Natascha Kampusch 16 Jahre später «Was mir damals passierte, wird nie vergehen»

Fabian Tschamper

28.11.2022

Ihre Geschichte stiess auf weltweites Interesse: Natascha Kampusch ist medial inzwischen zwar nicht mehr omnipräsent, wie sie Frauke Ludowig bei RTL erzählt hat, die Entführung begleitet sie aber ihr Leben lang.

F. Tschamper

28.11.2022

Auch heute noch wird Natascha Kampusch auf der Strasse erkannt. Die Menschen drehen sich nach ihr um, sprechen hinter ihrem Rücken über sie. Sie selbst will auch nicht schweigen, das hat die mittlerweile 34-Jährige nie gewollt.

Darum bringt sie bereits ihr viertes Buch heraus, über das sie sie mit Frauke Ludowig und RTL gesprochen hat.

«Manchmal kann man das auch wirklich noch physisch erfahren. Da wacht man auf und es ist wie ein Flashback, man spürt es einfach», beschreibt sie ihre Träume, Erinnerungen und eben Rückblenden an ihre Zeit als Entführungsopfer.

Die gebürtige Wienerin braucht dabei das Wort «man», als wäre es eine alltägliche Erfahrung vieler Menschen, von der sie spricht. Das extreme Gegenteil ist der Fall.

Natascha Kampusch will mit neuem Buch «Stärke zeigen»

Natascha Kampusch will mit neuem Buch «Stärke zeigen»

Ihre Geschichte stiess auf weltweites Interesse: Natascha Kampusch ist medial inzwischen nicht mehr omnipräsent, doch sie ist eine Bestseller-Autorin. In ihrem vierten Buch behandelt sie ihre mentale Standhaftigkeit.

28.11.2022

1998 wird Natascha Kampusch als 10-Jährige auf dem Schulweg entführt. Acht Jahre lang wird sie in unmenschlichen Verhältnissen gefangen gehalten – bis ihr 2006 die Flucht gelingt.

Kampusch erzählt, wie sie sich einen Türgriff auf die Wand gemalt hatte: «Diese glatte Tür macht mich verrückt. Und so hätte ich vielleicht doch rausgehen können.» Kampuschs kleiner Raum war mit einer Tür verschlossen, die sich nur von aussen öffnen liess.

Vergebung dauerte nicht lange

Seit ihrem Debüt als Autorin im Jahr 2010, in dem sie ihre Autobiografie «3096 Tage» veröffentlicht hatte, hat Natascha Kampusch nun insgesamt vier Bücher geschrieben. «10 Jahre Freiheit» von 2016 ist das bislang letzte Werk, in dem sie primär aus biografischen Erfahrungen schöpft. Mit «Cyberneider» fokussierte sie sich auf Diskriminierung im Internet und mit ihrem neusten Werk «Stärke zeigen: Bewältigungsstrategien für ein kraftvolles Leben» will sie schlicht helfen, wie sie Frauke Ludowig erzählt.

Ab Veröffentlichungstag (28. November 2022) gibt Kampusch ihren Leser*innen handfeste Tipps, um gestärkt aus schwierigen Situationen im Leben hervorzutreten.

Als sie Ludowig nach konkreten Beispielen fragt, legt Kampusch richtig los: «Wichtig ist, nicht in die Verdrängung zu gehen, das ist besonders wichtig. Wichtig ist auch, den Ist-Zustand anzuerkennen, Selbstfürsorge zu betreiben. Ein besonderer Tipp ist auch, auf die eigene Intuition zu hören. Hilfe anzunehmen, wenn es denn notwendig ist, aber auch, um Hilfe zu bitten.»

Die RTL-Moderatorin scheut auch nicht vor den heikleren Fragen zurück, sie will von Kampusch wissen, ob sie ihrem Peiniger verziehen habe: «Ja, ich habe ihm relativ rasch verziehen, weil ich auch so besser mit der Situation damals klarkommen konnte. Ich habe einfach versucht, zu verstehen, worum es dabei ging, was die Motive wohl gewesen sind. Es hatte nichts mit mir zu tun, das waren die Motive des Täters.»

Was bringt die Zukunft?

Mit dem Geld, das Kampusch durch ihre Bücher verdient, hat sie sich das Haus gekauft, in dem sie acht Jahre lang gefangen gehalten worden war. Ursprünglich sollte es zu einem Heim für Geflüchtete werden – Kampusch wollte das jedoch nicht. Sie fände es nicht richtig, dort jemals wieder jemanden wohnen zu lassen und lässt das Haus leer stehen.

Im Gespräch lässt sich feststellen, dass Kampusch nicht wirklich versucht, ihre Erlebnisse hinter sich zu lassen. Das merkt auch Frauke Ludowig und fragt sie nach dem Warum.

«Bei mir ist es so, dass ich mich die ganze Zeit mit der Sache befassen muss, weil das nie wieder vergehen wird, das, was mir damals passierte und was mich das an Jahren meines Lebens gekostet hatte», antwortet Kampusch.

Beim Thema Familie sträubt sie sich. Eine eigene zu gründen, das könne sie sich im Moment nicht vorstellen. Ihr grösster Wunsch sei es jedoch, als Schauspielerin zu arbeiten.