Neuer Streich aus Münster So rettete eine Pinguindame einen mauen «Tatort»

tsch

25.5.2018

Boerne und Thiel kabbelten sich mehr routiniert als inspiriert durch ihren einzigen «Tatort» 2018. Schwung in die Bude brachte immerhin ein Stargast aus dem Allwetterzoo.

Manchmal sind die Münster-«Tatorte» im besten, nämlich im unterhaltsamen Sinne belanglos. Manchmal aber auch im schlechteren. Allzu routiniert kombinierten und kabbelten sich Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl) durch ihren einzigen neuen Fall 2018. Doch Rettung nahte in der Folge «Schlangengrube» im Watschelgang.

Was war los?

Eine krebskranke Frau wurde tot in ihrer Wohnung gefunden, jemand hatte sie die Treppe hinuntergestossen. Weil die alleinstehende Dame Stammgast im Zoo war, streifte sich Kommissar Thiel eine Tierpfleger-Montur über und kam auf Undercover-Mission einem Skandal auf die Spur: Zoo-Direktor, Veterinär und ein Tierdoku-Filmer organisierten den Diebstahl von Pinguinen und Robben, um sie dem Feinschmecker-Magen eines allmächtigen Fernsehproduzenten zuzuführen. Eine doch recht deftige Täter-Pointe.

Werden wirklich Tiere aus Zoos entführt?

Realistisch ist die auf Pointe gebürstete Erzählweise der Münster-«Tatorte» ja nie. Und doch: Dass Tiere aus zoologischen Gärten entführt werden, kommt öfter vor, als man glauben sollte. Anfang 2017 wurde aus dem Mannheimer Luisenpark ein Humboldt-Pinguin entführt und später tot auf einem Parkplatz gefunden. Der Stuttgarter Wilhelma kam ein Brillenpinguin abhanden, in Krefeld wurden Papageien gestohlen, und aus dem Magdeburger Zoo verschwanden Affen. Als Drahtzieher werden Auftraggeber aus dem Ausland vermutet, die sich einen Privatzoo einrichten wollen.

Wer ist Pinguin-Dame Sandy?

Im Münster-«Tatort» musste am Ende eine gewisse Sandy um ihr Leben patscheln. Für ein Brillenpinguin-Weibchen ist die gefiederte Münsteranerin fast so etwas wie ein Star. Die 22 Jahre alte Bewohnerin des Allwetterzoos war schon in der «Harald Schmidt Show», «TV total» und in der ARD-Doku-Soap «Pinguin, Löwe & Co.» zu sehen. Schlagzeilen machte Sandy einst, weil sie sich in ihren Tierpfleger Peter Vollbracht «verliebt» hatte. Der Mann hatte sie von Hand gross gezogen.

Wie waren die Kommissare in Form?

So beherzt der Auftritt von Sandy, der die Autoren Jan Hinter und Stefan Cantz sogar eine Verfolgungsjagd ins Drehbuch schrieben, so medioker der Auftritt der Herren Boerne und Thiel. Mehr routiniert als inspiriert kabbelten und kombinierten sich die Publikumslieblinge durch ihren einzigen neuen «Tatort» 2018. Während Thiel undercover als Tierpfleger ermittelte, gab Boerne unauffällig den Zoo-Besucher, der sich immer dann eine Zeitung vors Gesicht hielt, wenn er aufzufliegen drohte. Hätte man kurz nach dem Krieg nicht schöner filmen können. Recht bemüht auch die neuste Boerne-Zote, wonach der Rechtsmediziner als TV-Koch reüssieren wollte. Sollte das Mediensatire gewesen sein, haben wir sie nicht verstanden.

Woher kennen wir die neue Staatsanwältin?

So freute man sich umso mehr über die Wiedergeburt der langjährigen Kölner «Tatort»-Assistentin «Franziska» im Körper eines missgünstigen Gesetzes-Drachens: Tessa Mittelstaedt, von 2000 bis 2014 die gute Seele im Kommissariat der Herren Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär), spielte eine Staatsanwältin, die der tatverdächtigen Kollegin Klemm (Mechthild Grossmann) das Wasser abgraben wollte. Ein unverhofftes, erfreuliches «Tatort»-Comeback.

Wo in Münster steht dieser futuristische Bau?

Imposant die Kulissen, in denen der Medienproduzent Dr. Richard Stockmann (Robert Hunger-Bühler) seine Dinner-Partys abhielt. Wo in Münster findet man wohl diesen spektakulären Bau? Die Antwort ist etwas enttäuschend: Gedreht wurde im futuristischen Kunst- und Ausstellungshaus der Langen Foundation, gelegen auf einem ehemaligen Militärgelände in Neuss am Niederrhein. Gehen den Machern des Münster-«Tatorts» nach 16 Jahren etwa die Drehorte aus?

Warum läuft 2018 nur ein «Tatort» aus Münster?

Seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2002 ermittelten Boerne und Thiel einem Schweizer Uhrwerk gleich stets zweimal pro Jahr. 2018 ist aber nur diese eine «Tatort»-Erstsendung mit den Quotengaranten geplant. Der Grund: Friederike Kempter, Darstellerin der Nadeshda Krusenstern, hat keine Zeit für weitere Dreharbeiten. Sie erwartet im Herbst ihr erstes Kind. 2019 sollen dann zum Ausgleich drei neue Fälle gesendet werden.

Wie gut war der «Tatort»?

Vielleicht tut die kleine Zwangspause der rasend beliebten Produktion auch ganz gut. Allzu routiniert und verbraucht wirkte das Gekabbel und Geknobel diesmal. Kurz bevor man aufgeben wollte, sich für die Lösung des verworrenen Mordrätsels zu interessieren, kam schliesslich doch noch ein bisschen Fahrt auf - auch dank der fliehenden Sandy.

Wir vergeben eine Vier.

Der «Tatort: Schlangengrube» lief am Sonntag, 27. Mai, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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