«Bethlehem ist tot» Corona wirft Schatten auf Weihnachtsfeiern in der biblischen Stadt

AP/toko

3.12.2020 - 06:15

Leere Strassen in Bethlehem.
Leere Strassen in Bethlehem.
EPA/ABED AL HASHLAMOUN

Allein zum Christfest strömen jährlich Tausende Besucher aus aller Welt nach Bethlehem. Aber die Corona-Pandemie hat auch hier drastische Beschränkungen zur Folge: Die biblische Stadt ist praktisch lahmgelegt.

Normalerweise würde es in Bethlehem in der Weihnachtssaison nur so von Besuchern aus aller Herren Länder wimmeln. Aber nicht dieses Jahr. Das Coronavirus hat die biblische Stadt, verehrt als Geburtsstätte Jesu, praktisch lahmgelegt. Restaurants, Hotels und Souvenirläden sind geschlossen. Sind sonst Tausende Menschen dabei, wenn die Lichter am Christbaum vor der Geburtskirche zum ersten Mal angeknipst werden, ist diesmal nur eine kleine Gruppe zu dem weltbekannten Zeremoniell zugelassen. Beim Gottesdienst an Heiligabend wird es ähnliche Beschränkungen geben.

«Aber alle haben storniert»

«Bethlehem ist tot», sagt Mariana al-Marja, Besitzerin des Angel Hotels am Rande der Stadt. Hier, in dieser Unterkunft mit 120 Betten, waren im März die ersten Corona-Infektionen im Westjordanland aufgetaucht – bei einer Gruppe griechischer Touristen. Al-Arja, die sich selbst ansteckte, hielt mehrere Monate lang an ihren 25 Beschäftigten fest. Aber ohne Aussicht auf ein baldiges Ende der Pandemie und damit eine Rückkehr der Touristen in absehbarer Zeit war sie am Ende gezwungen, das Hotel zu schliessen und sämtliche Mitarbeiter zu entlassen. 

«Wir hatten dieses Jahr 351 Touristengruppen in unserem Hotel gebucht, jede mit 150 Personen», so Al-Marja. «Aber alle haben storniert.»

2019 habe Bethlehem etwa drei Millionen Touristen verzeichnet, sagt Elias al-Arja, Vorsitzender der städtischen Hotel-Vereinigung und ein Cousin der Hotelbesitzerin. Aber da Israel, das Haupteingangstor in die Region für internationale Besucher, Touristen wegen der Pandemie nicht einlässt und die Grenzübergänge zwischen dem Westjordanland und Jordanien für Ausländer geschlossen sind, liegt die Zahl Al-Arja zufolge dieses Jahr fast bei Null. «60 Prozent der Stadt stützen sich auf Tourismus», sagt er, «und mit den Touristen ist ihr Einkommen verschwunden.»  

Das Ambassador Hotel nahe der Geburtskirche hat eine Etage geöffnet – man hofft, dass vielleicht einige örtliche Besucher in den nächsten Wochen zum Feiern kommen werden. Sechs der 80 Hotelbeschäftigten seien zurückgerufen worden, um Gäste zu versorgen, sagt Mahmud Tarman, der die Rezeption betreut. Aber angesichts der am Boden liegenden Wirtschaft im Westjordanland – verschärft durch wiederholte Lockdowns – ist unklar, wie viele Besucher auftauchen werden.

Weihnachten in Bethlehem 2019: Eine Besucherin zündet eine Kerze in der Geburtskirche an.
Weihnachten in Bethlehem 2019: Eine Besucherin zündet eine Kerze in der Geburtskirche an.
Majdi Mohammed/AP/dpa

«Zu dieser Jahreszeit würde in diesem leeren Hotel rege Geschäftigkeit herrschen. Aber wie man sehen kann, gibt es hier kein Leben, bislang nicht einmal einen Weihnachtsbaum», sagt Tarman und weist auf die leere Lobby. 

65'000 Infektionen im Westjordanland

Nach einem jüngsten Anstieg von Corona-Fällen hat die palästinensische Autonomiebehörde, die Teile des von Israel besetzten Westjordanlands verwaltet, diese Woche einen neuen nächtlichen Lockdown verfügt. Die Menschen müssen von 19 Uhr bis sechs Uhr früh daheim bleiben, und die Ausgangssperre gilt auch für Bethlehem. Bislang hat das Gesundheitsministerium etwa 65'000 Infektionen im Westjordanland verzeichnet, mehr als 620 Menschen starben. Behördenvertretern zufolge könnte die Ausgangssperre über Weihnachten und bis ins neue Jahr verlängert werden, sollte die Zahl der Neuinfektionen nicht sinken.

Bethlehems Bürgermeister Anton Salman zufolge hatte die Stadt ursprünglich 3000 geladene Gäste eingeplant, etwa örtliche Pfadfinder-Gruppen und Musikbands aus verschiedenen Teilen der Welt, die normalerweise Besucher während Heiligabend-Festivitäten unterhalten. Nun sieht es mehr als trübe aus. Gerade mal 15 Gäste, darunter örtliche Bürgermeister, der Bezirksgouverneur, der Lateinische Patriarch von Jerusalem und andere Geistliche, dürfen dabei sein, wenn der Weihnachtsbaum vor der Geburtskirche am Donnerstag erstmals zum Erstrahlen gebracht wird. Der 85-jährige Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, der normalerweise an der Zeremonie teilnimmt, wurde ebenfalls eingeladen, aber bislang ist unklar, ob er kommt.

«Nichts wird so sein wie bisher»

Auch bei der Mitternachtsmesse, die der Lateinische Patriarch sonst stets vor religiösen Führungspersonen, örtlichen Prominenten und Hunderten von internationalen Besuchern zelebriert, wird die Besucherzahl diesmal drastisch zurückgestutzt. An der Gästeliste werde noch gearbeitet, sagt Salman, aber sie werde religiöse Führer und einige ausländische Diplomaten einschliessen. Die allgemeine Öffentlichkeit kann den Gottesdienst nur auf dem Bildschirm verfolgen, sie wird live übertragen. 

«Niemand kann die Verantwortung übernehmen, eine Menge Leute zu Weihnachtsveranstaltungen einzuladen», sagt der Bürgermeister. «Nichts wird während der Pandemie so sein wie bisher.» 

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