Machtkampf im Pazifik Australier fürchten China mittlerweile mehr als Taiwaner

Von Philipp Dahm

25.8.2022

«Angstmacherei»: Das Staatsfernsehen zeigt am 4. August einen Raketenstart an einem unbekannten Ort in China.
«Angstmacherei»: Das Staatsfernsehen zeigt am 4. August einen Raketenstart an einem unbekannten Ort in China.
AP

Taiwan ist aus den Schlagzeilen verschwunden, doch die jüngste Krise wirkt nach: Die Insel präsentiert einen neuen Rekord-Wehretat, doch die Angst vor einem Angriff Chinas ist dort trotzdem kleiner als in Australien.

Von Philipp Dahm

Gerade noch haben China und Taiwan die Schlagzeilen beherrscht, doch kaum hat US-Politikerin Nancy Pelosi die Insel verlassen, fällt das Thema aus der Tagesordnung. Dabei macht China weiter Druck: Am 24. August hat Taiwans Militär 13 chinesische Flugzeuge und 4 Kriegsschiffe per Radar verfolgt, weil sie dem Eiland zu nahe kamen. Zwei Jets vom Typ Su-30 sollen dabei kurzfristig in den nationalen Luftraum eingedrungen sein.

Die aggressiven Aktionen haben Folgen. Zum einen politisch: Nachdem eine Delegation kanadischer Politiker ebenfalls angekündigt hat, Taiwan besuchen zu wollen, schrillen in Peking wieder die Alarmglocken.

Die chinesische Botschaft in Kanada forderte die Regierung in Ottawa auf, die Souveränität der Volksrepublik zu respektieren. Peking werde «entschlossene und kraftvolle Massnahmen» ergreifen, wenn sich ein Staat nicht an die Ein-China-Politik halte, die souveräne Kontakte nach Taiwan verbietet.

Mehr Geld für Taiwans Militär: Ein Kriegsschiff feuert im Juli 2022 unweit der Stadt Yilan Wasserbomben ab.
Mehr Geld für Taiwans Militär: Ein Kriegsschiff feuert im Juli 2022 unweit der Stadt Yilan Wasserbomben ab.
AP

Taiwans Militär mit Rekord-Etat

Ein Sprecher des kanadischen Aussenministeriums konterte, die Reise solle nicht als Vorwand für Eskalationen benutzt werden. Die Parlamentarier gehörten einer «Freundschaftsgruppe» an, die privat reise und keine Zuwendungen vom Staat erhalte. Die Regierung könne daher auch keinen Einfluss nehmen, hiess es weiter.

Auch in Taiwan selbst hat die jüngste Krise Konsequenzen: Die Insel hat gerade einen neuen Rekord-Wehretat vorgelegt, der allerdings noch vom Parlament abgesegnet werden muss: Demnach sollen 2023 18,67 Milliarden Franken für das Militär ausgegeben werden. Nachdem die Ausgaben seit 2017 um weniger als vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, gibt es nun einen Sprung um 13,9 Prozent.

Teure Modernisierung: Taiwan rüstet derzeit seine F-16-Flotte auf den Standard F-16V (Viper) Block 70/72 auf.
Teure Modernisierung: Taiwan rüstet derzeit seine F-16-Flotte auf den Standard F-16V (Viper) Block 70/72 auf.
Lockheed Martin

Im Etat sind zusätzliche 3,45 Milliarden Franken für neue Kampfflugzeuge enthalten. Ausserdem hat Taipeh «spezielle Fonds» für das Verteidigungsministerium vorgesehen, berichtet die Nachrichtenagentur «Reuters». Weitere Details zu den Ausgaben wurden jedoch nicht öffentlich. Insgesamt gibt die Insel 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts für ihre Streitkräfte aus.

Erneut US-Abgeordnete in Taiwan

Ungeachtet der Spannungen mit China reist erneut eine Kongressdelegation aus den USA nach Taiwan. Die taiwanische Nachrichtenagentur CNA berichtete, dass eine Gruppe von US-Senatoren am Donnerstagabend mit einer amerikanischen Militärmaschine in Taipeh eintreffen werde. Taiwans Aussenministerium bestätigte, dass «wichtige Personen» am späten Abend auf dem Flughafen Songshan in Taipeh erwartet werden. Details blieben zunächst unklar.

«Angstmacherei» auf dem fünften Kontinent

Im Vergleich zum riesigen Nachbarn sind diese Ausgaben bescheiden: Mit rund 204 Milliarden Franken ist Pekings Wehretat knapp elfmal grösser. Insbesondere die Marine ist in den letzten Jahren ausgebaut worden – und zusammen mit Pekings offensiver Aussenpolitik im Pazifik löst das in der Region bei manchem Akteur schiere Angst aus.

Zum Beispiel Australien: Die Angst vor dem Riesen-Reich ist dort mittlerweile grösser als in Taiwan, wie eine vergleichende Umfrage in den jeweiligen Ländern zeigt. Jeder zehnte Australier fürchtet dort einen baldigen Angriff Chinas, während es in Taiwan nur jeder 20. Befragte ist.

Wenn es um die laut Peking «abtrünnige» Insel selbst geht, sind die Australier deutlich pessimistischer als die Taiwaner selbst: Fast jeder Vierte rechnet mit einer baldigen Invasion. Auf die Frage, ob China aggressiv sei, antworten in Australien 85 Prozent mit Ja, während es in Taiwan 5 Prozent weniger sind. Das Australia Institute, das die Umfragen durchführen liess, spricht deshalb von «Angstmacherei» auf dem fünften Kontinent.

Pelosi ist «stolz» auf Taiwan-Reise

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