Angespannte Lage Tausende Migranten wollen aus Belarus in die EU
dpa/toko
8.11.2021 - 18:45
An der Grenze zwischen Belarus und Polen spitzt sich die Situation zu. Polens Regierung warnt, eine grosse Zahl von Menschen könnte versuchen, die Grenze zu durchbrechen.
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08.11.2021, 18:45
08.11.2021, 18:51
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An der östlichen EU-Aussengrenze zwischen Belarus und Polen wollen inzwischen Tausende Migranten aus Krisenregionen wie Afghanistan und Syrien in den Westen.
Nach Angaben der Behörden gab es am Montag mehrere Versuche, die Zaunanlagen zu durchbrechen. Das polnische Verteidigungsministerium berichtete von einem solchen Versuch in der Nähe des Grenzortes Kuznica. Auf einem dazu veröffentlichten Video ist zu sehen, wie eine Gruppe von Männern versucht, mit einem Spaten und einem Baumstamm den Stacheldrahtzaun umzureissen. Ein polnischer Uniformierter setzt Tränengas ein.
Nach Erkenntnissen der polnischen Behörden halten sich gegenwärtig zwischen 3000 und 4000 Migranten in dem belarussischen Gebiet nahe der polnischen Grenze auf, wie Regierungssprecher Piotr Müller mitteilte. Auf dem Staatsgebiet des autoritär regierten Nachbarlandes seien insgesamt sogar mehr als 10'000 Menschen, die die Grenze überqueren wollten. Machthaber Alexander Lukaschenko sieht sich in der Kritik, Menschen aus verschiedenen Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen.
Retourkutsche auf Sanktionen
Lukaschenko hatte als Reaktion auf Sanktionen gegen sein Land erklärt, Menschen auf dem Weg zu einem besseren Leben im «gemütlichen Westen» nicht mehr aufzuhalten. Lukaschenko ist in Minsk seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht. Der 67-Jährige regiert mit harter Hand. Kritiker nennen ihn den «letzten Diktator Europas». Die EU erkennt Lukaschenko seit der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt von Belarus an. Unterstützt wird er von Russland.
Zuvor hatte bereits der polnische Grenzschutz berichtet, dass um die Mittagszeit ein Versuch von Migranten vereitelt worden sei, die Grenze zu durchbrechen. Belarussische und polnische Behörden hatten am Morgen darüber informiert, dass sich Hunderte von Migranten zu Fuss auf die Grenze zum EU-Nachbarland zubewegen. Polens Regierung berief einen Krisenstab.
Der belarussische Grenzschutz sprach am späten Nachmittag von einer «gespannten Lage» und von 2000 Migranten, die die Grenze zu Polen überqueren wollten. Darunter seien auch Kinder und Frauen. Die Menschen wollten in die EU, um Schutz zu finden. In einem vom Grenzschutz in Minsk veröffentlichten Video rief ein Mann, dass nicht Polen Ziel der Migranten sei, sondern Deutschland. Luftaufnahmen zeigten eine grosse Menschenmenge.
Unter Kontrolle bewaffneter Einheiten
Der Grenzschutz in Minsk warf Polen vor, auch psychologischen Druck auf die Migranten auszuüben. Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministeriums schlugen die Migranten bei Kuznica nach dem erfolglosen Grenzdurchbruch ein Lager auf. «Nach neuesten Informationen steht diese riesige Gruppe von Migranten unter der Kontrolle von bewaffneten belarussischen Einheiten, die entscheiden, wohin sie gehen darf und wohin nicht», schrieb Polens Geheimdienstkoordinator Stanislaw Zaryn auf Twitter.
Die EU-Staaten Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet. Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten. Nach Angaben aus dem deutschen Innenministerium kamen über Polen zuletzt täglich im Schnitt rund 170 Migranten nach Deutschland. Der geschäftsführende Innenminister Horst Seehofer bot Polen Hilfe an. Der dortige Regierungssprecher Müller sagte der Nachrichtenagentur PAP, man werde weitere Beamte zum Grenzschutz schicken. Ausserdem sei man in Kontakt mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Litauen sichert Polen Hilfe zu
Auch Litauen verstärkte seine Massnahmen. «Wir planen, eine zusätzliche Anzahl von Truppen in Bereitschaft zu versetzen», sagte Grenzschutzchef Rustamas Liubajevas. Litauen sicherte Polen Beistand zu. Präsident Gitanas Nauseda twitterte nach einem Telefonat mit Staatschef Andrzej Duda: «Wir sind bereit, unserem Nachbarn jede erforderliche Unterstützung zu leisten, um diese Herausforderung der illegalen Migration zu meistern.»
In Berlin fuhr ein Bus der Initiativen Seebrücke Deutschland und LeaveNoOneBehind ab, um Hilfsgüter wie Winterschuhe, Socken, Rettungsdecken und Stirnlampen zur Grenze zu bringen. Ursprünglich hatten die Aktivisten geplant, auf dem Rückweg Migranten nach Deutschland mitzunehmen. Das deutsche Innenministerium verwies jedoch darauf, dass «eine unautorisierte Beförderung und eine etwaige unerlaubte Einreise» strafrechtliche Konsequenzen haben könnte.