Hits am Fliessband «50 Jahre Schweizer Hitparade»: Danke, Österreich!

Gion Mathias Cavelty

11.2.2018

TV-Experte Gion Mathias Cavelty hat sich die Hitparade-Jubiläumsshow in voller Länge angeschaut – und überlebt.

Der Mensch macht mutmasslich Musik, seit er auf der Welt ist; als ältestes bisher gefundenes Musikinstrument gilt eine 35’000 Jahre alte Flöte aus einem Schwanenknochen ...

Äh, sorry, das hatten wir ja schon bei der Kolumne über die «Eurovision Song Contest 2018»–Entscheidungsshow vom 4. Februar auf SRF 2. Heute ist die «50 Jahre Schweizer Hitparade»-Jubiläumsshow vom 10. Februar auf SRF 1 dran.

Meine Befürchtung im Vorfeld: Das wird wieder eine dieser seelenlosen Hit-Setzkasten-Shows, wie sie die Unterhaltungsabteilung des Schweizer Fernsehens besonders liebt. Denn bei einer solchen muss man nichts denken, sondern einfach nur den Setzkasten mit Hits füllen, fertig.

Bis zum Delirium durchexerziert hat man das schon mit «Die grössten Schweizer Hits 1», «Die grössten Schweizer Hits 2», «Die grössten Schweizer Hits 3» und «Die grössten Schweizer Hits 4». Getreu der Regel: Leute, die die «W.Nuss vo Bümpliz» schon 100'000 Mal gehört haben, werden sie auch 100'001. Mal hören. Das Maximum an Originalität ist, wenn Gotthard einen Song von DJ Bobo covern. Oder DJ Bobo einen Song von Gotthard covert.

Das Hit-Abspulen nimmt seinen Lauf

Ich selber habe mir die Hitparade praktisch nie angehört, denn ich war nie ein Popper (benutzt man dieses Wort eigentlich noch?). Eine Ausnahme gabs – EINEN Song, den ich schlicht und einfach grossartig, alles überragend, einen absoluten Geniestreich fand: «Küss die Hand, schöne Frau» von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (1987). Wie Tausend andere habe ich versucht, ihn auf Kassette aufzunehmen, aber stets hat der Moderator reingequatscht. Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich wird dieses Werk heute in der Hitparade-Show gewürdigt ...

Nun: Pünktlich um 20.10 Uhr beginnt die Sendung. Moderatorin Viola Tami begrüsst die TV-Zuschauer aus dem Studio 1 und nimmt in einer Experten-Runde bestehend aus Peter Reber, Sina, DJ Bobo (das ging ja nicht lange, bis der aufgetaucht ist), Baschi und dem aktuellen Hitparade-Moderator Michel Birri Platz.

Dann nimmt das Hits-Abspulen seinen Lauf, angefangen mit der allerersten Nummer 1 vom 2. Januar 1968 («Monja» von Roland W.).

Brav wird dann auch gecovert: Sina und Lo & Leduc geben «Campari Soda» zum Besten und ein Typ, der genau so aussieht wie Bligg, spult ein Medley aus den bis zum Erbr***en bekannten Bligg-Hits ab ... ah, sorry, das ist ja nicht nur ein Bligg-Lookalike, das IST Bligg! Wie originell!

«Lieber ei Hit als gar nie en Hit»

Auf das Thema «One-Hit-Wonder» geht die Runde besonders intensiv ein. Aus der Schweiz stammt ja eine ganze Menge solcher Acts: Les Sauterelles («Heavenly Club»), Minstrels («Ja Grüezi wohl, Frau Stirnimaa»), Matterhorn Project («Muh») oder «It’s Cool Man» (Peter Steiner). Und von «Der Tifel isch gschtorbe» lebe Michel Villa heute noch, merkt Peter Reber (Texter, Komponist und Produzent des Liedes) knochentrocken an. Überhaupt kommt der Eindruck auf, Reber habe 95 Prozent aller Schweizer Hits geschrieben; selbstverständlich dürfen dann auch ein Einspieler von «Swiss Lady» und die Anekdote mit dem Alphorn-spielenden Perser nicht fehlen.

Im Lauf der Sendung werden folgende erstaunliche Aussagen produziert/Erkenntnisse zutage gefördert:

  • 1. Der Ententanz stammt aus der Schweiz (Komponist: Werner Thomas)! Das wusste ich effektiv nicht.
  • 2. «T.E.A.R.S.» – Läck, die hat man ja vollkommen vergessen, wie auch all die Salome Clausens und Börni Höhns und ...
  • 3. Sina hat früher auch Kassettli-Aufnahmen von der Hitparade gemacht, allerdings hat sie keine Songs, sondern nur die Plauder-Stellen mit Moderator Ueli Schmezer aufgenommen.
  • 4. «Lieber ei Hit als gar nie en Hit» (Baschi).

Und sonst: Eicher, Lauener, Huber, Pegasus, «It’s My Life», «Schwan», «Kiosk», «Y.M.C.A.», «Wind of Change», «Rivers of Babylon», «I’ve Been Lookig for Freedom» ...

... UND DANN, TATSÄCHLICH: «Küss die Hand, schöne Frau» wird eingespielt! Yesssss! Schlagartig habe ich gute Laune. Danke, EAV! Danke, Österreich! Ihr habt den Abend gerettet!

Die Show «50 Jahre Schweizer Hitparade» lief am Samstag, 10. Februar, um 20.10 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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