Gehirnforscher «Wir sollten uns nur auf zwei Vorsätze konzentrieren»

Von Carlotta Henggeler

5.2.2023

«Der Mensch ist programmiert, auf etwas hinzuarbeiten, Ziele zu erreichen, Kämpfe zu gewinnen, Aufgaben zu bewältigen und Herausforderungen zu meistern», sagt Wissenschaftler Dr. Volker Busch.
«Der Mensch ist programmiert, auf etwas hinzuarbeiten, Ziele zu erreichen, Kämpfe zu gewinnen, Aufgaben zu bewältigen und Herausforderungen zu meistern», sagt Wissenschaftler Dr. Volker Busch.
Imago

Plötzlich ist in den Fitnesscentern wieder mehr Platz: Im Februar haben viele ihre neuen Vorsätze schon über Bord geworfen. Gehirnforscher Volker Busch gibt Tipps, wie man langfristig seine Ziele erreicht. 

Von Carlotta Henggeler

5.2.2023

Dreimal die Woche rennt man Anfang Jahr noch ins Fitnesscenter. Neues Jahr, neues Glück, denkt man sich, um endlich seine Vorsätze umzusetzen.

Genervt von den vielen Besucher*innen im Sportclub und den Wartezeiten vor den Geräten wirft man im Februar das Handtuch. Und sitzt wieder frustriert daheim auf der Couch vor dem Fernseher.

Es ist schwer, die gefassten Vorsätze umzusetzen und längerfristig durchzuhalten, weiss der Neurowissenschaftler Volker Busch. Der Arzt hat in seinem Spotify-Podcast «Gehirn gehört» eine Folge darüber aufgenommen.

Warum wir oft mit unseren Vorsätzen scheitern, erklärt Dr. Busch im Interview mit blue News. 

Zur Person
Petra Homeier

Prof. Dr. Volker Busch ist seit 15 Jahren als Neurowissenschaftler, Arzt und Speaker tätig. Als Leiter einer Arbeitsgruppe an der Uni Regensburg erforscht er die psychophysiologischen Zusammenhänge von Stress, Schmerz und Emotionen. Therapeutisch arbeitet er mit Menschen, die unter Stress, Depression, Erschöpfung oder anderen Belastungen stehen.  

Schlanker, sportlicher und fitter im Beruf: Vorsätze werden oft nach kurzer Zeit schon wieder über Bord geworfen. Warum?

Einer der grössten Fehler ist, dass wir zu viel auf einmal wollen. Menschen haben nicht zu wenig Ziele, sondern zu viele. Aber menschliche Gehirne haben nur begrenzte Kapazitäten. Studien zeigen, dass wir uns nicht auf mehr als zwei Dinge langfristig konzentrieren können. Wenn jemand den Wunsch hat, schlanker zu werden, mehr Sport zu treiben, nicht zu rauchen und beruflich Gas zu geben, sind das zu viele Ziele. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dieser gar nichts umsetzt.

Tipp 1: Fokussiere dich auf maximal zwei Ziele

Besser also, sich auf ein Ziel zu konzentrieren und diszipliniert dahinterzugehen?

Ja, zur Disziplin muss man aber auch sagen, wer anzieht, muss auch mal lockerlassen. Wenn wir unsere ganze Kraft in etwas investieren, müssen wir es uns auch gut gehen lassen. Deshalb gelingt es nicht, wenn man auf verschiedenen Baustellen ansetzt. Dann ist das Leben zu asketisch. Weniger ist also mehr.

Wie gelingt der Start am besten?

Mit einem konkreten Plan. Ich muss das Ziel in einem sehr umfangreichen und detaillierten Plan umsetzen, dann passiert eine dauerhafte Informationsspeicherung im Langzeitgedächtnis. Mit einem Plan wird das Ziel vorstellbar und greifbar. Die Wahrscheinlichkeit, seine Vorsätze umzusetzen, ist so viel höher. Aber die meisten Menschen machen das nicht. Pläne zu machen ist anstrengend und kostet viel Zeit.

Tipp 2: Mache einen möglichst detaillierten Plan, visualisiere ihn

Wie könnte ein Plan konkret aussehen?

Wenn ich mir zum Beispiel vorgenommen habe, schlanker zu werden, dann definiere ich in einem Plan, dass ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre und mir Regenkleider zulege. Oder ich packe vorab eine Sporttasche und stell sie mir ins Auto. Jedes Mal, wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre, gehe ich ins Fitness. Und ich fülle mir schon eine Flasche mit Getränken ab, damit ich keine Ausrede habe, nach Hause fahren zu müssen. Lande ich einmal auf dem Sofa, komme ich dort nicht mehr so schnell wieder weg.

Tipp 3: Setze deinen Plan möglichst schnell um. Der erste Schritt muss kein Mega-Erfolg sein

Reden wir über die Glücksnarkose, von diesem Zustand erzählen Sie in Ihrem Podcast. Diese tritt ein, wenn man seinem Umfeld von seinem Vorsatz erzählt und dann nichts mehr macht.

Die Glücksnarkose passiert, wenn Menschen ihre Ziele gross ankündigen, sich danach wohlfühlen und ihr Gewissen so rein ist, dass sie denken, es geht mir schon maximal gut. Also bleibe ich da, wo ich mich befinde. Diese Zielbetäubung – oder Glücksnarkose – ist gefährlich, weil man irgendwann aufwacht und merkt, man ist gar nicht weitergekommen. Deshalb empfehle ich immer, möglichst schnell den ersten Schritt zu machen. Gleich vom Plan in die Umsetzung zu kommen. Perfektion ist dabei nicht gefragt, der erste Schritt muss kein Mega-Erfolg sein.

Das Gehirn braucht 100 Tage, um eine neue Routine zu verinnerlichen. Ist das richtig?

Ja, das ist eine grobe Faustregel und wissenschaftlich schwer zu konkretisieren, weil Gewohnheiten unterschiedlich lange anhalten. Wenn man sich morgens angewöhnen würde, ein Glas Wasser zu trinken, damit der Magen voll ist und man nicht so Hunger hat, dann dauert das Studien zufolge nicht mal drei Wochen.

Wofür braucht das Gehirn länger?

Wenn man sich aber angewöhnen möchte, nach vielen Jahren nicht mehr zu rauchen, dann brauchen sie mindestens ein Jahr. Es ist also abhängig davon, um was es geht. Die Halbwertszeit einer Gewohnheit liegt bei
90 Tagen.

Auch wenn man schon oft gescheitert ist, nimmt man sich immer wieder neue Vorsätze. Kann man das aus der Wissenschaft erklären?

Der Mensch ist programmiert, auf etwas hinzuarbeiten, Ziele zu erreichen, Kämpfe zu gewinnen, Aufgaben zu bewältigen und Herausforderungen zu meistern. Das ist gut so. Nur so haben wir auf einer gesellschaftlichen Ebene etwas erreicht. Wenn wir alle eine andere passive Mentalität hätten, würde nichts vorwärtsgehen.

Was möchten Sie in diesem Jahr erreichen?

Ich habe vor, ein zweites Buch zu schreiben. Das macht sehr viel Freude, ich habe schon angefangen und will im Herbst damit fertig sein. Und als kleineren Vorsatz habe ich gefasst, den Motorboot-Führerschein zu machen. Ich habe das Glück, an der Donau zu wohnen. Jeden Tag schaue ich aus dem Fenster aufs Gewässer und denke daran.

Der Spotify-Podcast von Professor Dr. Volker Busch heisst «Gehirn gehört». Sein Buch «Kopf frei!» ist im Droemer-Verlag erscheinen. Darin geht es darum, wie man im digitalen Alltag leistungsfähig und gesund bleibt. Mehr Informationen gibt es auf seiner Website drvolkerbusch.de.


Video: So funktioniert es mit Eisbaden

Bötschis Mutprobe: Er weint, aber zieht es eiskalt durch

Bötschis Mutprobe: Er weint, aber zieht es eiskalt durch

Manche suchen beim Eisbaden den Nervenkitzel, andere erhoffen sich eine positiven Effekt auf die Gesundheit. blue News-Redaktor Bruno Bötschi hat es ausprobiert – und hat geweint vor Angst und gelacht vor Glück.

24.02.2022