Literatur/Theater Lukas Bärfuss bearbeitet den Roman «Die Krume Brot» für die Bühne

dosp, sda

13.12.2024 - 07:00

Der Theater- und Romanautor Lukas Bärfuss hat zum ersten Mal aus einem seiner Prosawerke eine Bühnenfassung gemacht. Sein Roman «Die Krume Brot» kommt am Theater Basel auf die Bühne. Premiere ist an diesem Freitagabend.

Keystone-SDA, dosp, sda

Lukas Bärfuss ist Feuer und Flamme für das Projekt. «Es ist eine sehr, sehr, sehr schöne Erfahrung», sagte er wenige Tage vor der Premiere, die auch Uraufführung ist, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Seinen jüngsten Roman «Die Krume Brot» (2023) umzuschreiben und mit dem Ensemble zusammenzuarbeiten, das habe ihm von Beginn weg viel Spass gemacht.

Verbunden mit dem Theater

Ein Grund dafür ist, dass sich Bärfuss mit dem Theater allgemein und mit dem Theater Basel im Besonderen sehr verbunden fühlt, wie er betonte. Dort wurden mehrere seiner international erfolgreichen Stücke uraufgeführt, 2003 beispielsweise «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern». Mit diesem Stück, das in zwölf Sprachen übersetzt und auch verfilmt wurde, gelang Bärfuss als Dramatiker der internationale Durchbruch.

Seine Karriere als Autor begann am Theater. In den späten 1990er-Jahren war Bärfuss Mitbegründer der Theater- und Künstlertruppe 400asa, für die er mehrere Bühnenwerke verfasste. Zum Romanautor wurde er erst später. Sein erster Roman «Hundert Tage» erschien 2008. Für seinen zweiten Roman «Koala» wurde er 2014 mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. 2019 folgte der renommierte Georg Büchner-Preis.

Nach der Dramatisierung von Stendhals Roman «Rot und Schwarz» (1830) vor vier Jahren, ebenfalls am Theater Basel, schreibt Bärfuss nun zum ersten Mal eine Bühnenfassung zu einem seiner eigenen Prosawerke.

Auf den ersten Blick scheint sich «Die Krume Brot» nicht für die Theaterbühne zu eigenen. Der Roman nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf eine wilde Reise, die auch geographisch Sprünge macht. Zudem präsentiert sich die Hauptfigur Adelina wortkarg. Auch sonst finden sich im Roman wenige Dialoge in direkter Rede, mit Ausnahme eines langen klassenkämpferischen Monologs eines Revolutionärs.

Wenn das Geld nicht reicht

Regisseur und Schauspielleitungsmitglied Antú Romero Nunes sah darin aber keinen Grund, auf die Dramatisierung zu verzichten – im Gegenteil: «Die Geschichte von Adelina ist ein Schweizer Epos, das erzählt werden muss», so Nunes. Gerade weil Lukas Bärfuss Theaterautor sei, ergebe sich hier die Möglichkeit, mit ihm als Experten zu arbeiten, und der Geschichte eine neue Form zu geben.

«Die Krume Brot» erzählt die Geschichte der jungen Frau Adelina. Sie ist Tochter italienischer Immigranten im Zürich der 1960er- und 1970er-Jahre und hineingeboren in den Abwärtsstrudel der Armut. Mit schlecht bezahlten Jobs versucht sie sich und ihre geliebte Tochter Emma über Wasser zu halten. Doch das Geld reicht nicht. Emmas Vater, ein Saisonnier, hat sich aus dem Staub gemacht.

Weil Adelina auch noch die Schulden ihres Vaters abzahlen muss und einen Wucherkredit abschliesst, schnappt die Schuldenfalle zu. Sie gerät in die Abhängigkeit eines vermeintlichen Gönners und schliesslich eines gewaltbereiten Weltverbessers der Roten Brigaden in Italien.

Mit der Hauptfigur seines Romans fühlt sich Autor Bärfuss sehr verbunden. «Wenn man wenig finanzielle Mittel hat, dann braucht es wenig bis man abstürzt; das habe ich selber erlebt», sagte er. Er habe sich das Buch quasi aus seinem Fleisch geschnitten.

«Fest für die Bühne»

Nicht zuletzt wegen dieser Verbundenheit hat das Theater Basel mit seiner Anfrage für eine Bühnenfassung bei ihm offene Türen eingerannt. «Mir war sogleich klar, dass das in diesem Fall funktionieren wird», sagte er. «Ich mache Musik, wenn ich schreibe, gleich ob für einen Roman oder ein Theaterstück.» In «Die Krume Brot» sei denn auch vieles dramatisch, es herrsche ein grosser Handlungsdruck, das sei ein «Fest für die Bühne».

Abstriche habe er bei der Dramatisierung nicht gemacht. Es sei ihm auch nicht schwer gefallen, aus den Wesen, die er im Roman auf Papier beschrieben hat, für die Bühne Menschen aus Fleisch und Blut zu entwickeln. «Ich habe natürlich neu Theaterszenen geschrieben und es gibt knallige Dialoge ohne Ende.» Es werde auf der Bühne aber alles vorkommen, was im Roman drinstehe – auch alle Figuren, selbst das kleine Kind Emma. Wie und in welcher Form, das will er vor der Premiere nicht verraten.

Als Bärfuss nun am Theater gearbeitet hat, habe ihm vor allem gefallen, vom Schreibtisch wegzukommen und sich mit denSchauspielerinnen und -spielern auseinanderzusetzen, sagte er. Besonders zu Beginn der Probenarbeiten habe er dramaturgisch intensiv mitgearbeitet und an der Bühnenfassung weitergeschrieben. «Die Bühne ist ein Vergrösserungsglas, da geschehen Dinge, die man am Schreibtisch nicht einfach antizipieren kann.»

Aber jetzt seien die Schauspielerinnen und Schauspieler dran. In sie setzt er grösstes Vertrauen. «Die Besetzung auf der Bühne ist ein grossartiges Geschenk», sagte er. Auch die Zusammenarbeit mit dem Regisseur bezeichnete er als Glücksfall. «Nunes glaubt an die Spielfreude, da haben wir uns gefunden."*

*Dieser Text von Dominique Sprigi, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.