Österreich Was der Wahlsieg von Sebastian Kurz für das Land bedeutet

Von Philipp Dahm

30.9.2019

Der junge Sebastian Kurz und seine ÖVP haben die Wähler mit einem biederen Programm für sich gewinnen können, denn: Österreich will nach der Ibiza-Affäre und in wirtschaftlich ungewissen Zeiten einfach nur Stabilität.

Wer Politik zu lieben angibt und schon als Schüler in eine Partei eingetreten ist, sollte nach 15 Jahren wissen, wie er läuft, der Hase: Obwohl erst 33-jährig hat Sebastian Kurz auf dem politischen Parkett schon jede Menge Erfahrungen sammeln können. Doch der frühere Jus-Student ist nicht nur ein Profi in seinem Metier, er hat zudem auch das nötige Gespür für Stimmungen und ein gewisses Charisma, das sich für einen solchen Job immer auch empfiehlt.

Aber das alles genügt nicht, um seinen Sieg bei den Wahlen gestern Sonntag zu erklären. Kurz ist der kommende Regierungschef, weil er der grösste gemeinsame Nenner Österreichs ist. Nicht umsonst wurde im Nachbarland «Schweigekanzler» Wort des Jahres 2018, weil Kurz betont knapp auf das Ibiza-Video reagiert hat – und sich auch sonst nicht durch exponierte Meinungsbekundungen hervortut. Dafür schon eher durch Präsenz in den (sozialen) Medien: Kurz hat so deutlich mehr Wählerschichten erreicht als seine Konkurrenz.

Kurz eckt nicht so stark an wie etwa die Protagonisten des früheren Koalitionspartners FPÖ. Die FPÖ wurde durch die Ibiza-Affäre in eine Krise gestürzt und dafür nun auch vom Wähler bestraft. Stimmen, die notabene Kurz’ ÖVP zugutegekommen sind: Obwohl beide Parteien nur zwei Prozent weniger als beim letzten Urnengang haben, ist das Mitte-Rechts-Bündnis gescheitert: Der kommende Kanzler kann sich aussuchen, mit wem er die Regierung bilden will. Eine grosse Koalition mit der SPÖ halten Beobachter für unwahrscheinlich, was die Grünen wohl zu Kurz' erste Wahl werden lässt.

Ein Medienprofi in seinem Element: Wahlsieger Sebastian Kurz.
Ein Medienprofi in seinem Element: Wahlsieger Sebastian Kurz.
Bild: Keystone

Die Partei passt mit den Schwerpunkten Klima- und Sozialpolitik besser zu Sebastian Kurz als die Parolen der populistischen FPÖ, für die sich Kurz im Ausland auch noch stets erklären musste. 

Der Politologe Professor Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg bringt im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» zudem ein Dreierbündnis mit den Neos ins Spiel. «Eine solche Konstellation hätte den Charme, dass die Grünen nicht ganz so stark aufgewertet würden. Stattdessen gäbe es neben der grossen ÖVP zwei Juniorpartner, die einander in Schach halten.»

Wer glaubt, die Inhalte der Grünen wiederum wären für Kurz nicht bekömmlich, unterschätzt den Pragmatismus des Wieners. In der Umweltpolitik Kompromisse zu schaffen, das macht ihn auch gar nicht unpopulär – die Hauptsache ist, er kann «seine» Themen durchsetzen: Das Wichtigste sei für ihn die Wirtschaft, hat er bereits verkündet. Das Signal: Wenn der US-Handelskrieg mit China das Gespenst der Rezession heraufbeschwört, ist er es, der für Stabilität sorgt. Er, der Schweigekanzler.

Vielleicht wird Kurz dabei auch mal auf populistische Massnahmen setzen – mit Blick auf den möglichen Koaltionspartner Die Grünen aber dezenter als zuletzt. Wie angedeutet: Anecken ist die Sache von Sebastian Kurz nicht.

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