MilitärjuntaKaum Hoffnung auf Ende der Gewalt in Myanmar
AP/toko
6.3.2021
Internationale Kritik, Drohungen und Sanktionen haben die Militärherrscher in Myanmar bislang nicht beeindruckt. Beobachter fürchten, dass die Gewalt bei der Niederschlagung der Proteste noch zunimmt.
06.03.2021, 18:00
AP/toko
Dutzende Demonstranten haben bei den Protesten in Myanmar schon ihr Leben verloren, getötet von Sicherheitskräften. Journalisten und andere, die die Gewalt an die Öffentlichkeit tragen, werden von der Militärjunta ins Gefängnis gesteckt. Die Welt ist empört und reagiert mit scharfen Worten und einigen Sanktionen – aber sonst wenig.
Auch am Samstag wurden in der grössten Stadt Yangon abermals Proteste gemeldet, ebenso Blendgranaten und Tränengas, die Einsatzkräfte gegen Demonstranten verwendet hätten. Allein am Mittwoch waren in Yangon Berichten zufolge 18 Menschen getötet worden. Zu Tausenden gehen die Menschen in ganz Myanmar auf die Strasse, um gegen die Machtübernahme des Militärs vom 1. Februar und die Inhaftierung der demokratisch gewählten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi zu protestieren. Mit dabei ist die Angst. Denn die Militärführung lässt die Proteste brutal unterdrücken.
Auf ihren Handys halten Demonstranten die blutigen Einsätze der Sicherheitskräfte fest. Jüngste Videos zeigen, wie diese aus nächster Nähe auf einen Demonstranten schiessen oder Protestierende verfolgen und niederschlagen. Die Demonstranten haben den Soldaten wenig entgegenzusetzen. Die Streitkräfte haben hochentwickelte Waffen, ein grosses Netzwerk an Spionen und Jahrzehnte Erfahrung im Kampf in Konfliktregionen des Landes.
Und Beobachter fürchten, es könnte noch schlimmer werden. Bill Richardson, früherer US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, betont im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP: «Die internationale Gemeinschaft muss viel entschlossener reagieren, sonst wird die Situation in völlige Anarchie und Gewalt abgleiten.» Es sei ein entscheidender Punkt in der Krise erreicht.
Der Putsch hat die zögerliche Hinwendung zur Demokratie der letzten Jahre in Myanmar jäh ausgebremst. Nach jahrzehntelanger Militärherrschaft hatte vor etwa zehn Jahren eine vorsichtige politische Öffnung in dem südostasiatischen Land begonnen. In einer dabei eingesetzten zivilen Regierung sicherten sich Ex-Generäle allerdings die Macht. Auch als die lange inhaftierte Oppositionsführerin Suu Kyi Ende 2015 die Parlamentswahl gewann, musste die Friedensnobelpreisträgerin im Schatten des starken Einflusses der Streitkräfte regieren. Mit der Hinwendung zur Demokratisierung konnte sich Myanmar zugleich von der Last vieler internationaler Sanktionen befreien.
Nun drohen neue. Doch trotz aller Kritik aus dem Ausland gibt es wenig Hoffnung, dass Druck von aussen den Kurs im Innern umlenken kann. Zum einen scheint ein koordiniertes Vorgehen der Weltgemeinschaft unwahrscheinlich, etwa ein globales Waffenembargo, wie es der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar, Tom Andrews, gefordert hat. Russland und China, die beide weiter Waffen an Myanmar verkaufen, gehören schliesslich zu den Vetomächten im Weltsicherheitsrat.
Zum anderen zeigen sich die Nachbarn vom Verband Südostasiatischer Staaten (Asean) generell zurückhaltend, sich in die Angelegenheiten eines Mitglieds einzuschalten. Von ihnen erwarten Beobachter nicht mehr als Aufrufe zu Gesprächen zwischen der Militärjunta und der abgesetzten Regierung Suu Kyis.
Putschisten unbeeindruckt
Bleiben Sanktionen einzelner Regierungen aus dem Westen, wie sie die USA bald nach dem Putsch gegen die Spitze der Militärführung verhängt haben. Auch Grossbritannien hat Strafmassnahmen gegen drei Generäle und sechs Junta-Mitglieder verkündet, die Europäische Union bereitet Sanktionen vor.
Die Militärherrscher zeigen sich jedoch auch davon wenig beeindruckt. Schon früher hat Myanmar über Jahrzehnte hinweg Sanktionen ertragen, und jetzt spricht die Militärführung bereits ebenfalls über «Autarkie»-Pläne.
Die UN-Sondergesandte für Myanmar, Christine Schraner Burgener, forderte am Freitag vor dem Weltsicherheitsrat, Einheit und entschlossenes Handeln des UN-Gremiums seien nun wichtig, um die Gewalt zu stoppen und die demokratischen Institutionen im Land wiederherzustellen. Doch vorerst kam es zu keiner Reaktion. In den Tagen zuvor hatte sie vor Journalisten gesagt, sie habe die Militärherrscher gewarnt, dass harte Sanktionen drohten. Die Generäle hätten mit dem Hinweis reagiert, sie wüssten, wie sie «mit nur ein paar Freunden» ihren Weg gehen könnten.
Die Streitkräfte setzten darauf, dass die Reaktion der Welt nicht weiter gehe als «harsche Worte, einige Wirtschaftssanktionen und Reiseverbote», sagt Ronan Lee von der Queen-Mary-Universität in London. Um dies sicherzustellen, könnten sie in der Niederschlagung der Proteste vielleicht etwas Zurückhaltung üben – oder zumindest versuchen, die Gewalt vor der Weltöffentlichkeit zu verstecken. Deshalb seien auch Journalisten im Visier.
Die Geschichte des Landes lasse jedoch eine Zunahme der Gewalt befürchten, mahnt Lee: «In der Vergangenheit waren die Streitkräfte bereit, Tausende zu ermorden, um zivile Unruhen zu unterdrücken oder ihre Ziele zu erreichen», sagt der Wissenschaftler.
Die Militärführung habe gezeigt, dass sie bis zum Einsatz extremer Gewalt und Brutalität gehe, um Gehorsam zu erzwingen, bekräftigt John Lichtefeld, Vizepräsident der Strategieberatungsgruppe The Asia Group. Die Streitkräfte seien «eine Organisation mit ungeheurem Stolz», erklärt er. «Und es ist durchaus möglich, dass Hardliner innerhalb des Militärs, die auf eine aggressivere Antwort dringen, an Einfluss gewinnen.»