Nationalgericht gefährdet In Italien trocknen die Reisfelder aus

Von Paolo Santalucia

2.7.2022

Italiens längster Fluss kämpft mit Dürre

Italiens längster Fluss kämpft mit Dürre

Luftaufnahmen zeigen, wie dramatisch sich die Lage von Italiens längstem Fluss ist: Im Einzugsgebiet des Po herrscht die schlimmste Dürre seit rund 70 Jahren. Viele Abschnitte des Flusses sind völlig ausgetrocknet, was die Bewässerung der Felder problematisch macht und die Anwohner stark beunruhigt.

30.06.2022

Italien ächzt unter einer Hitzewelle, die fatale Folgen für die Landwirtschaft hat. Um im Norden des Landes überhaupt noch Äcker bewässern zu können, schalten die Behörden schon Springbrunnen ab.

Von Paolo Santalucia

2.7.2022

Auf den Tellern in Italien könnte künftig das Risotto knapp werden. Infolge der schwersten Dürre seit 70 Jahren trocknen Felder in der Po-Ebene aus, auf denen der Premium-Reis für das Nationalgericht wächst. Wegen des Regenmangels verwandelt sich der grösste Fluss des Landes gerade in einen langen Streifen Sand.

«Normalerweise sollte dieses Feld zwei bis fünf Zentimeter hoch unter Wasser stehen, aber jetzt sieht es aus wie ein Sandstrand», sagt der Reisbauer Giovanni Daghetta aus Mortara in der Region Lomellina. Die Landwirte in dem Gebiet zwischen dem Po und den Alpen produzieren seit Jahrhunderten den berühmten Arborio-Reis, der für die Zubereitung von Risotto besonders gut geeignet ist.

Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO ist Trockenheit die grösste Gefahr für Reis, vor allem im frühen Stadium des Wachstums. Hitzewellen wie kürzlich in Italien mit bis zu 40 Grad können daher zu drastischen Ernteausfällen führen.

90 Prozent der Pflanzen komplett vertrocknet

«Dieser Reis ist seit zwei Wochen nicht bewässert worden, und jetzt sind schon 90 Prozent der Pflanzen komplett vertrocknet», sagt Daghetta. «Die restlichen zehn Prozent, die noch leicht grün sind, müssten innerhalb von zwei oder drei Tagen mit Wasser überschwemmt werden.» Doch da die Meteorologen weitere trockene Tage vorhersagen, hat Daghetta nur wenig Hoffnung.

Wegen der Dürre haben mehrere italienische Regionen den Notstand ausgerufen, um Wasser zu sparen und die knappen Ressourcen besser zu verteilen. Die Pegelstände der Flüsse Po und Dora Baltea, der wichtigsten Wasserquellen der Region, sind nach Angaben des Bewässerungsverbands West Sesia acht Mal niedriger als sonst im Durchschnitt zu dieser Jahreszeit. Auch die Strömungsgeschwindigkeit ist demnach stark verringert. Aufgrund der Wasserknappheit stellte der Verband kürzlich die Bewässerung unter anderem von Pappeln und Obstbäumen ein, um dem Reis den Vorrang zu geben.

Infolge solcher Entscheidungen steigen die Spannungen zwischen den Regionen stromabwärts und stromaufwärts sowie zwischen Wasserkraftanlagen und Bauern, die alle um dieselbe schrumpfende Ressource konkurrieren. Falls es nicht in Kürze regnet und sich die leeren Wasserspeicher im Land füllen, werden grössere Konflikte befürchtet.

Es drohen Ausfälle in der Höhe von drei Milliarden Euro

Selbst die reichste Stadt Italiens bekommt die Folgen der Trockenheit zu spüren. Die Bürgermeister von Mailand liess vor wenigen Tagen per Verordnung öffentliche Springbrunnen abschalten, um Wasser zu sparen. Der Erzbischof der Stadt, Mario Delpini, betete auf einer Wallfahrt für «das Geschenk des Regens» und segnete ein Feld in einer bäuerlichen Gemeinde ausserhalb von Mailand.

Seine Gebete wurden offenbar zumindest zum Teil erhört: Drei Tage danach regnete es in der Stadt und anderen Teilen Italiens vereinzelt. In den meisten Gegenden aber verschlimmert sich die Lage weiter. Mancherorts nutzen Anwohnerinnen und Anwohner ausgetrocknete Flussbetten inzwischen zum Sonnenbaden.

Für die Landwirtschaft steht indes viel auf dem Spiel: Nach Angaben eines Bauernverbands drohen der Branche infolge der Dürre Ausfälle in Höhe von drei Milliarden Euro. Etwa 30 bis 40 Prozent der Ernte gehen demnach verloren.

Auslöser für die aktuelle Krise sind zwar die ungewöhnliche Hitze und Trockenheit. Doch insgesamt wird auch in der Wasser-Infrastruktur viel verschwendet. Die nationale Statistikbehörde schätzt die Verluste von Trinkwasser aus dem Verteilernetz auf 42 Prozent pro Jahr. Grund sind vor allem alte und schlecht gewartete Rohrleitungen.

Als Reaktion auf die Krise sammelt der italienische Zivilschutz gerade Informationen aus den Regionen und Ministerien, um einen umfassenderen Notstand für die betroffenen Gebiete vorzuschlagen. Hunderte Städte und Orte im Norden haben bereits zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Wasser aufgerufen. So soll vermieden werden, dass die kostbare Ressource rationiert werden muss. dpa