Putsch in Myanmar Sorge um Rohingya – «die Schweiz muss Druck ausüben»

Von Sven Hauberg

9.2.2021

Eine geflüchtete Rohingya in einem Lager in Bangladesch: Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Jahren Myanmar verlassen (Archivbild).
Eine geflüchtete Rohingya in einem Lager in Bangladesch: Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Jahren Myanmar verlassen (Archivbild).
Bild: Keystone

Der Putsch in Myanmar bringt auch die Rohingya in Bedrängnis. Menschenrechtler fürchten, dass die verfolgte Minderheit weitere Repressalien erleiden wird.

Die Nachricht, dass sich das Militär in Myanmar an die Macht geputscht hat, war nur ein paar Stunden alt, da mischte sich schon das Nachbarland Bangladesch in den Konflikt ein. Man hoffe, teilte das Aussenministerium in Dhaka am Montag vergangener Woche mit, trotz des Coups mit der Rückführung von Rohingya-Flüchtlingen nach Myanmar fortfahren zu können.

In Bangladesch leben Hunderttausende Rohingya in Flüchtlingslagern, nachdem sie gewaltsam aus ihrer Heimat Myanmar vertrieben worden waren. Bis zu einer Million Menschen, so schätzen die Vereinten Nationen, haben seit 2017 in Bangladesch Zuflucht gefunden. In den überfüllten Lagern, die zu den grössten Flüchtlingscamps der Welt zählen, warten die Menschen seit Jahren auf eine politische Lösung für ihre Misere. Doch ein Ende des Konflikts scheint nicht in Sicht, im Gegenteil: Der Militärputsch hat die Lage nur noch unübersichtlicher gemacht.



«Das Militär war die treibende Kraft hinter der Vertreibung und dem Völkermord an den Rohingya», erklärt Christoph Wiedmer von der Schweizer Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker «blue News». «Wir befürchten, dass mit der Militärjunta die Gewalt gegenüber den noch verbliebenen Rohingya weiter zunimmt.»

Gewalt durchs Militär

Myanmar betrachtet die Rohingya als Staatenlose und verweigerte ihnen seit Jahrzehnten sämtliche Bürgerrechte. Ende 2017 eskalierte die Situation, als das Militär mit Gewalt gegen mehrere Dörfer der Rohingya vorging und Hunderttausende in die Flucht trieb – die Vereinten Nationen sprechen von einem Genozid mit unzähligen Opfern.

Auch Amnesty International fürchtet nach dem Putsch um das Wohlergehen der Rohingya. Am vergangenen Montag hätten «die Hauptverantwortlichen für die gegen Angehörige der Rohingya gerichtete Politik der ethnischen Säuberung die alleinige Macht im Land übernommen», sagt Mediensprecher Reto Rufer zu «blue News».

Es ist vor allem ein Name, der mit den Verbrechen an den Rohingya in Verbindung gebracht wird: Min Aung Hlaing – also jener General, der nun in Myanmar die Macht übernommen hat. Schon im Sommer 2018 identifizierte Amnesty International den Top-Militär als die treibende Kraft hinter dem Genozid. Nun ist er der entscheidende Machtfaktor in dem südostasiatischen Land. Weil Aung San Suu Kyi, das Gesicht der Demokratiebewegung Myanmars, nicht gegen angebliche Wahlfälschung vorgegangen sei, erklärte Min Aung Hlaing die Regierung für abgesetzt.

Suu Kyis Rolle ist umstritten

Aber auch Aung San Suu Kyi selbst, seit 1991 Friedensnobelpreisträgerin, wird von vielen Rohingya für die Verfolgungen mitverantwortlich gemacht. Nach der Militäroffensive 2017 hatte es die Politikerin nicht geschafft, das Vorgehen des Militärs zu verurteilen. Seit dem Putsch von Montag befindet sich Aung San Suu Kyi wohl unter Hausarrest – Details zu ihrem Aufenthaltsort sind derzeit nicht bekannt. Manche Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch zeigen sich unterdessen glücklich über die Festnahme der einstigen Regierungschefin. Ihre Entmachtung «scheint wie ein Fluch Allahs gegen sie gewesen zu sein», sagte Rohingya-Anführer Mohammad Kalim vergangene Woche der Nachrichtenagentur dpa.



Bangladesch hatte kurz vor dem Putsch begonnen, Tausende Flüchtlinge auf eine Insel zu bringen, die nach Angaben von Hilfsorganisationen während der Monsunsaison heftigen Stürmen und Überflutungen ausgesetzt ist. «Wir fürchten, dass Bangladesch die unmenschliche Politik gegenüber den geflüchteten Rohingyas aus Myanmar fortsetzt und sich damit die humanitäre Katastrophe verschlimmert», sagt Christoph Wiedmer von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das Land müsse den Flüchtlingen «lebenswerte Lebensbedingungen» schaffen «und sich für eine friedliche Zukunft der Rohingya» einsetzen. 

Amnesty International weist darauf hin, dass die Flüchtlinge in Bangladesch «weitgehend rechtlos und unter schwierigsten humanitären Bedingungen» leben müssten. Gefordert sei nun die internationale Staatengemeinschaft. «Die Schweiz und andere Länder fordern wir auf, Druck auf Myanmar auszuüben», so Mediensprecher Rufer.

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