Italien vor der Präsidenten-Wahl Steht Berlusconi kurz vor der Krönung?

SDA

16.1.2022 - 15:31

Silvio Berlusconi war zuletzt Ministerpräsident, nun will er ganz nach oben.  
Silvio Berlusconi war zuletzt Ministerpräsident, nun will er ganz nach oben.  
KEYSTONE

Silvio Berlusconi hat sich im Kampf um das Präsidentenamt in Position gebracht. Der jetzige Präsident Sergio Mattarella gibt seinen Sitz aber nicht kampflos auf, und auch Mario Draghi schielt auf den Präsidentensitz.

16.1.2022 - 15:31

Ein Sprichwort in Italien sagt: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal heraus. Das bedeutet etwa: Vorab vielgenannte Namen haben meist keinen Erfolg. Mit der geheimen Wahl wählt die katholische Kirche im Vatikan ihr neues Oberhaupt.

Etwa zwei Kilometer davon entfernt wollen in einer Woche am 24. Januar mehr als 1000 Volksvertreter Italiens einen neuen Staatschef finden. Ähnlich wie sonst im Vatikan ist in Rom noch gänzlich unklar, wer das höchste Amt im Staat am Ende innehaben wird. Die Wahl kann mitunter Tage dauern.

Berlusconi will Mattarella das Amt streitig machen

Derzeit hat der Sozialdemokrat Sergio Mattarella das Amt inne. Der 80-Jährige ist beliebt in Italien. Der Wunsch nach einer zweiten Amtszeit wurde schon mehrfach laut. In der von Medien befeuerten Kandidaten-Lotterie brachte sich ein Urgestein der italienischen Politik allerdings schon in Position: Silvio Berlusconi – viermaliger Ex-Regierungschef, der sich immer noch vor Gericht wegen Bestechung verantworten muss. Viele verbinden mit ihm auch seine «Bunga-Bunga-Partys» mit jungen Frauen.

Seit Wochen unterstützen Parteifreunde seiner konservativen Forza Italia öffentlich die Kandidatur. Am Freitag sagten alle konservativen und rechten Parteien bei einem Gipfeltreffen offiziell ihre Unterstützung für den Unternehmer zu.

Unterberger: Kandidatur ist «absurd»

«Ich persönlich finde die Kandidatur von Berlusconi absurd», sagt die Südtiroler Senatorin Julia Unterberger der Deutschen Presse-Agentur. Sie sitzt für die christdemokratische Südtiroler Volkspartei im italienischen Senat, der kleineren Kammer des Zwei-Kammern-Parlaments. «Ein Staatspräsident sollte eine moralische Instanz sein, was bei Berlusconi schwer möglich ist.»

Der Parteichef des Partito Democratico, Enrico Letta, fordert einen «überparteilichen Präsidenten der Republik, der vereint und nicht spaltet». Giuseppe Conte – Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und Vorgänger von Ministerpräsident Mario Draghi – bezeichnete eine Wahl Berlusconis als «undenkbare Option».

Der auf sieben Jahre gewählte Staatspräsident hat in Italien durchaus Macht. Er kann Gesetze verhindern, das Parlament auflösen und damit Wahlen einleiten und Minister ernennen – oder ihre Ernennung verhindern. Letzteres tat zum Beispiel der amtierende Mattarella. Historisch betrachtet zerfällt in Italien im Schnitt nach etwas mehr als einem Jahr eine Regierung. Der Präsident ist dann wichtig, um die politische Zukunft zu gestalten. Die am längsten dauernde Regierung hatte tatsächlich Silvio Berlusconi, von Juni 2001 bis April 2005.

Während sich Italiens Politik über Berlusconi in die Haare kriegt, schweigt Ministerpräsident Mario Draghi seit Wochen beharrlich dazu. Auch er gilt als möglicher Kandidat für den Quirinalspalast, wo das Staatsoberhaupt residiert. Sein Kommentar vor einer Woche: «Ich werde nicht auf irgendeine Frage antworten, die zeitnahe, zukünftige Entwicklungen oder den Quirinale betreffen.»

Auch Draghi schielt auf das Präsidentenamt

Politik-Experte Wolfango Piccoli ist überzeugt: «Draghis Zurückweisung, die wichtigste Frage auf der Agenda zu kommentieren, bestätigt erneut, dass er ernsthaft auf die Präsidentschaft schielt.» Gleichzeitig wollen ihn viele in Italiens Politik weiter in seinem aktuellen Amtssitz Palazzo Chigi wissen. Ein Wechsel in den Quirinale könnte nämlich zur Folge haben, dass die von der Mehrheit des Parlaments getragene Regierung zerbricht und vorgezogene Wahlen folgen. Die aktuelle Legislaturperiode würde im Mai 2023 enden.

Berlusconi reicht es wohl nicht nur Zwei-Drittel-Mehrheit

Klar ist: Für Berlusconi dürfte es eng werden. Ihm fehlen die nötigen Stimmen. Das Wahlgremium setzt sich aus den Mitgliedern des Senats und der Abgeordnetenkammer und den Vertretern der Regionen und Autonomen Provinzen zusammen. In den ersten drei Wahlgängen braucht der Kandidat eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also 673 Stimmen. Davon ist Berlusconi weit entfernt. Ab dem vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit, also 505 Stimmen. Darauf dürfte er spekulieren.

Wegen der angespannten Corona-Lage ist die Sorge vor Ansteckungen extrem hoch. An dem Tag könnte nur ein Wahlgang abgehalten werden, da nicht das gesamte Wahlkolleg gleichzeitig in die Aula soll, sondern immer nur bis zu 200 Menschen und ein Durchgang so etwa fünf bis sechs Stunden dauern könnte. Zu guter Letzt sagen einige Beobachter, dass diejenigen, die vor der Wahl als Kandidaten gehandelt werden, es am Ende sowieso nicht werden – oder im übertragenen Sinn: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal heraus.

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