Karieskiller Faktencheck – wie gefährlich ist das Fluorid in der Zahnpasta?

Marc Fleischmann, dpa

7.11.2019

Giftiges Teufelszeug oder heilsamer Karies-Killer? Beim Thema Fluorid gehen die Meinungen weit auseinander. 
Giftiges Teufelszeug oder heilsamer Karies-Killer? Beim Thema Fluorid gehen die Meinungen weit auseinander. 
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Immer wieder liest man, dass das in Zahnpasten enthaltene Fluorid gesundheitsschädlich sei. Aber stimmt das? Fünf Behauptungen im Check-up.

Fluorid in Zahnpasta kann zum Zankapfel werden. In Kitas streiten Eltern darüber, ob die Zähne mit damit geputzt werden dürfen oder nicht. Wegen möglicher Gesundheitsgefahren.

Doch stimmt das überhaupt? Wo liegen Schaden und Nutzen? Und wie viel Fluorid ist tatsächlich zu viel?

1. Fluorid schadet den Zähnen.

Nein, das Gegenteil ist der Fall. «Fluorid ist der entscheidende Faktor in der Verhinderung von Karies», sagt Stefan Zimmer, Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen. Es gebe allein zu Fluorid-Zahnpasten 300 internationale klinische Studien, die die Wirksamkeit belegen würden. Der zweimal tägliche Kontakt der Zähne mit einer Fluorid-Zahnpasta im Vergleich zu einer fluoridfreien Creme hemme Karies um mehr als 30 Prozent, erklärt Zimmer.

Das machen Fluoride im Mund: Der Stoff lagere sich in die kristalline Struktur des Zahnes ein und mache dadurch den Zahn härter, erklärt Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Der Zahn werde widerstandsfähiger gegen Säureattacken.



Während früher Kindern und Jugendlichen Fluoridtabletten zur Kariesvorsorge gegeben wurden, raten neuere Empfehlungen wissenschaftlicher Organisationen zu einem direkten Kontakt mit der Schmelzoberfläche der Zähne. Das heisst: Für die lokale Prophylaxe werden fluoridiertes Speisesalz, Fluoridlack, Fluoridgele oder -lösungen und eben Zahnpasta genommen.

2. Mit fluoridhaltiger Zahnpasta bekommt man nie Karies.

Falsch. Wer eine fluoridhaltige Zahnpasta verwendet, bekommt statistisch gesehen weniger Karies. Die Entstehung der Krankheit ist aber ein komplexer Prozess. Wichtig ist, dass der Biofilm (Plaque) regelmässig und vollständig von der Zahnoberfläche und aus den Zwischenräumen beseitigt wird.

Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer ist eine gute Zahncreme sehr hilfreich, aber keine Absolution für eine nachlässige Pflege oder schlechte Ernährung mit hohem Kariespotenzial.

3. Fluorid ist Fluor und damit giftig.

Falsch. Fluoride sind nicht zu verwechseln mit Fluor, das für den Menschen giftig ist. So ähnlich die Worte Fluorid und Fluor auch klingen, so gross sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen chemischen Stoffen. Fluoride sind Fluor-Verbindungen.

Das blasse, gelbliche Gas, das in seiner elementaren Form sehr giftig und stark ätzend ist, verliere gebunden mit einem Partner-Stoff (etwa mit Natrium als Natriumfluorid) viel von seiner toxischen Wirkung, erklärt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.



Gebundenes Fluor findet sich in fast jeder Zahnpasta. In der Zahnmedizin spielen neben Natriumfluorid diese Stoffe eine wichtige Rolle: Natriummonofluorphosphat, Aminfluorid und Zinnfluorid.

4. Gerade Kinder sollten keine fluoridhaltige Zahncreme nutzen.

Falsch. Karies könne die Zähne befallen, sobald diese in der Mundhöhle erscheinen, warnt Stefan Zimmer. Nach seinen Worten sind Milchzähne «sogar besonders gefährdet».

In Deutschland habe bereits jedes zweite Kind unter drei Jahren einen kariösen Zahn, Sechsjährige sogar im Schnitt zwei. Der Fachzahnarzt: «Das halte ich für ein Land mit einem so hoch entwickelten Gesundheitssystem, wie wir es sind, für inakzeptabel.»

Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung empfiehlt gerade für die ersten Beisserchen neuerdings höhere Dosen mit einem Anteil von 500 bis 1000 ppm Fluorid (parts per million: Anteile pro Million). Für Zwei- bis Sechsjährige raten die Experten zu Zahnpasta mit 1000 ppm Fluorid. Für ältere Kinder, deren erste bleibenden Zähne durchgebrochen sind, darf es demnach schon die Erwachsenen-Menge von bis 1500 ppm Fluorid sein.

5. Kinder können Zahnpasta verschlucken und so zu viel Fluorid aufnehmen.

Ja, das ist theoretisch möglich. Praktisch müssten die Kinder dazu aber sehr viel Zahnpasta schlucken. Es kommt wie so oft auf die Dosierung an. Kinder vor allem zwischen sechs und acht Jahren, die ständig mehr als das Doppelte der empfohlenen Fluoride zu sich nehmen, können weissliche Schmelzflecken (Zahnfluorose) bekommen. Diese sind laut Bundeszahnärztekammer allerdings gesundheitlich nicht bedenklich. Bei stärkerer Überdosierung kann es dagegen zu deutlich braunen Zahnverfärbungen kommen.



Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt die folgende Rechnung auf: Der Verzehr von einer ganzen Tube (etwa 65 Gramm) Kinderzahnpasta mit 500 ppm auf ein Mal führt zu Übelkeit und Bauchschmerzen.

In grossen Mengen aufgenommen, kann Fluorid tödlich sein. Ein Beispiel: Ein 15 Kilogramm schweres Kind müsste mindestens 75 Milligramm Fluorid aufnehmen, damit eine Vergiftung wohl tödlich endet. Das wären rund zwei Tuben Kinderzahncreme oder eine Tube Zahnpasta für Erwachsene auf einen Schlag.

Ein 90 Kilogramm schwerer Mann erreicht die sicher tödliche Fluorid-Dosis erst, wenn er mit einem Mal 20 bis 40 Tuben von Erwachsenen-Zahnpasta (mit 1500 ppm) essen würde.

Wer seinen Körper über Jahre tägliche Fluoridmengen von fünf bis zehn Milligramm aussetzt, kann an einer Knochenfluorose erkranken. Die Knochen verlieren dann an Elastizität und brechen leichter.

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