Buchautor über Depp vs. Heard «Johnnys Ruf könnte weiter schaden nehmen»

Von Marlène von Arx

10.6.2023

Der Journalist Nick Wallis verfolgte die Prozesse zwischen Johnny Depp und Amber Heard vor Ort. Der Autor («Depp v Heard: The Unreal Story») erzählt, warum jetzt noch einmal Fahrt in die Saga kommen könnte.

Von Marlène von Arx

10.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nick Wallis war bei den Prozessen zwischen Johnny Depp und Amber Heard dabei.
  • Der Journalist schrieb ein Buch darüber: «Depp v Heard: The Unreal Story».
  • Nick Wallis erklärt, warum Johnny Depps Ruf noch weiter Schaden nehmen könnte. 

Sie haben die Prozesse zwischen Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard sowohl in Grossbritannien als auch in den USA verfolgt und für Medien darüber berichtet. Ein Jahr nachdem Johnny Depp in den USA Recht bekam, ist nun Ihr Buch «Depp v Heard: The Unreal Story» erschienen. Weshalb wollten Sie die Geschichte noch einmal in einem Buch aufarbeiten?

Die Information, die diese Prozesse tagtäglich ans Licht förderten, war zu immens, um das in realer Zeit zu verstehen und zu kommunizieren. Das Buch gibt Kontext und zeigt, wie unsere Gesellschaft im Zusammenhang mit der Prominenten-Kultur funktioniert und wie solche Gerichtsfälle noch lange nachhallen, auch wenn die beiden Parteien nicht mehr streiten. Gerade jetzt ist eine spannende Zeit.

Inwiefern?

Bis ein Jahr nach dem Verdikt, also bis am 1. Juni, wurden die Namen der Jury-Mitglieder im Prozess in Virginia geheim gehalten. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Medien diese Leute nun aufsuchen und interviewen. Amber Heard hat nicht mehr viel zu verlieren, aber Johnny Depps Ruf könnte weiter Schaden nehmen, je nachdem, was sie erzählen.

Zum Autor: Nick Wallis
Nick Wallis, Journalist, Buch: «Depp v Heard»
zVg

Nick Wallis ist ein TV, Radio und Online Journalist, der hat unter anderem für die BBC und ITN gearbeitet und ein Buch über den britischen Post-Skandal geschrieben hat. Er war der einzige Reporter, der sowohl vom amerikanischen, sowie beim englischen Verleumdungsprozess im Fall Johnny Depp und Amber Heard vor Ort berichtete. Nun hat er die Zeugenaussagen, Gerichtsdokumente und Beweismaterial im Buch «Depp v Heard: The Unreal Story» zusammengetragen.

Johnny Depp betonte im Mai in Cannes, dass sein jüngster Film «Jeanne du Barry » kein Comeback sei, da er nie weg vom Fenster war. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, das amerikanische Publikum wünscht sich Johnny Depp rehabilitiert. Ich kann mir vorstellen, dass er in einem «Pirates of the Caribbean »-Film mitmachen würde, vielleicht auch nur als Cameo. Er gibt gern Geld aus – in einer Höhe, die er mit europäischen Arthouse-Filmen, einem Dior-Deal, seiner Kunst und seiner Band Hollywood Vampires langfristig nicht einspielt. Er braucht Hollywood-Gagen und Gewinnbeteiligungen. Ob Hollywood ihn anheuert, ist allerdings eine andere Frage. Das würde ziemlich Mut brauchen.

Obwohl er in Virginia gewonnen hat?

Der Hollywood-Agent Christian Carino sagte in seiner Deposition in Virginia, dass Studio-Bosse Stars mit Altlasten nicht mögen. Stars sollen in der Öffentlichkeit die Filme verkaufen, nicht auf ihre schmutzige Wäsche angesprochen werden. Und man darf nicht vergessen: In Grossbritannien hat Johnny Depp verloren. Gloria Steinem und andere Feministinnen haben einen öffentlichen Brief zugunsten von Amber Heard unterschrieben. Andererseits hat Johnny Depp eine Armee von Fans, die online für ihn in die Schlacht ziehen. Letztlich wird eine Rechnung gemacht und die Macht des Geldes entscheiden, ob Johnny Depp wieder in grossen Hollywood-Filmen mitmacht.

Wieso konnten die beiden Prozesse in England und den USA überhaupt so unterschiedlich ausgehen?

Der Richter in England sah das Zeugenmaterial aus den USA nicht und die Juroren in den USA sahen jenes aus England nicht. Johnny Depp und Amber Heard sind charismatische Erzähler, die verschiedene Versionen der Wahrheit erzählten – unterstützt von ihren ebenfalls ausdrucksstarken Anwälten und Anwältinnen und ihren Zeugen, die ihre jeweilige Geschichte stützten. Aber wir wissen auch, dass die Erinnerung eine sehr unzuverlässige Quelle sein kann, die nicht mit Beweisen übereinstimmt. Durch das Hervorholen der Erinnerung verändern sich diese jedes Mal. Sie sind daher sehr formbar oder labil, wie die Akademiker das nennen.

Wessen Geschichte fanden Sie entsprechend glaubwürdiger?

Mein Privileg als Journalist ist es, mich nicht entscheiden zu müssen. Diese Verantwortung hat das Justiz-System. Was ich aus dem Fall mit nach Hause nahm: Man geht nicht vor Gericht, um Recht zu bekommen, sondern wegen eines Resultats. Als Personen sah ich die beiden einfach als zwei Individuen mit einer schwierigen Kindheit, die sich triggerten und deren anfänglich schöne Liebesgeschichte ein toxisches Chaos wurde.

Was war der grösste Schocker für Sie während der Prozesse?

Die dramatische Zeugenaussage von Kate James, der ehemaligen Assistentin von Amber Heard. Sie sagte aus, sie sei ein Opfer von sexueller Gewalt gewesen und Heard hätte ihre Geschichte gestohlen. Da wurde mir klar, dass es hier um mehr geht als um eine Frau, die ihren Ex-Mann der häuslichen Gewalt beschuldigt. Mir wurde die Komplexität des Falles und das Ungleichgewicht der Machtverhältnisse nicht nur bei den beiden Protagonisten, sondern bei der Entourage bewusst, in der Freundschaften oft mit einem bezahlten Job gekoppelt waren.

Welche Fragen hat der Streit vor Gericht für Sie nicht beantwortet?

Ich verstehe bis heute nicht, wieso Amber Heard sich bereit erklärt hatte, im Verleumdungsfall in England als Zeugin zugunsten der Zeitung «The Sun» auszusagen. Vielleicht hatte «The Sun» etwas gegen sie in der Hand, aber ich bin sicher, ihre Anwälte hätten es sehr schwierig machen können, sie im Ausland vor ein Gericht zu bekommen, wenn sie nicht hätte aussagen wollen.

Ausserdem bestand die Gefahr für die Zeitung, dass sie als feindliche Zeugin aussagen würde. Aber sie scheint sich freiwillig der Befragung beider Seiten gestellt zu haben. Wieso dachte sie, das sei eine gute Idee? «The Sun» gewann, aber für sie ging der Schuss nach hinten los in Virginia. Ich weiss aus guter Quelle, dass «The Sun» einen Vergleich mit Johnny Depp angestrebt hätte und es nicht zum Prozess gekommen wäre, wenn sie sich nicht als Star-Zeugin zur Verfügung gestellt hätte.

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