Starke Verluste für Militärjunta Überragender Wahlsieg für pro-demokratische Opposition in Thailand

dpa

15.5.2023 - 06:31

Thailand vor der Wahl

Thailand vor der Wahl

STORY: In Thailand wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt – neun Jahre nach dem Militärputsch in dem südostasiatischen Land. Abstimmungen hat es seitdem zwar bereits gegeben, alle Regierungen wurden allerdings vom Militär geführt oder unterstützt. 2020 forderten überwiegend jugendliche Demonstranten den Rückzug des Militärs aus der Politik. Für viele gilt die erste Wahl seit den Massenprotesten als Schlüsselmoment für die Zukunft der Demokratie in Thailand. Die rund 52 Millionen Bürgerinnen und Bürger können entscheiden, ob sie den Kurs der militärisch orientierten Konservativen beibehalten oder einen Wandel möchten. Eine Chance dafür gibt es, schätzt diese Expertin. «Bei den Wahlen 2019 war es, egal wie die Menschen gestimmt haben, ziemlich sicher, dass General Prayuth Premierminister sein wird. Es schien, als gäbe es keinen anderen Weg. Aber dieses Mal ist die Ungewissheit überwältigend und es ist sehr gut möglich, dass General Prayuth ins Abseits gedrängt wird.» Der amtierende Premierminister tritt diesmal mit seiner neu gegründeten United Thai Party an. Der General verspricht seinen Wählern Kontinuität sowie den Schutz konservativer Werte und der Monarchie. Und dies sind seine Hauptkontrahentinnen und Kontrahenten: Paetongtarn Shinawatra aus der gleichnamigen Milliardärs-Familie, die erst vor wenigen Tagen ihr zweites Kind zur Welt brachte, gehört zur Partei Pheu Thai, die beim Militärputsch 2014 von der Macht vertrieben wurde. Umfragen zufolge wird die Partei, die vor allem bei Arbeitern beliebt ist, erneut die meisten Sitze gewinnen. Die Move Forward Partei versucht, aus den Stimmen der Jugend Kapital zu schlagen. Dass sie in Umfragen über die Jahre zugelegt hat, liegt auch an ihrem Anführer Pita, der an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildet wurde. Auch wenn die Partei offiziell nicht an den Studentenprotesten von 2020 beteiligt war, kandidieren einige Aktivistinnen und Aktivisten von damals bei der Wahl. Und dann ist da noch die Partei Bhumjaithai, die mit ihrer Kampagne für die Legalisierung von Cannabis punkten konnte. Die im vergangenen Jahr durchgesetzte Entkriminalisierung der Droge ist allerdings einigen politischen Gegnern ein Dorn im Auge. Die Rivalität zwischen alten und neuen politischen Kräften ist aber nicht das einzige, das viele Wähler umtreibt. Thailand ist stark vom Tourismus abhängig. Durch die Corona-Pandemie der letzten Jahre hat die Wirtschaft gelitten. Viele Menschen haben sich verschuldet, um ihre Firmen- oder Lebenshaltungskosten halten zu können.

15.05.2023

Die pro-demokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen überragenden Sieg errungen. 

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die pro-demokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl einen deutlichen Sieg erzielt.
  • Gewinner ist laut dem vorläufigen Ergebnis die progressive Move-Forward-Partei mit ihrem 42 Jahre alten Chef Pita Limjaroenrat.
  • Den zweiten Platz dürfte die ebenfalls oppositionelle Partei Pheu Thai unter Führung der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra belegen.
  • Das regierende Militär, das nach einem Putsch 2014 an die Macht gekommen war, fuhr herbe Verluste ein.

Gewinner der Abstimmung ist vorläufigen Ergebnissen zufolge die progressive Move-Forward-Partei unter ihrem jungen Chef Pita Limjaroenrat (42). Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt die 2014 gegründete Partei laut Wahlkommission auf insgesamt etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament.

Pita Limjaroenrat, Chef der progressiven Move-Forward-Partei, am Sonntag in Bangkok.
Pita Limjaroenrat, Chef der progressiven Move-Forward-Partei, am Sonntag in Bangkok.
Bild: Keystone/EPA/Narong Sangnak

Den zweiten Platz belegt mit wahrscheinlich rund 140 Sitzen die ebenfalls oppositionelle Partei Pheu Thai unter Führung der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra. Sie ist Spross einer steinreichen Politiker-Dynastie. Vor der Wahl hatte Peu Thai bei Umfragen lange vorne gelegen. Das regierende Militär, das nach einem Putsch 2014 an die Macht gekommen war, fuhr hingegen herbe Verluste ein.

Paetongtarn Shinawatra von der oppositionellen Partei Pheu Thai am Montagmorgen in der Parteizentrale.
Paetongtarn Shinawatra von der oppositionellen Partei Pheu Thai am Montagmorgen in der Parteizentrale.
Bild: Keystone/EPA/Rungroj Yongrit

Pita Limjaroenrat erklärte auf Twitter, er sei bereit, der nächste Ministerpräsident Thailands zu werden. Seine Partei setzt sich unter anderem für eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform der Monarchie ein. Das südostasiatische Urlaubsland hat das wohl härteste Lèse-Majesté-Gesetz der Welt. Es sieht extrem lange Haftstrafen für Majestätsbeleidigung vor. Dagegen gibt es schon lange Proteste.

Unterstützung weiterer Parteien nötig

«Gemeinsam werden wir das Land verändern», schrieb der Parteichef weiter und fügte hinzu, er wolle Regierungschef für alle Thais sein, ob sie seine Politik befürworten oder nicht. Jedoch ist es Beobachtern zufolge bis dahin noch ein langer und komplizierter Weg.

Während eine Koalition zwischen der Move Forward Party und Pheu Thai als wahrscheinlich gilt, brauchen beide die Unterstützung weiterer Parteien, um an die Regierung zu kommen. Denn nach dem Militärputsch änderten die Generäle die Verfassung zu ihren Gunsten: Zusammen mit den 500 neu gewählten Abgeordneten entscheiden auch 250 ungewählte, vom Militär ernannte Senatoren über den Regierungschef. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie die Opposition unterstützen werden.

Und so könnten der amtierende Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha oder eine andere militärnahe Partei trotz Wahlpleite am Ende theoretisch eine Minderheitsregierung führen. Die Zeitung «Bangkok Post» kommentierte: «Während wir hoffen, dass der Senat den Geist der Demokratie würdigt, indem er die Regel der Mehrheitsentscheidung respektiert, deuten die Bemerkungen einiger Senatoren darauf hin, dass uns stürmische Tage bevorstehen.»

dpa