Rechtsextremer Gruss Schweizer Spitzen-Sprinter hat sich verrannt – nun darf er wieder ran

Von Bruno Bötschi

15.6.2021

An den Schweizer Meisterschaften in Frauenfeld zeigt Pascal Mancini 2014 den Quenelle-Gruss, nachdem er das 100-Meter-Rennen gewonnen hat. In Frankreich gilt diese als antisemitische Geste.
An den Schweizer Meisterschaften in Frauenfeld zeigt Pascal Mancini 2014 den Quenelle-Gruss, nachdem er das 100-Meter-Rennen gewonnen hat. In Frankreich gilt diese als antisemitische Geste.
Bild: Keystone

2018 wurde Sprinter Pascal Mancini gesperrt. Er soll rechtsextremes Gedankengut verbreitet haben. Nun ist der 32-Jährige wieder Mitglied der Schweizer 4x100-Meter-Staffel. Wie das geht? «blue News» hat nachgefragt.

Von Bruno Bötschi

15.6.2021

Pascal Mancini kann schnell rennen, sehr schnell sogar. Er gehört seit Jahren zu den allerschnellsten Sprintern der Schweiz.

Mancini hat sich aber auch schon verrannt, schrecklich verrannt sogar.

Vorfall 1: Am 25. Januar 2012 wurde bekannt, dass Mancini bei zwei Dopingtests positiv auf das Anabolikum 19-Norandosteron, ein Nandrolon, getestet worden war. Im Juli darauf verhängte die Disziplinarkammer für Dopingfälle von Swiss Olympic rückwirkend zum 30. Januar 2012 eine zweijährige Dopingsperre gegen Mancini. Die IAAF sperrte ihn bis zum 29. Januar 2014.

Vorfall 2: Als Mancini 2014 an den Schweizer Meisterschaften in Frauenfeld das Rennen über 100 Meter gewann, zeigt er nach dem Zieleinlauf den Quenelle-Gruss. In Frankreich wird dies als antisemitische Geste verstanden, bei der eine Hand auf den anderen, durchgestreckten Arm gelegt wird. Der Quenelle-Gruss wird auch als «umgekehrter Hitlergruss» bezeichnet.

Vorfall 3: 2018 fliegt der Sprinter kurz vor der Leichtathletik-EM in Berlin zuerst aus der 4x100-Meter-Staffel und dann komplett aus dem Aufgebot, weil er rechtsextremes Gedankengut verbreitet haben soll: Es heisst, auf seinem Facebook-Profil seien rechtsextreme Zitate und Videos aufgetaucht.

Linzenentzug für sieben Monate

In der Folge entzieht Swiss Athletics, der Leichtathletik-Verband in der Schweiz, dem Sprinter, der für Stade Genève an den Start geht, für mehrere Monate die Wettkampf-Lizenz. Seit September 2019 ist er wieder startberechtigt.

Im Winter danach erfüllt Mancini die EM-Limite über 60 Meter. Der Verband selektioniert ihn trotzdem nicht. Begründung: Solange das laufende Disziplinarverfahren vor dem Verbandsschiedsgericht nicht abgeschlossen sei, sehe man davon ab, den Sprinter für Einsätze mit dem Nationalteam zu selektionieren.

«Pascal Mancini äussert sich zu den Geschehnissen in der Vergangenheit nicht. Er konzentriert sich auf seine Einsätze als Athlet», heisst es bei Swiss Athletics.
«Pascal Mancini äussert sich zu den Geschehnissen in der Vergangenheit nicht. Er konzentriert sich auf seine Einsätze als Athlet», heisst es bei Swiss Athletics.
Bild: Keystone

Im vergangenen Winter die Kehrtwende: Wieder schafft Mancini die Limite über 60 Meter. Diesmal steht sein Name im Aufgebot für die Hallen-EM in Torun, Polen. Das verstehen nicht alle und sorgt sogar im europäischen Ausland für Aufregung: «Die Schweiz bietet den Nazi-Athleten Mancini für die Hallen-EM auf», schreibt die spanische Sportzeitung «Marca».

Strafe verbüsst und wieder startberechtigt

Heute scheint Swiss Athletics dem 32-jährigen Athleten keinen Strick mehr ziehen zu wollen aus vergangenen Verfehlungen. Jedenfalls gehört Mancini seit diesem Sommer auch wieder der Schweizer 4x100-Meter-Staffel an – und ging mit ihr am vergangenen Samstag in Genf an den Start.

Manch einer fragt sich nun: Warum lässt der Verband ihn wieder in der Staffel mitlaufen?

«Seit seinem Lizenzentzug hat sich Pascal Mancini unseres Wissens nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er hat seine Strafe verbüsst und ist wieder startberechtigt», heisst es bei Swiss Athletics auf Anfrage von «blue News». Gleiches wurde dem «Blick» schon im vergangenen Frühling mitgeteilt, als es um Mancinis EM-Selektion ging.

Nun gut, gegen Einzelstarts von Mancini dürfte nach seiner Strafverbüssung kaum etwas einzuwenden sein. Es fragt sich aber: Soll ein ehemaliger Dopingsünder, der in den sozialen Medien mit rechtsextremem Gedankengut aufgefallen ist, die Schweiz als Staffelläufer auch international vertreten?



Niemand könne in die Seele von Mancini schauen, schrieb die «Weltwoche» vor drei Jahren: «Aber was bisher gegen ihn vorgebracht worden ist, rechtfertigt das Niedersausen der Nazikeule schwerlich. Der Sprinter gehört auf die Tartanbahn, nicht an den Schandpfahl. Lasst ihn laufen.»

Eine schriftliche Vereinbarung

Man habe, lässt Swiss Athletics verlauten, mit Mancini eine schriftliche Vereinbarung, die die künftige Zusammenarbeit regle. «Er kennt unsere Regeln, wie er sich als Athlet zu verhalten hat.» Dazu gehöre unter anderem das Einhalten eines «Code of Conduct».

«Swiss Athletics toleriert keinerlei Diskriminierung und hat die nötigen Grundlagen geschaffen, um wenn nötig umgehend Sanktionen aussprechen zu können. Swiss Athletics hat 2018 bewiesen, dass wenn nötig sofort reagiert wird.» Keinerlei Diskriminierung? Wäre dem so, dann dürfte nach den erwähnten Vorfällen Mancini heute kaum mehr in der 4x100-Meter-Staffel mitlaufen.

Der Sprinter selber will zu den Geschehnissen um seine Person scheinbar nichts sagen. «Pascal Mancini äussert sich zu den Geschehnissen in der Vergangenheit nicht. Er konzentriert sich auf seine Einsätze als Athlet», heisst es bei Swiss Athletics auf Anfrage von «blue News».

Derweil postet der Athlet regelmässig auf seinem Instagram-Account Trainingsbilder, die er mit Zitaten unterlegt – zuletzt etwa von den beiden Philosophen Albert Camus und Emil Cioran. Das Internet sei eine grosse Spielwiese der Freiheit, sagte Mancini dazu 2018 in der «Weltwoche». Es gehe um intellektuellen Austausch und den Wettstreit der Argumente. Ob diese von rechts oder links stammten, interessiere ihn nicht.

Pascal Mancini kann schnell rennen, sehr schnell sogar. Er gehört seit Jahren zu den allerschnellsten Sprintern der Schweiz.

Mancini hat sich aber auch schon verrannt, schrecklich verrannt sogar. Leider.

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