NordkoreaKim startet mit einem Raketentest und seltenen Eingeständnissen ins neue Jahr
Von Sven Hauberg
6.1.2022
Nordkorea: Offenbar erneuter Raketentest
Das mutmasslich ballistische Geschoss sei von der Ostküste abgefeuert worden und im Meer niedergegangen, teilte Südkorea am Mittwoch mit. Der japanischen Regierung zufolge flog es rund 500 Kilometer weit und stürzte dann vor der Wirtschaftszone Japans ins Meer.
05.01.2022
Bei seiner traditionellen Neujahrsansprache konzentrierte sich Kim Jong-un in diesem Jahr auf interne Probleme. Wenige Tage später setzte er dann aber doch ein aussenpolitsches Zeichen – mit einem verbotenen Raketentest.
Von Sven Hauberg
06.01.2022, 06:28
06.01.2022, 07:11
Von Sven Hauberg
Der laute Knall zum Start ins neue Jahr kam mit Verspätung: Am Mittwoch, fünf Tage nach dem Jahreswechsel, feuerte Nordkorea eine Rakete zu Testzwecken ab. Das teilten die japanische Regierung und der Generalstab des südkoreanischen Militärs mit. Demnach habe es sich um eine ballistische Rakete gehandelt, um eine Waffenart also, die je nach Typ auch atomare Sprengköpfe tragen kann und deshalb den UN-Sanktionen gegen Nordkorea unterliegt.
Laut südkoreanischem Militär wurde die Rakete von einer landgestützten Plattform abgeschossen und flog anschliessend in Richtung des Japanischen Meers. Um welchen Typ es sich handelte und wie weit die Rakete flog, ist noch unklar. Möglich sei aber eine Reichweite von 500 Kilometern, so die japanische Regierung.
Klar hingegen ist die Botschaft, die der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un mit dem verbotenen Test aussenden will: Unser Land mag wirtschaftlich am Boden liegen, einschüchtern lassen wir uns dennoch nicht.
Nicht die Zeit für «kühne aussenpolitische Sprünge»
«Die Hauptmotivation für das nordkoreanische Atomwaffenprogramm, und eigentlich für jede nordkoreanische Politik, ist die Sicherheit, also das Überleben des Regimes», sagte Nordkorea-Experte Eric J. Ballbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik unlängst im Gespräch mit blue News. Kim, so Ballbach, wolle seinem Volk durch seine aggressive Aussenpolitik Angst vor einer möglichen Invasion seines Landes durch die USA oder Südkorea machen, um so seine Macht zu erhalten. Nach aussen hin wolle er hingegen Stärke demonstrieren, um einen Sturz seines Regimes zu verhindern.
Umso überraschender war, dass Kim sich anlässlich seiner Neujahrsansprache am vergangenen Sonntag vor allem auf die Innenpolitik konzentrierte. Zumindest enthielt der Bericht der nordkoreanischen Staatsmedien über die Rede kaum Hinweise auf die aussenpolitischen Ziele des Diktators.
Stattdessen sprach Kim offenbar über den Bau von neuen Wohnungen, über die Elektrizitäts- und Kohleindustrie des Landes und über die Verfeinerung der Eisenproduktionsmethoden. Auch Floskeln über die Intensivierung «des gemeinsamen ideologischen Bewusstseins aller Menschen für das sozialistische Leben und die sozialistische Entwicklung» durften nicht fehlen. «Kim muss zunächst die inneren Angelegenheiten seines Landes regeln, bevor er kühne aussenpolitische Sprünge macht», sagte die Analystin Soo Kim der Seite «NK News».
Schlechte Versorgungslage
Aus Kims Ansprache geht hervor, dass die aktuelle Versorgungslage in Nordkorea unverändert schlecht ist. So sprach Kim von der Notwendigkeit, «die Getreideproduktion zu steigern» und die Fischzucht zu verbessern, «um den Tisch der Bevölkerung zu bereichern». Auch müsse der Staat allen Schulkindern Material zum Lernen zur Verfügung stellen – was bislang offenbar nicht geschehen ist.
Nordkorea hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie fast vollständig vom Ausland abgeschottet. Offiziell hat das Land zwar bislang keinen einzigen Fall einer Infektion mit dem Virus gemeldet, die Isolation aber sorgt in Verbindung mit Naturkatastrophen und internationalen Sanktionen dennoch für eine enorme Belastung der Bevölkerung. Teile der Nordkoreaner gelten als unterernährt, es kommt immer wieder zu Stromausfällen, auch Heizöl ist Mangelware. Die Grenze zum grossen Nachbarn China, dem wichtigsten Handelspartner Nordkoreas, ist dicht.
Investitionen ins Militär
«Aufgrund des Auftretens der Covid-19-Pandemie hat Nordkorea keine andere Wahl, als seine Grenzen geschlossen zu halten und sich auf interne Angelegenheiten wie die Lösung von Nahrungsmittelproblemen zu konzentrieren», sagte der Nordkorea-Experte Cheong Seong-chang zu «NK News». Das Land «scheint sich entschlossen zu haben, die äusseren Entwicklungen abzuwarten». Wie lange sich das Corona-Problem aber aussitzen lässt, ist fraglich.
Die verheerende Lage der Bevölkerung hält Kim dennoch nicht davon ab, einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes ins Militär zu stecken – der Raketentest vom Mittwoch ist der jüngste Beweis für diese Prioritätensetzung. Ausserdem kündigte Kim Ende des vergangenen Jahres während einer fünftägigen Konferenz des Zentralkomitees der kommunistischen Arbeiterpartei einen Ausbau der Armee an. Das berichtete die Nachrichtenagentur AP am Samstag unter Berufung auf nordkoreanische Staatsmedien.
Die Pläne für den Ausbau der nationalen Verteidigung würden ohne Verzögerungen energisch vorangetrieben, sagte Kim demnach. Der Diktator ordnete die Produktion leistungsfähiger, moderner Waffensysteme an, um die Streitkräfte zu stärken, und forderte das Militär zu «absoluter Loyalität und Treue» gegenüber der Kommunistischen Partei auf. Ganz ohne rhetorisches Säbelrasseln geht es eben auch in solchen Krisenzeiten offenbar nicht.