Fotograf Arnold Odermatt Mit Polizeifotos im Alter zu Weltruhm

bum, sda

20.6.2021 - 15:26

Der gestern verstorbene Schweizer Fotograf Arnold Odermatt erlangte erst nach seiner Pensionierung Weltruhm — und wurde zum Pionier der Polizeifotografie.

20.6.2021 - 15:26

Der am Samstag im Alter von 96 Jahren verstorbene Nidwaldner Fotograf Arnold Odermatt arbeitete 40 Jahre lang bei der Nidwaldner Kantonspolizei. Als Fotograf entdeckt wurde er erst nach der Pensionierung in den frühen neunziger Jahren. Er hinterlässt über sechzigtausend Fotos.

Odermatt lernte ursprünglich Bäcker, doch musste er den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. 1948 trat er bei der Nidwaldner Polizei ein. Dort macht er einerseits Karriere, stieg zum Chef der Verkehrspolizei und schliesslich zum Vizekommandanten auf.

Gleichzeitig wurde er zu einem Pionier der Polizeifotografie. Er führte nämlich das Bild als Arbeitsinstrument ein, so etwa bei Unfällen. Anderseits dokumentierte er auch den Strassenbau, die interne Arbeit bei der Polizei und die Entwicklung Nidwaldens.



Anfangs interessierte sich niemand für seine Fotos. «Viel mehr nervte ich viele, weil ich mich ausschliesslich für das Fotografieren interessierte», sagte er einmal.

Odermatts Bilder hatten von Anfang an einen künstlerischen Anspruch und dokumentieren auch die Entwicklung der Fotokunst. So gestaltete er sie durch die Wahl des Standorts oder des Ausschnittes. Odermatts grosses Vorbild war der Fotograf Werner Bischof, den er in den fünfziger Jahren kennen lernte.

Nach der Pensionierung als Fotograf entdeckt

Entdeckt wurde der Fotograf Arnold Odermatt jedoch erst nach seiner Pensionierung im Jahre 1990. Damals wurden die Fotos durch Ausstellungen erstmals einem grösseren Publikum gezeigt. Zudem erschien 1993 unter dem Titel «Meine Welt» der erste Bildband Odermatts.

Da sieht man etwa zwei kollidierte Autos auf der leeren Strasse. Man fragt sich, wie die Lenker es schafften, einen Unfall zu bauen. Am Strassenrand Schaulustige, deren Sonntagsspaziergang zu diesem Ereignis führte. Viele Bilder wirken durch Perspektive und Einbezug der Umgebung erheiternd. Andere, wie jenes von einem toten Kind, machen betroffen.

Die Fotos des Polizisten machten auch in Europa und in den USA Furore. 1998 etwa wurden die «Karambolage»-Aufnahmen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Harald Szeeman holte sie 2001 an die Kunst-Biennale nach Venedig.

Seit Odermatt in Rente ist, erschienen vier Bücher über ihn und seine Arbeit, und es gab über hundert Ausstellungen auf allen Kontinenten. Mit der Ausstellung «Das Dorf als Welt» wurden Odermatts Fotografien 2013 zum ersten Mal in seinem Heimatkanton umfassend präsentiert.

Ära der Motorisierung

In Odermatts Werk spiegelt sich die Ära der Motorisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit wurde das Auto vom bewunderten Statussymbol zum alltäglichen Mittel der Fortbewegung. Ironie des Zufalls, dass die Faszination des Autos bei Odermatt gerade im Desaster, im Unfall, seinen Ausdruck findet.

Der in Stans lebende Odermatt wollte sich zeitlebens nicht als Künstler bezeichnen. Unbestritten ist aber, dass neben der Blechschadendramatik, die notabene ohne Blut, praktisch ohne Opfer auskommt, schon auch Poesie, Melancholie, Ironie und Alltagskomik in seine Bildwelten einflossen.

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