Afrika-Gipfel in St. Petersburg «Ein dringend nötiger Prestige-Erfolg für Putin»

Von Gil Bieler

27.7.2023

Wladimir Putin pflegt seinen Draht nach Afrika. Im Bild: der russische Präsident bei einem Treffen mit Vertretern sieben afrikanischer Staaten im Juni in St. Petersburg.
Wladimir Putin pflegt seinen Draht nach Afrika. Im Bild: der russische Präsident bei einem Treffen mit Vertretern sieben afrikanischer Staaten im Juni in St. Petersburg.
Bild: AP

Gemeinsam gegen den Westen: Mit seinem Afrika-Gipfel kann Wladimir Putin nicht nur an das Erbe der Sowjetzeit anknüpfen, sondern auch seinen Einfluss auf dem Kontinent festigen, sagt ein Russland-Experte.

Von Gil Bieler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die russische Regierung empfängt am Donnerstag Delegationen aus fast allen afrikanischen Staaten zu einem zweitägigen Gipfeltreffen in St. Petersburg.
  • An dem Afrika-Gipfel soll eine ganze Reihe von Themen diskutiert werden, vom Handel über den Kampf gegen die Armut bis zur Atomenergie für afrikanische Staaten.
  • Für Kremlchef Wladimir Putin ist die Konferenz bedeutend, um zu zeigen: Russland sei nicht isoliert.
  • Die Verbindungen zwischen Moskau und afrikanischen Staaten waren bereits zu Zeiten der Sowjetunion eng. Daran könne Putin jetzt anknüpfen, analysiert Russland-Kenner Ulrich Schmid von der Uni St. Gallen.

Seit er den Krieg gegen die Ukraine entfacht hat, ist der Draht nach Afrika für Wladimir Putin noch wichtiger geworden. Dass es dabei vor allem um den Handel mit Bodenschätzen und Erdöl geht, ist bekannt. Doch die Beziehungen gehen weit darüber hinaus, wie Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Universität St. Gallen, im Gespräch mit blue News sagt.

Ein erster Russland-Afrika-Gipfel wurde schon 2019 in Sotschi durchgeführt. «Putin nahm damals das Scheitern der französischen Afrika-Strategie zum Anlass, um in das geopolitische Machtvakuum vorzustossen – vor allem in der Sahelzone», erklärt Schmid. Also in der Region südlich der Sahara.

Am Donnerstag beginnt in St. Petersburg der nächste Afrika-Gipfel. Eingeladen sind laut Moskau Delegationen aus 49 Staaten. Es werden zahlreiche Staats- und Regierungschef an dem zweitägigen Treffen erwartet. Unter anderem sollen Handel, Investitionen, die Ernährungssicherheit sowie der Kampf gegen Armut und den Klimawandel diskutiert werden. Doch auch der Einsatz russischer Atomtechnologie soll Thema sein, um die Energiesicherheit in afrikanischen Ländern zu sichern.

Kremlsprecher Dmitri Peskow zufolge haben zwar einige Teilnehmer abgesagt, offiziell aus Termingründen. Er warf dem Westen jedoch vor, Druck auf die afrikanischen Staaten auszuüben. «Das ist eine absolut unverhohlene, dreiste Einmischung der USA, Frankreichs und anderer Staaten über ihre diplomatischen Vertretungen», schimpfte Peskow.

Abgesehen von der Traktanden- und Teilnehmerliste: Natürlich komme es Putin mehr als gelegen, eine solch international besetze Konferenz durchzuführen, sagt Schmid. «Im Westen gilt Russland seit dem Überfall auf die Ukraine als Paria-Staat. Da ist es ein dringend nötiger Prestige-Erfolg, wenn quasi ein ganzer Kontinent in St. Petersburg begrüsst werden kann.»

Der geschickte Twist der Sowjetführung

In einem Aufsatz, der im Vorfeld des Gipfels veröffentlicht wurde, schreibt Putin: Russland habe «die afrikanischen Völker konsequent in ihrem Kampf für die Befreiung von der kolonialen Unterdrückung unterstützt». Bereits die Sowjetunion habe intensive Beziehungen zu vielen afrikanischen Staaten gepflegt, bestätigt Schmid – inklusive Kritik am Westen.

Im Sozialismus sei es gemäss traditioneller marxistischer Grundidee darum gegangen, die Arbeiterklasse von der Ausbeutung durch die Kapitalisten zu befreien. «Die Sowjetführung gab dieser Idee aber einen Twist», sagt Schmid, «indem sie diese auf die Befreiung Afrikas von den Kolonialherren in Europa ausgedehnt hat.»

Daran kann Putin heute anknüpfen: «Dieser Antikolonialismus kommt bei den meisten Machthabern in den Ländern der Sahelzone gut an», erklärt der Professor für Osteuropastudien.

Das zahle sich für den Kremlherrscher aus. So etwa in der Abstimmung in der UNO-Vollversammlung Ende 2022, als sich auch Länder Afrikas gegen eine Verurteilung Russlands wegen dessen Einmarschs in die Ukraine stellten. Und sie führt zu ganz konkreten Projekten wie einem geplanten russischen Militärhafen im Sudan.

Wagner-Gruppe als Trumpf

Ausserdem ist die russische Wagner-Söldnertruppe in den Staaten südlich der Sahara besonders aktiv. «Wagner erlaubt es vielen afrikanischen Herrschern, an der Macht zu bleiben», fasst Schmid die Interessenlage zusammen. «Das ist der grosse Vorteil, den Putin aus Sicht der autoritären afrikanischen Machthaber hat: Sie erhalten Waffen, ohne sich lästige Fragen zu Menschenrechten oder Demokratie anhören zu müssen.» Dies im Gegensatz zum Dialog mit vielen westlichen Staaten.

Mit dem Afrika-Gipfel in St. Petersburg wolle Russland sich als Macht etablieren, die sich für eine multipolare Weltordnung einsetze, so Schmid. Putin empfehle sich als der bessere und zuverlässigere Partner als die USA. Dabei könne er nicht zuletzt auf die unerschütterliche Unterstützung für den syrischen Machthaber Baschar el-Assad verweisen. 

Wie es um Russlands internationales Standing in der Weltgemeinschaft steht, zeigt sich dieser Tage auch an einem anderen Schauplatz: Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu ist am Mittwoch zu einem dreitägigen Besuch in Nordkorea eingetroffen. «Das zeigt, wie verzweifelt die Lage von Putin ist, wenn er seinen Verteidigungsminister in den anderen Paria-Staat par excellence schicken muss», analysiert Schmid.