Selektiver Aufstand Vergesst WhatsApp und schaut auf Instagram

dj

24.5.2021

Facebook, WhatsApp und Instagram: Eine etwas komplizierte Familie.
Facebook, WhatsApp und Instagram: Eine etwas komplizierte Familie.
Keystone

Wer nun WhatsApp löscht, darf konsequenterweise Instagram und viele andere Dienste auch nicht mehr nutzen. Warum also drehen sich so viele Emotionen gerade und allein um WhatsApp?

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WhatsApp bewegt die Gemüter wie wohl kaum eine andere App. Die im Januar angekündigten neuen Nutzungsbedingungen lösten einen Sturm der Entrüstung und Abwanderungsbewegungen aus. Umgesetzt wurde sie immer noch nicht endgültig, eine scheinbar harte Deadline am 15. Mai erwies sich als doch eher schlaff.

Doch woher kommen all diese Emotionen zu WhatsApp, deren Intensität wohl auch Mutter Facebook überrascht hat? Denn im Vergleich zu anderen Apps und Diensten ist die Datensammlung von WhatsApp auch unter den neuen Bestimmungen eher beschränkt.

Instagram wurde schnell an sich gerissen

Ein passendes Gegenbeispiel ist etwa Instagram, wie WhatsApp Teil der Facebook-Familie. Dieses ist inzwischen fast vollständig mit der Mutter integriert, Nutzerdaten fliessen frei zwischen beiden Apps, auch Werbeverfolgung funktioniert blendend über die Dienste hinweg.

Direktnachrichten auf Instagram sind anders als bei WhatsApp beispielsweise nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt — Facebook kann also lesen, was seine Instagram-Nutzer*innen sich privat so alles schreiben. Dennoch gibt es hier kaum Nutzerproteste über mangelnden Datenschutz, keine Massenaufrufe zur Löschung der App.

Das dürfte vor allem daran liegen, dass Facebook bei Instagram nicht lange gefackelt hatte. Im September 2012 wurde die Übernahme bekannt gegeben, bereits im darauffolgenden Dezember passte Facebook dort die Datenschutzbedingungen so an, dass eine weitgehende Teilung von Nutzerdaten mit Facebook selbst ermöglicht wurde. Und all das erfolgte natürlich, bevor mehrere Datenschutz-Skandale ab Mitte der 10er-Jahre den Ruf von Facebook ruinierten.

WhatsApp konnte sich lange Eigenständigkeit bewahren

Das 2009 gegründete WhatsApp hingegen wurde 2014 aufgekauft und konnte lange eine Art Eigenständigkeit bewahren. Dafür dürften auch Brian Acton und Jan Kuom, die beiden Gründer, gesorgt haben, die bis 2018 die App im Facebook-Konzern verantworteten, bevor sie von Chef Mark Zuckerberg geschasst wurden. Acton ist inzwischen treibende Kraft hinter Konkurrent Signal und lässt keine Möglichkeit verstreichen, gegen seinen alten Arbeitgeber zu agitieren.

Weil WhatsApp so lange ohne grosse Änderungen operierte, dürfte sich bei vielen Nutzer*innen ein Gefühl von Verrat eingeschlichen haben, als Facebook dann doch langsam die Zügel anzog. Für viele Menschen steht WhatsApp auch fast synonym mit Smartphones generell, denn die App war in den Anfangszeiten des Smartphones als Massenmarktprodukt einer der Hauptgründe, warum man sich ein solches überhaupt erst zulegte.

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All das hat ein emotionales Verhältnis zu der App ausgelöst. WhatsApp hat man schliesslich die ersten Chats mit einer neuen Liebe, Bilder der neugeborenen Kinder und allerlei andere höchstpersönliche Kommunikation anvertraut. Schon der Eindruck, dass dieses Vertrauen gebrochen werden könnte, könnte die heftigen Reaktionen auf vergleichsweise moderate Änderungen bei den Nutzungsbedingungen erklären.

Instagram ist alternativlos

Dass es bei Instagram keine vergleichbaren Abwanderungsbewegungen gibt, obwohl ja auch hier das «böse» Facebook dahintersteckt, dürfte auch an der Alternativlosigkeit des sozialen Netzwerkes liegen. Klar, es gibt andere Social Media-Dienste, sei es Twitter, TikTok oder Snapchat, aber diese bieten doch ein deutlich anderes Nutzererlebnis.

Das WhatsApp-Konzept ist dagegen austauschbar. Mit Signal, Threema oder Telegram gibt es Apps, die die Funktionalität und die User Experience von WhatsApp fast eins-zu-eins duplizieren. Man müsste nur alle Freunde zum Wechsel bewegen und in der Alltagskommunikation würde sich nicht viel ändern.

Und das erklärt auch, warum Facebook hier so uncharakteristisch vorsichtig agiert und Deadlines immer wieder verschiebt. Denn sind WhatsApp-Nutzer*innen erst mal weg, kommen sie nie wieder.