Offener Brief Netflix, wir müssen reden

Von Fabian Tschamper

28.4.2019

Die Plattform für Serien und Filme gibt es seit dem Jahr 1997.
Die Plattform für Serien und Filme gibt es seit dem Jahr 1997.
Keystone

Beim Streamingriesen teilen sich die Meinungen drastisch. Die einen lieben die Vielfalt, die anderen hassen die Vielfalt. «Bluewin»-Redaktor Fabian Tschamper gerät in Zwiespalt.

Liebes Netflix,

ich kann so nicht weitermachen. Es geht nicht. Warum bist du so? Deine Natur stösst mich ab und zieht mich an – immer wieder.

Für mich bist du die Grösste, Beste und Unterhaltsamste. Dir scheint das aber über den Kopf zu wachsen. Zumindest eine Zeit lang hatte ich den Eindruck. Überall finde ich dich und deine «Netflix Originale».

«Jetzt neu auf Netflix: Die wahre Geschichte über den Reissack in China.»

«Diesen Sommer auf Netflix: Die unwahrscheinliche Familie, die zusammen wohnt, obwohl sie nicht verwandt sind und alle drei Minuten erzählen sie einen Flachwitz, der mit Lachern unterlegt wird.»

Das ist doch sch****e. Niemand will das. Nicht mal die Produzenten wollen das, die schielen einfach aufs Geld. Von dem hast du ja genug: Alleine letztes Jahr flossen 16 Milliarden US-Dollar in dein Portemonnaie.



Wieso sparst du die Kohle nicht? Und kaufst dir etwas Grosses, Schönes, statt sie immer für diese vielen, billigen Kleinigkeiten rauszuschmeissen. Darum mag dich der Spielberg nicht! Und ich auch nicht.

Okay, das war gelogen. Ich mag dich schon noch.

Ich mag, dass du bei deinen Projekten jungen Schreibern und Schauspielern eine Chance gibst. Ich mag auch, dass du seit Kurzem immer wieder Film-Klassiker im Angebot hast. Du bist hübscher und intelligenter als deine kleine Schwester Amazon Prime. Auch die Babys Disney+ und Apple TV können dir nicht das Wasser reichen.

Aber ich mache mir Sorgen um dich.

Was, wenn sich noch mehr Freunde von dir distanzieren? Mit Disney und Warner hast du dich ja schon zerstritten. Sie brauchen dich nicht mehr.

Du musst dich am Riemen reissen! Noch bist du jung und voller Elan, aber wenn du weiterhin Quantität statt Qualität vertrittst, siehst du bald alt aus.

Ich will weiterhin nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen und bei dir sein. Du bist meine Schwäche, mein Kryptonit. Aber sei gewarnt. Auch deine kleinen Geschwister werden irgendwann erwachsen. Wirst du dann noch für mich da sein? Oder ich für dich?

Alles Liebe, Fabian

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