TV-Kritik «Die Höhle der Löwen Schweiz»: Ausgequetschte Murmeltiere?

Von Gion Mathias Cavelty

23.9.2020

«Aus Murmeltieren liesse sich noch viel machen», ist sich TV-Experte Gion Mathias Cavelty sicher. 

Was ich nicht schon alles erfunden habe! Gut, leider sind es nur ungesunde Sachen. In letzter Zeit drehen sie sich meistens um Zigarren. So habe ich zum Beispiel die 1.-August-Zigarre in Schweizerkreuzform erfunden, die zwei Raucher gleichzeitig rauchen können. Oder die Freimaurer-Zigarre in Dreiecksform. Oder die schwarz-weiss karierte Zigarre für Schachspieler. Oder die unendliche Zigarre, die sich sozusagen in den eigenen Schwanz beisst.

Ich nehme stark an, dass die Erfindungen, die in der zweiten Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz» (ab dem 22. September auf TV24) den potenziellen Investoren vorgestellt werden, wieder alle total nützlich sind, also dem Menschen irgendetwas erleichtern oder ihn gesünder machen sollen und dergleichen. Eigentlich langweilig und gar nicht nach meinem Geschmack. Aber schauen wir mal.

Bei den «Löwen» handelt es sich um Roland Brack (Online-Handel), Anja Graf (Serviced Apartments), Bettina Hein (Software), Tobias Reichmuth (nachhaltige Energie) sowie neu DJ Antoine (DJ etc.).

Was haben die fünf Start-ups, die sich in der ersten Sendung ein Investment sichern wollen, zu bieten?

Schlafmurmel-Drink? Klar doch

Da wäre einmal das Tiroler Ehepaar Johann und Gabriela Dürr mit ihrem «Schlaf gut Murmel»-Drink, der bereits auf dem Markt ist. Mit so einem Produktnamen müsste ein Welterfolg doch garantiert sein! Die beiden präsentieren sich vor der Kamera so sympathisch, dass ich ihnen blind alles abkaufen würde. Was steckt in dem Getränk? Ausgequetschte Murmeltiere? Nun: Die Rezeptur ist geheim und geschützt («Das ist der wahre Schatz der Firma»). «Eine Flasche trinken, und man schläft innert kürzester Zeit auf natürliche Weise ein und die Nacht im Tiefschlaf durch», versprechen die Dürrs und wollen 850'000 Franken für 25 Prozent Firmenanteile. Zu einem Deal mit einem der Löwen kommt es nicht, aber Roland Brack bietet den Dürrs immerhin an, das Produkt ins Sortiment zu nehmen. Na ja, so richtig Flügel verlieht das nicht, aber dafür gibt’s ja einen anderen österreichischen Drink.

Dann: das Unternehmen «Happy Glückskeks». Ich hasse Glückskekse, weil sie immer so komisch seifig schmecken und nur Banalitäten in ihnen stecken («Achte auf das Kleine, erst dann wirst du das Grosse bla-di-bla»). Der Gründer Michael Rohrdrommel ist mit seiner süssen kleinen Tochter aus Deutschland angereist, um die Kekse zu präsentieren. Das ist klug, denn Löwen haben süsse kleine Kinder gern (besonders zum Zvieri). Rohrdromm stellt genau die richtigen Fragen: «Warum gibt es nicht einen leckeren Glückskeks, der nach Schokolade schmeckt? Warum gibt es nicht schöne Sprüche?» Bravo! Ich fühle mich zu 100 Prozent angesprochen! Wenn ich die geforderten 330'000 Franken hätte, wüsste ich, wohin damit.

«Dr Keks hät e guete Gschmagg, er hät nid sone Kartonschachtle-Näbegschmagg», urteilt DJ Antoine bei der Degustation, nachdem er Rohrdromm zugezwinkert hat. Dieses Zwinkern ist pures Gold wert, denn am Schluss holt Antoine einen Special-«Ambassador»-Deal heraus (für 5 Prozent der Firmenanteile schreibt er einen «Happy Glückskeks»-Song und promotet die Dinger ein Jahr lang bei Auftritten); dazu gibt es von vier Löwen zusammen 333'000 Franken (für 20 Prozent der Firma) für den Glückskeks-Menschen, der dann noch etwas von einer «absoluten magischen Engelsglückszahl für Erfolg» faselt. Spätestens an dem Punkt hätte ich meine Zusage wieder rückgängig gemacht.

Sonst gibt’s in der Sendung noch zu bewundern:

- Runde Tische mit Glitzer-Effekt («Antonini Interior Design»): Dabei handelt es sich um runde Tische mit Glitzer-Effekt (keinen Rappen gibt's von den Löwen dafür).

- Velos mit einer Box mit Werbung drauf («Working Bicycle»): Dabei handelt es sich um Velos mit einer Box mit Werbung drauf (es kommt zu keinem Deal).

- Vertikale Indoor-Farmanlagen für Gemüse und Früchte («Growcer»): «Das, was in der Natur vorkommt, stellen wir in einer perfekten Umgebung nach. Bewässerung, Beleuchtung und Belüftung passieren vollautomatisch.» Drei Löwen lassen zusammen 600'000 Franken für 25 Prozent der Anteile springen.

Prophezeiung: Der «Happy Glückskeks»-Song von «Happy Glückskeks»-Ambassador DJ Antoine wird schon bald wie ein Orkan über die Schweiz fegen (Text: «All I want is you, you're mon Glückskeks/Mon Glückskeks/Oh oh oh»). Murmeltierfettpfropfen in den Ohren würden helfen! Oder Glückskekspfropfen! Doch hat die schon jemand erfunden? Do it now!

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