China vs. USA Erst rammen sie sich fast, dann üben sie vereint Seenot-Rettung

Von Philipp Dahm

7.6.2023

Zwischenfall in der Strasse von Taiwan

Zwischenfall in der Strasse von Taiwan

Zwischenfall in der Strasse von Taiwan: Die US-Marine hat dieses Video veröffentlicht, in dem ein chinesisches Kriegsschiff in etwa 140 Metern Abstand den Weg eines US-Zerstörers kreuzt. Nach US-Angaben ereignete sich der Vorfall am Samstag, als ein amerikanisches und ein kanadisches Kriegsschiff durch das Seegebiet zwischen China und Taiwan fuhren.

06.06.2023

Diplomatisch herrscht zwischen den USA und China Eiszeit, was sich in militärischen Scharmützeln zu Luft und in der See niederschlägt. Dennoch absolvieren die beiden Staaten gerade gemeinsam ein Manöver.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der amerikanische und der chinesische Verteidigungsminister waren am Wochenende bei einer Sicherheitskonferenz in Singapur, ohne direkt miteinander zu reden.
  • Am vergangenen Samstag musste ein US-Zerstörer einem chinesischen Kriegsschiff ausweichen, das ihn gekreuzt hatte.
  • Wenige Tage zuvor gab es über dem Südchinesischen Meer einen ähnlichen Vorfall in der Luft.
  • US-Verteidigungsminister Llyod Austin ist anschliessend nach Indien gereist, um die militärische Kooperation zu stärken.
  • China und die USA nehmen wie auch Indien und Pakistan sowie Nord- und Südkorea an einem Marinemanöver in Indonesien teil.

Eigentlich sind sich die USA und China ja einig. Vertreter beider Staaten haben sich vom 2. bis 4. Juni bei einer Sicherheitskonferenz in Singapur getroffen – und schätzen die Lage in Asien ähnlich ein.

Der chinesische Verteidigungsminister kritisierte zwar, «einige Länder» würden einen Rüstungswettlauf anstrengen. Washington unterstellt Li Shangfu zudem eine «Kalter-Krieg-Mentalität», die die «Sicherheitsrisiken stark erhöht». Doch ein Krieg mit den USA wäre ein «unerträgliches Desaster», zitiert die BBC den 65-Jährigen.

Ins selbe Horn stösst sein amerikanischer Amtskollege. «Damit das klar ist: Ein Konflikt in der Taiwanstrasse wäre verheerend», erklärte Llyod Austin. Ein Krieg hätte Auswirkungen auf Schiffsrouten und globale Lieferketten: Er würde «die Weltwirtschaft in einer Art treffen, die wir uns nicht vorstellen können», warnte der frühere Vier-Sterne-General laut CNN.

Miteinander geredet haben die beiden Minister in Singapur jedoch nicht, was Austin «tief besorgt». Das Duo hätte sich lediglich bei einem Bankett am 2. Juni zugelächelt. «Ein freundlicher Händedruck bei einem Dinner ist kein Ersatz für ein ernsthaftes Engagement», klagte Austin. Mit dem australischen Verteidigungsminister Richard Marles traf sich Li Shangfu hingegen schon.

Wer provoziert hier wen?

Im Nachhinein wird klar, warum Li Shangfu so zurückhaltend gewesen ist: Noch während der Shangri-La-Dialog in Singapur im Gange war, ist die chinesische Marine am vergangenen Samstag in der Taiwanstrasse auf Konfrontationskurs gegangen.

Als die USS Chung-Hoon, ein Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, und die kanadische Fregatte HMCS Montreal den Wasserweg passieren, werden sie von einem chinesischen Kriegsschiff geschnitten. Nur weil das US-Schiff seine Geschwindigkeit um 10 Knoten verringert, kommt es nicht zur Kollision. Der chinesische Zerstörer zieht letzten Endes 140 Meter an der USS Chung-Hoon vorbei.

Li Shangfu sprach am Folgetag in Singapur von «Provokationen»: Die USA würden nicht die Freiheit der Schifffahrt, sondern die «Hegemonie der Schifffahrt» proben. Washington solle sich in Chinas Hinterhof zurückhalten. Llyod Austin konterte, Washington werde sich nicht erpressen oder einschüchtern lassen.

«Heftige Winde, schwere Wellen und stürmische See»

Es war schon das zweite militärische Intermezzo innerhalb weniger Tage: Erst am 26. Mai sind die beiden Supermächte über dem Südchinesischen Meer aneinandergeraten. Dabei soll eine chinesische J-16 ein amerikanisches Spionage-Flugzeug vom Typ RC-135 geschnitten haben, sodass die RC-135 durch die Wirbelschleppen des Kampfjets fliegen musste, teilten US-Behörden mit.

In diesem Kontext wirken die Aussagen beider Verteidigungsminister wie Lippenbekenntnisse. Auch Chinas starker Mann handelt nicht gerade deeskalierend: Xi Jinping hat seinen Sicherheitsapparat Ende vergangenen Monats angewiesen, Worst-Case-Szenarien zu bedenken. «Wir müssen uns auf heftige Winde, schwere Wellen und stürmische See einstellen», wird der Präsident zitiert.

Llyod Austin flog seinerseits von Singapur aus nach Neu-Delhi. Dort traf sich der 69-Jährige mit seinem Amtskollegen Rajnath Singh, um über Möglichkeiten zur Kooperation bei der Entwicklung und Produktion von Waffen zu sprechen. Austin kam auch mit dem indischen Sicherheitsberater Ajit Doval zusammen.

Gemeinsames Marinemanöver in Indonesien

Angesichts der Tatsache, dass der indische Premier Narendra Modi am 22. Juni in Washington erwartet wird, soll Austin offenbar Geschäfte aufgleisen, die beim USA-Besuch verkündet werden können. Dass die beiden Parteien bei ihrer Kooperation eine Bedrohung durch China im Kopf haben, liegt auf der Hand.

In dieser angespannten Lage hat am 5. Juni ein Marinemanöver begonnen, an dem nicht nur die USA und China teilnehmen, sondern auch Indien und Pakistan – und sowohl Nord- als auch Südkorea. Die Übung «Komodo» wird von Indonesien ausgerichtet, das 49 Nationen eingeladen hat.

Ziel ist es, in den Gewässern zwischen Borneo und Sulawesi bis zum 8. Juni den Marine-Einsatz beim Katastrophenschutz und bei der Seenotrettung zu proben. «Weil Grossmächte wie die USA, China und viele andere Staaten teilnehmen, bietet das Manöver eine Chance zum Dialog, wenn sich die Marinechefs parallel zu den operativen Aktivitäten auf See treffen», wird der indonesische Sicheitsexperte Frega Wenas zitiert.