets aufsteigen. Die Amerikaner versichern der Regierung in Taipeh für den Fall eines Angriffs Unterstützung. Auch rhetorisch lassen die beiden Weltmächte die Muskeln spielen. Parallel werben sie in internationalen Gremien für ihre jeweiligen Positionen, um möglichst viele Länder auf ihre Seite zu bringen. Die Chancen auf eine Einigung schwinden.



Der Konflikt ist zwar alles andere als neu. Die Taiwan-Frage belastet die Beziehungen zwischen China und den USA seit Jahrzehnten. Jüngste Entwicklungen lassen aber befürchten, dass eine offene Konfrontation näher rücken könnte. Vergangene Woche liess US-Präsident Joe Biden in Peking die Alarmglocken läuten, als er erklärte, sein Land sei fest entschlossen, Taiwan bei der Selbstverteidigung zu unterstützen.

China protestierte. Und die Biden-Regierung gab sich bemüht, die Bedeutung der Bemerkung herunterzuspielen. Vertreter des Weissen Hause, des Pentagons und des Aussenministeriums betonten, der Präsident habe nicht die Absicht, von der «Ein-China-Politik» abzurücken. Diese sieht vor, dass nur auf informeller Ebene Kontakte mit Taipeh gepflegt werden. In der Praxis besteht dennoch eine enge Partnerschaft zwischen Taiwan und den USA – nicht zuletzt militärisch.

Washington rüttelt an genereller Herangehensweise

Indirekt rüttelte Washington am Dienstag dann aber auch an der generellen Herangehensweise, wegen der Taiwan auf globaler Bühne auf viele Privilegien von anderen unabhängigen Staaten verzichten muss. US-Aussenminister Antony Blinken forderte andere Mitglieder der Vereinten Nationen auf, Pekings Anspruch auf eine absolute Souveränität über Taiwan zurückzuweisen und gemeinsam mit den USA für eine Einbindung Taipehs in internationale Organisationen in den Bereichen Transport, Gesundheit, Klimawandel, Kultur und Bildung zu plädieren.

«Da die internationale Gemeinschaft vor einer noch nie da gewesenen Zahl von komplexen und weltumspannenden Herausforderungen steht, ist es wichtig, dass alle Akteure an der Lösung der Probleme mitwirken», sagte Biden. «Das schliesst auch die 24 Millionen Menschen, die in Taiwan leben, ein. Eine massgebliche Beteiligung Taiwans am UN-System ist keine politische Frage, sondern eine pragmatische.»

Biden wies darauf hin, dass das asiatische Land etwa von Sitzungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO ausgeschlossen sei, obwohl es ein wichtiges Luftdrehkreuz sei, und von Treffen der Weltgesundheitsorganisation WHO, obwohl es im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie Erfolge vorzuweisen habe. «Der Ausschluss Taiwans beeinträchtigt die wichtige Arbeit der UN und zugehöriger Gremien, die alle sehr von dessen Beiträgen profitieren würden», sagte er. «Daher ermuntern wir alle UN-Mitglieder, gemeinsam mit uns eine starke, sinnvolle Beteiligung Taiwans im gesamten UN-System und in der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen.»

China zeigt sich verärgert

Erst zwei Tage vor diesen Äusserungen hatte das Aussenministerium in Washington mitgeteilt, dass sich führende Vertreter der amerikanischen und der taiwanischen Regierung in einem virtuellen Treffen über Möglichkeiten der verstärkten Einbindung Taiwans in die Vereinten Nationen sowie in andere internationale Organisationen beraten hätten. Aus diesem Anlass, am 22. Oktober, hätten die USA ihr Bekenntnis zu einer bedeutenderen Rolle des Landes bei der WHO, beim Klimasekretariat UNFCCC und bei etlichen anderen Themen bekräftigt, hiess es.

Nach der Kritik an den vorherigen Statements des amerikanischen Präsidenten, reagierte China auf diese Debatte deutlich verärgert und forderte ein Ende der «offiziellen Kontakte» Washingtons mit der Regierung der Insel. «Taiwans Beteiligung an Aktivitäten der internationalen Organisationen muss im Einklang mit dem Ein-China-Prinzip gehandhabt werden», sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Aussenministeriums. «Taiwans Bemühungen, seinen sogenannten ‹internationalen Spielraum› mit ausländischer Unterstützung zu erweitern, sind im Grunde Versuche, den Raum für eine 'taiwanische Unabhängigkeit' und Abspaltung zu erweitern.»

Äusserungen Chinas schüren Sorgen

China und die USA betonen zwar immer wieder, dass es in Fragen wie Handel, Klimaschutz oder dem Umgang mit Nordkorea durchaus gemeinsame Interessen gebe. Doch unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war das Verhältnis der beiden Länder deutlich abgekühlt. Und auch Biden vertritt in vielen Punkten einen harten Kurs.

Der Konflikt um Taiwan geht auf das Jahr 1949 zurück, als es nach einem Bürgerkrieg zur Abspaltung kam. Washington brach 1979 die formalen diplomatischen Beziehungen mit Taipeh ab, um diplomatische Beziehungen mit Peking aufzunehmen. Die USA stellen den Anspruch Chinas auf die Insel nicht offen infrage, haben sich aber per eigenem Gesetz dazu verpflichtet, Taiwan vor Bedrohungen zu schützen und dessen Fähigkeiten zur Selbstverteidigung zu gewährleisten.

Umso besorgniserregender waren zuletzt Äusserungen Chinas, Taiwan im Zweifel auch mit Gewalt unter eigene Kontrolle bringen zu wollen. Begleitet wurden die Äusserungen von Militärmanövern: Die chinesischen Streitkräfte übten auf ihrer Seite der gut 160 Kilometer breiten Wasserstrasse, die das Festland von der Insel trennt, Küstenlandungen. Um den Nationalfeiertag zu Beginn des Monats waren südwestlich von Taiwan zudem 149 Kampfflugzeuge Pekings in Aktion. Und die USA bekräftigten ihre Unterstützung Taiwans auch mit zusätzlichen Rüstungsexporten.

Von Matthew Lee, AP/uri