Harte Bandagen Die US-Demokraten zerfleischen sich gegenseitig

AP/toko

22.2.2020

Im Rennen um die Nominierung der US-Demokraten für die Präsidentschaftswahl wird der Ton rauer. Präsident Trump hat es vorgemacht.
Im Rennen um die Nominierung der US-Demokraten für die Präsidentschaftswahl wird der Ton rauer. Präsident Trump hat es vorgemacht.
John Locher/AP/dpa

Grobe Scherze, falsche Gerüchte und Beleidigungen in sozialen Medien: Im Rennen um die Nominierung der US-Demokraten für die Präsidentschaftswahl wird der Ton rauer. Präsident Trump hat es vorgemacht.

Gespannt warteten die Künstler aus Los Angeles nach den Vorwahlen der US-Demokraten in Iowa auf das Ergebnis. Irgendwann starteten die Anhänger von Bernie Sanders einen Twitter-Hashtag, mit dem sie sich über den Bewerber Pete Buttigieg lustig machten. Am nächsten Morgen trendete «#MayorCheat» weltweit.

«Das ist so lustig, dass wir die ersten waren, die diesen Witz gemacht haben», sagt der 38-jährige Musiker Nick Thorburn. Doch nicht jedem war zum Lachen zumute.

Ein paar Social-Media-Nutzer verbreiteten unter dem Hashtag Falschinformationen und Verschwörungstheorien über Buttigieg. Unter anderem behaupteten sie, er habe zusammen mit der Demokratischen Partei die Vorwahlen manipuliert. Auf anderen Accounts wurden russische Trolle beschuldigt, den Hashtag gepusht zu haben, um die Demokraten zu spalten.



Allerdings war es nicht das Werk von russischen Trollen oder auch nur von Republikanern, die sich einen Scherz erlauben wollten. Es waren Demokraten selbst, die die falschen Beschimpfungen online untereinander austauschten. Diese Art der linksgerichteten Fehlinformation — in Kombination mit einer verlängerten Vorwahl-Phase — lässt so manchen an der Fähigkeit der Partei zweifeln, sich bis November zu einen.

Das Fake-News-Problem

«Ich hoffe, dass die Leute am Ende den siegreichen Kandidaten unterstützen können, auch wenn es nicht ihr Favorit ist», sagt Gary Klar, ein pensionierter Lehrer aus Hancock in New Jersey. Er favorisiert Joe Biden, will aber unabhängig von der Person jeden Kandidaten unterstützen, den die Partei schliesslich nominiert. «Wir sollten nicht sauer werden, wenn wir nicht das bekommen, was wir wollten.»

Bernie Sanders gibt Autogramme an einer Schule im kalifornischen Santa Ana. Der 78-jährige geht als Favorit in die nächste Vorwahl.
Bernie Sanders gibt Autogramme an einer Schule im kalifornischen Santa Ana. Der 78-jährige geht als Favorit in die nächste Vorwahl.
Damian Dovarganes/AP/dpa

Während das knappe Rennen nun in Nevada und South Carolina weitergeht, sind die Fake News im Internet nicht verstummt. Unter anderem machten in den vergangenen Tagen unbestätigte Gerüchte die Runde, dass ein demokratischer Kandidat schon mehrere Herzinfarkte erlitten und ein anderer als Kind Hunde getötet habe.

Dabei erfordert die Verbreitung von Online-Verleumdungen gegen einen Rivalen nicht mehr als einen knackigen Hashtag oder ein satirisches Meme. Diese Taktiken gehörten zur neuen Normalität politischer Kampagnen, erklärt Susan Etlinger von dem Unternehmen Altimeter, das zu disruptiven Technologien forscht und berät.

«Jeder mit einer Agenda, einem kleinen Budget und etwas Zeit kann einen Weg finden, zum Troll zu werden, einen Bot zu kreieren oder billige Fakes zu nutzen», sagt Etlinger mit Blick auf automatisierte Accounts und manipulierte Bilder. «Wir treten jetzt in eine Phase ein, in der wir es als gegeben hinnehmen müssen, dass es bei jeder Wahl Potenzial für viel Falschinformation gibt.»

Erinnerungen an 2016

Der interne Machtkampf der Demokraten erinnert an das Jahr 2016. Damals hatten Anhänger von Sanders der Partei vorgeworfen, Hillary Clinton zu bevorzugen. Viele Anhänger des Senators aus Vermont waren misstrauisch gegenüber Partei-Insidern und Medien, denen sie vorwarfen, Clinton zu fördern, wie der Sanders-Unterstützer Pat Cote sagt.

Heute setze er selbst mehrere Tweets pro Tag über Sanders, dessen Rivalen oder die Wahl ab, erklärt er. Vor wenigen Tagen twitterte er an seine mehr als 33'000 Follower, die bevorstehende Wahl in Nevada werde «ein Desaster sein und es wird nichts getan, um es zu verhindern. Die einzige Erklärung ist, dass das mit Absicht geschieht».

Soziale Medien seien zu einem wichtigen Forum für Sanders-Anhänger geworden, um sich zu organisieren und gegen das Establishment zu wehren, sagt Cote: «Wer Twitter nicht gewinnt, wird die Wahl nicht gewinnen.» Sanders' Unterstützern Falschinformation vorzuwerfen, sei nicht fair. «Jede Kampagne hat toxische Unterstützer.»

In den Tagen nach den Vorwahlen in Iowa hatten Twitter-Nutzer Buttigieg mit Bildern von Ratten in Verbindung gebracht, bei dessen innerparteilicher Rivalin Elizabeth Warren waren es Schlangen. Sanders distanzierte sich von den Angriffen. Seine Anhänger würden selbst online attackiert, und die meisten von ihnen verschickten selbst keine Hassbotschaften, betonte er.

Auch Michael Bloomberg äusserte sich kritisch über den scharfen Ton unter Demokraten im Netz. «Wir müssen uns zusammenschliessen, um (Präsident Donald) Trump im November zu besiegen», schrieb Bloomberg in einem Tweet. «Diese Art von "Energie" wird uns nicht an dieses Ziel bringen.»

Trump selbst macht sich seit Jahren eine ähnliche Strategie zunutze, wie Rita Kirk erklärt, Expertin für politische Kommunikation an der Southern Methodist University. Bei den Vorwahlen der Republikaner 2016 hatte er seine Rivalen Marco Rubio und Ted Cruz als «Lil' Rubio» («Kleiner Rubio») und «Lyin' Ted» («Lügender Ted») verunglimpft. Seine Anhänger skandieren die Beleidigungen noch heute oft bei Kundgebungen des Präsidenten oder online.


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