Wer gegen wen – und warum? Im Nordosten Syriens geht der Bürgerkrieg einfach weiter

Philipp Dahm

13.12.2024

Türkei greift Waffen-Transport der kurdischen YPG-Miliz in Nord-Syrien an

Türkei greift Waffen-Transport der kurdischen YPG-Miliz in Nord-Syrien an

Laut Angaben des türkischen Geheimdienstes vom Dienstag sind von der Türkei zwölf mit Raketen und schweren Waffen beladenen Lastwagen der kurdischen YPG-Miliz im Nordosten Syriens zerstört worden. Dazu wurde ein entsprechendes Video veröffentlicht, dass zudem auch Angriffe auf ein Militärgelände in der Nähe des Flughafens Kamischli zeigen soll. Der Standort dieser Aufnahmen wurde von der Nachrichtenagentur Reuters anhand der Gebäude, Bäume und Strassenführungen überprüft, die mit Satellitenbildern übereinstimmen.

11.12.2024

Während in Damaskus Baschar al-Assads Sturz gefeiert wird, führt die SNA in den kurdisch kontrollierten Gebieten den Krieg weiter. Die SDF steht unter Druck, hat aber Fürsprecher in Washington und Jerusalem.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Während Baschar al-Assad gestürzt worden ist, geht in Syrien der Bürgerkrieg zwischen der SNA und der SDF weiter.
  • Beide Seiten werfen sich Kriegsverbrechen vor.
  • Wer diese Gruppen sind, wer hinter ihnen steht und warum sie sich bekämpfen, erfährst du hier.
  • Die USA und Israel befürchten, eine Schwächung der SDF würde ein Erstarken des sogenannten Islamischen Staates bedeuten.

Es ist ein Video, das man lieber nicht gesehen haben will. Es zeigt, wie Kämpfer ein Krankenzimmer im Spital von Manbidsch betreten. Sie reden kurz mit den beiden schwer verletzten Patienten in ihren Betten. Dann erschiessen sie die Männer vor laufender Kamera.

Die Schützen haben den Clip selbst online gestellt. Es sind Kämpfer der Syrischen Nationalen Armee (SNA), die von der Türkei unterstützt wird. Türkischsprachige User teilen das Video.

So wird das Mord-Video von Manbidsch von einem türkischsprachigen User im Internet verbreitet.
So wird das Mord-Video von Manbidsch von einem türkischsprachigen User im Internet verbreitet.
Bild: Via X

«Zurückgelassene verwundete Terroristen von PKK/YPG, die nach der Flucht aus dem Stadtzentrum von Manbidsch in Schande sterben», schreibt einer dazu. Lach-Emoji, Grinse-Emoji, Daumen hoch, die Champagnerkorken knallen.

«Türkische Kräfte attackieren US-gestützte Einheiten»

Die Bilder dieses Kriegsverbrechens werden am 10. Dezember hochgeladen. Bashar al-Assads Diktatur ist da bereits Geschichte, doch die Kämpfe in Syrien gehen weiter. Die SNA greift systematisch Gebiete an, die entweder von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) oder den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) gehalten werden.

Unter dem Schirm der SDF haben sich mehrere Gruppen versammelt, doch dominiert wird auch sie von kurdischen Milizen. Ankara wähnt sowohl YPG als auch die SDF im Dunstkreis der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Einen Tag nach dem Fall von Aleppo sind deshalb Teile der SNA nach Osten gezogen, um die Kurden aus Manbidsch zu vertreiben.

Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt dabei Schützenhilfe: Seine Jets und Drohnen bereiten die SNA-Angriffe am Boden vor. «Türkische Kräfte attackieren Einheiten, die von den USA gestützt werden», staunt die «New York Times» an jenem Tag, am 8. Dezember, als Assad nach Moskau flieht.

Erdogan will «das aktuelle Chaos nutzen»

Washington hat rund 900 Soldaten in Syrien stationiert und hilft der SDF vor allem aus der Luft. Die USA kooperieren schon lange mit den Kurden, weil diese den sogenannten Islamischen Staat bekämpfen, der 2013 im syrischen Raqqa seine inoffizielle Hauptstadt hatte. Das Weisse Haus befürchtet, die Radikalen könnten sich in dem Gebiet erneut ausbreiten.

Erdogan und die SNA «wollen das aktuelle Chaos nutzen, um die Karte im Sinne der Türkei neu zu zeichnen», ist sich Devorah Margolin vom The Washington Institute for Near East Policy sicher. Der SDF werde Boden abgenommen – «um sicherzustellen, dass ihre Verhandlungsposition geschwächt wird».

Die Attacken haben Folgen. Sunnitische Milizen sagen sich von der SDF los. Zum Beispiel in Dair as-Saur am Euphrat, das die kurdisch dominierte Fraktion daraufhin räumen muss. In Raqqa und al-Hasaka kommt es angeblich zu Demonstrationen gegen die SDF, die durch Schüsse aufgelöst worden sein sollen. Es soll Tote und Verletzte gegeben haben.

Israel will Kurden helfen

SNA und SDF werfen sich gegenseitig Kriegsverbrechen vor. Zwischen dem politischen Arm der SDF – der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES) – und der HTS in Damaskus gibt es bisher keine Vereinbarungen, schreiben die Kurden. Es ist völlig unklar, wie es weitergeht – auch weil Donald Trump am 20. Januar sein Amt antritt.

Aktuelle Lagekarte des nordöstlichen Syrien: Die SDF hat aus Manbidsch (A) und Dair as-Saur (B). In Raqqa (F) und al-Hasaka (C) soll es Zusammenstösse gegeben haben. Bei der Kleinstadt Ain Issa (D) kämpfen SNA und SDF miteinander. Bei (E) nimmt die türkische Artillerie angeblich zwei Dörfer unter Feuer.
Aktuelle Lagekarte des nordöstlichen Syrien: Die SDF hat aus Manbidsch (A) und Dair as-Saur (B). In Raqqa (F) und al-Hasaka (C) soll es Zusammenstösse gegeben haben. Bei der Kleinstadt Ain Issa (D) kämpfen SNA und SDF miteinander. Bei (E) nimmt die türkische Artillerie angeblich zwei Dörfer unter Feuer.
Bild: LiveUAMap/phi

Der kommende US-Präsident will sich aus dem Konflikt raushalten: «Das ist nicht unser Kampf», betont der 78-Jährige auf Truth Social. «Mischt euch nicht ein!» In seinem Umfeld gebe es jedoch einige, die sich ebenfalls Sorgen vor einer neuen Brutstätte für islamistische Terroristen machen. Das sagt Robert Ford, früher US-Botschafter in Syrien, der BBC.

Öffentlich betone Trump gern seinen Isolationismus. In der Praxis könne sich das auch durch seine Administration aber noch relativieren. Nicht zuletzt werde Washington auch nicht riskieren, dass der verbündete Israel gefährdet wird.

Israel selbst fordert, dass die Angriffe auf die SDF aufhören. Die Kurden hätten «tapfer» gegen den sogenannten IS gekämpft und seien eine «stabilisierende Kraft» in Syrien, erklärt Aussenminister Gideon Sa’ar. Jerusalem sei deshalb im Dialog mit Washington.


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