Umweltschützer entsetzt Brasilien versenkt eigenen, mit Gift belasteten Flugzeugträger

Von Stefan Michel

4.2.2023

Ein Bild aus besseren Zeiten: Seit Monaten ist die «Sao Paolo» über den Atlantik geschleppt worden. Jetzt liegt das marode Schiff auf dem Meeresgrund.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Seit Monaten ist die «Sao Paolo» über den Atlantik geschleppt worden. Jetzt liegt das marode Schiff auf dem Meeresgrund.
Rob Schleiffert / Wikipedia

Die brasilianische Marine hat den maroden Flugzeugträger «Sao Paolo» 350 Kilometer vor der Küste versenkt. Selbst die brasilianische Staatsanwaltschaft hatte versucht, dies zu verhindern.

Von Stefan Michel

4.2.2023

Die Intervention der brasilianischen Umweltministerin hat nichts genützt. Die Marine ihres Landes hat den maroden Flugzeugträger «Sao Paolo» in eigenen Gewässern versenkt. «Die brasilianische Marine ging mit der erforderlichen technischen Kompetenz und Sicherheit vor», hat das Kommando gemeldet. Das 266 Meter lange und rund 30'000 Tonnen schwere Schiff liegt nun in 5000 Meter Tiefe, rund 350 Kilometer vor der brasilianischen Küste.

Umweltorganisationen wie Greenpeace, Sea Sheperd und Basel Action Network haben gewarnt, im Schiff befänden sich hunderte Tonnen giftigen Materials. Die brasilianische Umweltbehörde hat im Januar angegeben, dies treffe nicht zu, jedoch enthalte das Schiff Dämmplatten aus Asbest und sollte fachgerecht entsorgt werden. Selbst die brasilianische Staatsanwaltschaft ist gegen das Versenken vorgegangen, wie der «Spiegel» berichtet. Verhindern konnte auch sie es nicht. 

Dabei war Brasilien das Problem-Schiff schon fast los. 2021 trat es die schwimmende Altlast an ein türkisches Unternehmen ab, das sich auf Schiff-Recycling spezialisiert hat. Die Türkei liess das Schiff aber noch vor der Strasse Gibraltar umkehren, weil es nicht glaubte, dass Brasilien alle an Bord befindlichen giftigen Materialien vollständig aufgelistet hatte. 

Brasilien und die Türkei schieben sich das Problem-Schiff zu

Also zog ein Schlepper den mittlerweile manövrierunfähigen Flugzeugträger zurück nach Brasilien und kreuzte damit im südlichen Atlantik. Denn auch Brasilien wollte den giftigen Koloss nicht in der Nähe seiner Küste, wo er grosse Schäden hätte anrichten können, wäre er in der Nähe dieser sensiblen Ökosphäre gesunken.

Zwei Länder also haben sich die Sao Paolo gegenseitig zugeschoben. Alexander von Ziegler, Anwalt und Experte für Seerecht erklärt: «Brasilien und die Türkei haben das Recht, ein Schiff nicht anlegen zu lassen, wenn dieses ein Sicherheitsrisiko darstellt.»

Als Flaggenstaat sei Brasilien aber für alles verantwortlich, was mit dem Schiff geschehe. Diese Verantwortung hat die brasilianische Marine nun auf ihre Weise wahrgenommen. Das Schiff sei ausserhalb von Naturschutzgebieten in einem Gebiet versenkt worden, wo der Atlantik 5000 Meter tief sei, keine Tiefenkabel verliefen und keine Windparks geplant seien.

Wohl nicht zufällig hat die «Sao Paolo» ihre letzte Ruhe 350 Kilometer vor der Küste Brasiliens gefunden und damit innerhalb der «Ausschliesslichen Wirtschaftszone», die 200 Seemeilen (370 km) vor jedem Küstenstaat endet. Die ausschliessliche Wirtschaftszone sei jedoch nicht brasilianisches Gebiet, erklärt Alexander von Ziegler. Dennoch sieht es so etwas eher danach aus, als hätte Brasilien den Flugzeugträger in eigenem Gebiet entsorgt.

Jährlich sinken 50 grosse Schiffe auf den Weltmeeren

«Für die hier relevanten Aspekte kommt es rechtlich dem Status der Hohen See gleich, was bedeutet, dass Brasilien aufgrund des Seevölkerrechts bei deren Nutzung auf die Meeres-Umwelt achten muss.» 

Der Jurist gibt zu bedenken, dass laufend Meeresschiffe sänken, die aufgrund ihres Alters, ihrer Bauweise und nicht zuletzt wegen ihrer Ladung die Umwelt gefährdeten. Im Schnitt würden jährlich 50 grosse Schiffe untergehen, schätzt ein Experte in «The Atlantic».

Noch schlimmer seien Container, die über Bord gehen. Jährlich fallen mehrere tausend solcher Frachtkisten auf hoher See ins Meer. Das sei sogar ein viel grösseres Problem als lecke oder sinkende Öltanker, weil es viel häufiger passiere, ist von Ziegler überzeugt. 

Es ist also denkbar, dass die «Sao Paolo» am Grund des Atlantik nur die Spitze des Eisbergs ist. Aber eine mit grosser Symbolkraft, da sie zeigt, wie schwer sich die internationale Gemeinschaft tut, das Meer zu schützen.