Immer süchtiger Süchte sorgen für viel Leid – und sie nehmen immer mehr zu 

dpa, seh

17.9.2019

Ein Jugendlicher spielt in einem Wohnheim für computersüchtige Jugendliche mit einem Mobiltelefon.
Ein Jugendlicher spielt in einem Wohnheim für computersüchtige Jugendliche mit einem Mobiltelefon.
Source: Marcel Kusch

Internet, Sex, Alkohol oder das Handy – Menschen können von den unterschiedlichsten Dingen abhängig werden. Und dies geschieht laut Experten immer häufiger.

Suchtgefahren lauern in vielen Lebensbereichen. Die Experten warnen: Anreize für einen exzessiven Gebrauch von Substanzen oder exzessiv ausgeübte Verhaltensweisen seien allgegenwärtig und «scheinen weiter zuzunehmen».

Mehr als 300 Suchtexperten diskutieren aktuell auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf dem diesjährigen Deutschen Suchtkongress aktuelle Entwicklungen in der Suchtforschung.

Süchte sorgten häufig für grosses Leid, wobei sie sich oft unentdeckt entwickelten. «Wegen der zunehmenden Durchdringung mit elektronischen Medien steigt die Suchtgefahr», sagt Kongresspräsident Klaus Wölfling.

Als Beispiele nennt der Psychologische Leiter an der Universitätsmedizin Mainz etwa die Sucht nach sozialen Medien, Pornografie oder Computer- und Onlinespielen. Für diese Spiele gelte: «Die Hersteller nutzen Suchtpotentiale stärker aus.»

Lernen «normal» mit dem Internet umzugehen

Zur Therapie von Internet- und Computerspielsucht stelle die Psychosomatische Klinik der Universitätsmedizin Mainz auf dem Kongress eine Behandlungsstudie vor. Sie zeige, dass die Chance, sich von einer Sucht zu befreien, mit einer Therapie etwa zehnmal höher ist als ohne.

Eine Therapie bestehe etwa aus Einzel- und Gruppengesprächen zur Reflexion des eigenen Suchtverhaltens sowie einer sechswöchigen Abstinenz von Computer und Smartphone. «Die Patienten sollen im Anschluss aber wieder lernen, normal mit dem Internet umzugehen», sagt Wölfling.

In der Schweiz sollen rund 70'000 Menschen die Kontrolle über ihre Internetnutzung verloren haben. Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren haben laut Experten ein erheblich höheres Risiko.
In der Schweiz sollen rund 70'000 Menschen die Kontrolle über ihre Internetnutzung verloren haben. Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren haben laut Experten ein erheblich höheres Risiko.
Bild: iStock

Alkohol, soziale Medien und Computerspiele

Nicht nur um Suchterkrankungen von Erwachsenen geht es in den Symposien und Fachvorträgen. Auch für Jüngere bergen insbesondere Alkohol, aber auch soziale Medien und Computerspiele eine grosse Suchtgefahr, wie Rainer Thomasius vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf erklärt.

Gerade im Präventionsangebot bestünden deutliche Mängel. Thomasius fordert daher eine Erweiterung der individuellen Suchttherapie und Prävention für Kinder und Jugendliche.

Bei In-App-Käufen fehle der Jugendschutz

Vor der Verbindung von Spielen und Smartphone warnt Michael Dreier von der Psychosomatischen Klinik in Mainz. Das Problem sei: Gerade bei derzeit beliebten In-App-Käufen fehlten Jugendschutzregulationen, um beispielsweise die Menge der Käufe zu begrenzen. Für Jugendliche schlägt Dreier daher eine finanzielle Obergrenze vor.

Auch wenn der gesellschaftliche Wandel eine angepasste Versorgung notwendig mache, ist nach Ansicht von Falk Kiefer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim schon problematisch, dass es bereits für «etablierte Störungsbilder» keine umfassende Versorgung gebe. «Weiterhin werden in Deutschland nur etwa zehn Prozent der alkoholabhängigen Menschen suchttherapeutisch behandelt.

Weitere Informationen zum Thema Sucht erhalten Sie auf der Webseite von Sucht Schweiz, dem nationalen Kompetenzzentrum für Prävention, Forschung und Wissensvermittlung im Suchtbereich.

Bilder des Tages 

Zurück zur Startseite