Steigende Fallzahlen Hunderttausende Tote, zweiter Lockdown – Corona-Hotspots weltweit

dpa/SDA/uri

22.9.2020

Während der Hitzewelle ist der Strand von Santa Monica, Kalifornien, Anfang September  von zahlreichen Menschen bevölkert: Die USA kämpfen weiter mit hohen Fallzahlen in der Corona-Pandemie. 
Während der Hitzewelle ist der Strand von Santa Monica, Kalifornien, Anfang September  von zahlreichen Menschen bevölkert: Die USA kämpfen weiter mit hohen Fallzahlen in der Corona-Pandemie. 
Bild:  Getty Images

Nach einer vorübergehenden Stabilisierung steigen die Corona-Infektionen auch in der Schweiz wieder. In anderen Ländern ist die Lage aber noch deutlich dramatischer.

Allen voran die USA, Indien, Brasilien und Russland: In zahlreichen Ländern der Welt schnellen die Corona-Fallzahlen in diesen Tagen weiter in die Höhe. Die Antworten auf die Krise fallen dabei sehr unterschiedlich aus.

Es ist ein kaum zu begreifendes Mass an Leid und Trauer: In den USA sind inzwischen etwa 200'000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Das entspricht einer ausgelöschten Grossstadt. Zuletzt wurden täglich rund 40'000 bestätigte Neuinfektionen gemeldet. Experten zufolge müsste diese Zahl unter 10'000 gebracht werden, um sie unter Kontrolle zu bringen. Donald Trump scheint im Endspurt des Wahlkampfs um das Präsidentenamt vor allem auf eine Corona-Impfung zu setzen. Fast täglich verspricht er, der Impfstoff werde bald verfügbar sein. Kritiker werfen dem Präsidenten Versagen vor.

Indien steht mit Blick auf Corona-Infektionen weltweit an zweiter Stelle – bislang wurden dort mehr als 5,4 Millionen Fälle bestätigt. In absoluten Zahlen gerechnet steigen die bekannten Neuinfektionen in der südasiatischen Nation seit Wochen schneller als in jedem anderen Land. Am Dienstag kamen rund 75'000 Fälle im Vergleich zum Vortag hinzu. Trotzdem lockert die Regierung ihre Corona-Massnahmen, um die Wirtschaft wieder etwas in Schwung zu bringen. Wegen eines ehemals strikten Lockdowns ist die Wirtschaftsleistung des Landes stark eingebrochen, Millionen Menschen verloren ihre Jobs, viele hatten Angst zu verhungern. Weiterhin gibt es keine regulären internationalen Flüge oder Touristenvisa. Auch die meisten Schulen sowie Kinos oder Museen bleiben geschlossen.

Der Frühlingsbeginn macht es den Menschen in Brasilien nicht unbedingt einfacher, die Corona-Massnahmen konsequent einzuhalten. Als es Anfang September durch den Unabhängigkeitstag ein langes Wochenende gab und die Temperaturen schon gestiegen waren, nutzten viele das etwa zum Reisen oder füllten in der Metropole Rio de Janeiro die berühmten Strände, Restaurants und Bars. Seit Wochen hat sich das grösste und bevölkerungsreichste Land in Lateinamerika auf dem Stand von mehr als 40‘000 Neuinfektionen und über 1'000 Toten im 24-Stunden-Zeitraum eingependelt. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch weit höher liegen, auch weil das Land sehr wenig testet. Präsident Jair Bolsonaro, der sich wie weitere Familienmitglieder selbst mit Corona infiziert hatte, steht wegen seines laxen Umgangs mit der Pandemie seit langem international in der Kritik.

Auch in Russland – momentan Platz vier auf der weltweiten Fallzahlen-Liste – steigen die Zahlen wieder ordentlich an. Zu Wochenbeginn gab es knapp 6'200 neue Fälle. Seit Beginn der Pandemie haben sich im Riesenreich mehr als 1,1 Millionen Menschen angesteckt. Vor allem die Hauptstadt Moskau ist weiter Hotspot. Die Behörden geben sich bislang trotzdem entspannt. Weitere Schutzmassnahmen seien weder notwendig noch erforderlich, sagte Anna Popowa, Leiterin der Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor am Montag. Die russische Führung hofft im Kampf gegen Corona auch auf ihre Wunderwaffe Sputnik V: Der Impfstoff wurde medienwirksam im Sommer freigegeben. Für die wichtige Phase III der Studie haben sich bislang aber erst einige Hundert Menschen impfen lassen.

Die am stärksten betroffenen Länder am 22. September

Die absolut am stärksten betroffenen Länder – unterteilt nach Infizierten (inkl. Genesenen) und Toten; sowie Fälle je 100'000 Einwohner.
Die absolut am stärksten betroffenen Länder – unterteilt nach Infizierten (inkl. Genesenen) und Toten; sowie Fälle je 100'000 Einwohner.
Grafik: dpa

Mexiko – mit knapp 130 Millionen Einwohnern das zehntbevölkerungsreichste Land der Welt – hat bisher die viertmeisten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Die Infektionskurve sinkt nach offiziellen Zahlen allmählich, es kommen aber noch immer jeden Tag Hunderte Tote hinzu. Aus Angst vor schlecht ausgestatteten Kliniken lassen sich viele erkrankte Mexikaner nicht behandeln – bis es zu spät ist. Verbindliche Ausgangsbeschränkungen gab es nie. Inzwischen dürfen viele Geschäfte, Restaurants und auch Kinos und Fitnessstudios in begrenztem Umfang wieder öffnen. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Mexiko arbeitet zudem im informellen Sektor – sie können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben.

In Israel hat die Regierung mit einem drastischen Schritt auf jüngste Rekordwerte reagiert: Seit Freitag gilt ein zweiter landesweiter Lockdown. Die Menschen müssen sich mit Restriktionen wie Schulschliessungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit arrangieren. Die Zahl der Neuinfektionen war am 15. September auf mehr als 5'500 geklettert, am 23. Mai lag sie nur bei 5. Die Regierung will mit den neuen, zunächst drei Wochen geltenden Restriktionen vor allem eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. In der Nacht zum Dienstag beschloss die Regierung ausserdem weitere milliardenschwere Hilfen für Unternehmen und Angestellte.

Auch London ist in Alarmbereitschaft: In den vergangenen Tagen kamen in Grossbritannien fast täglich 3'500 bis 4'000 neue Corona-Fälle hinzu, die Zahl der Infektionen verdoppelt sich ungefähr innerhalb von sieben Tagen. Verbreite sich das Virus ungehindert im gleichen Tempo weiter, könnte Grossbritannien Mitte Oktober fast 50'000 Fälle pro Tag zählen, warnten führende Gesundheitsexperten. Das Testsystem steht am Rande des Kollapses, vielerorts sind derzeit kaum Coronatests verfügbar. Die Regierung empfiehlt ihren Bürgern wieder die Arbeit im Home Office. Von Donnerstag an sollen ausserdem Pubs und Restaurants in England spätestens um 22 Uhr schliessen.

Mit mehr als 640'000 Infektionen und über 30'000 Toten ist Spanien das von der Pandemie am heftigsten getroffene Land Westeuropas. Am schlimmsten ist die Lage in der Hauptstadt: Auf den Grossraum Madrid entfällt seit Wochen mehr als ein Drittel aller Neuinfektionen. Zahlreiche Gebiete in und um die Hauptstadt wurden am Montag faktisch abgeriegelt: Man darf sie nun nur noch für dringende Angelegenheiten betreten oder verlassen – etwa um zur Arbeit, zur Schule oder zum Arzt zu fahren. Auch Parks und Kinderspielplätze wurden geschlossen. Ähnliche Massnahmen gibt es auch in vielen anderen Teilen des Landes, darunter auch auf Mallorca.

Auch in Frankreich steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen seit Wochen an. Die tägliche 10'000er-Marke wurde bereits geknackt. Die französische Regierung kämpft nun vor allem mit regionalen Massnahmen gegen das Virus. So haben etwa besonders schwer getroffene Städte wie Marseille oder Nizza strengere Massnahmen eingeführt. Das betrifft besonders Verbote von bestimmten Feiern oder Einschränkungen beim Alkoholkauf und -konsum in der Öffentlichkeit. Generell gilt in Frankreich die Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie bei der Arbeit. In vielen Städten – darunter auch Paris – ist die Maske auch unter freiem Himmel Pflicht.

Verhältnismässig gute Nachrichten kommen hingegen aus Italien: Das im Frühjahr besonders stark von der Pandemie getroffene Mittelmeerland gehört beim aktuellen Infektionsgeschehen nicht mehr zu den absoluten Corona-Hotspots. Die Zahlen steigen nach Angaben des Gesundheitsministeriums zwar seit sieben Wochen im Durchschnitt kontinuierlich an, aber vom Höchststand vom 21. März mit 6'557 Infizierten in 24 Stunden ist Italien noch ein gutes Stück entfernt. Im ganzen Land gelten weiter strenge Hygiene- und Abstandsregeln.

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