Mafia-Methoden eBay-Manager wenden Mafia-Taktik an

dj

16.6.2020

Dem Blogger-Ehepaar wurde die Maske eines blutigen Schweinekopfes sowie ein Ratgeberbuch mit dem Titel «So übersteht man den Tod eines Ehepartners» zugeschickt.
Dem Blogger-Ehepaar wurde die Maske eines blutigen Schweinekopfes sowie ein Ratgeberbuch mit dem Titel «So übersteht man den Tod eines Ehepartners» zugeschickt.
Keystone

Schweineköpfe und Kakerlaken vor der Haustür: Mit Mafia-Taktiken wollten hochrangige eBay-Mitarbeiter Kritiker des Unternehmens zum Schweigen bringen. 

Die US-Bundespolizei FBI hat ehemalige Manager des Online-Versandhaus eBay festgenommen, weil sie eine Terrorkampagne gegen Kritiker des Unternehmens durchgeführt haben sollen. Die angewendeten Taktiken schienen dabei direkt aus einem schlechten Mafia-Film zu stammen.

Das Ehepaar David und Ina Steiner aus Massachusetts betreibt einen Blog über E-Commerce und befasst sich speziell mit den Sorgen der Verkäufer auf eBay und vergleichbaren Plattformen. Doch die Berichterstattung über eBay kam bei den dortigen Führungskräften offenbar denkbar schlecht an und führte zu einer fast unglaublichen Überreaktion. eBay-Manager initiierten im August 2019 eine systematische Stalking-Kampagne mit den Ressourcen des Milliarden-Konzerns.

Deren Ziel laut US-Bundesanwalt Andrew Lelling: Das Ehepaar emotional und psychologisch zu terrorisieren, um sie davon abzubringen, schlechte Sachen online über eBay zu schreiben.

Anführer war eBay-Sicherheitschef

Die Anführer der Kampagne waren offenbar James Baugh, damals Senior Director of Safety & Security bei eBay, sowie David Harville, damals Director of Global Resiliency. Unterstützt wurden sie von mindestens vier weiteren eBay-Mitarbeitern, darunter auch ein ehemaliger Polizist.

Die Kampagne begann mit Lieferungen, die die eBay-Mitarbeiter bei diversen Diensten laut FBI mittels Prepaid-Kreditkarte bezahlten und zum Haus der Steiners oder ihrer Nachbarn schicken liessen. Vor deren Haustür landete unter anderem:

  • Eine Maske eines blutigen Schweinekopfes
  • Ein Karton mit lebendigen Kakerlaken
  • Pornografische Magazine
  • Ein Ratgeberbuch mit dem Titel «So übersteht man den Tod des Ehepartners»
  • Grosse Mengen an Pizza in den frühen Morgenstunden

Die eBay-Mitarbeiter hätten auch versucht, einen konservierten Schweine-Fötus zu bestellen, nach Rückfrage des Lieferanten wurde diese Bestellung aber abgesagt. Ein Informant erzählte dem FBI später, dass das Team auch die Lieferung weiterer Objekte wie einer toten Ratte, einer Kettensäge oder menschlicher Exkremente in Betracht zog. Baugh soll auch angekündigt haben, dass, wenn die bisherigen Methoden nicht ausreichen, er eine «Samoanische Gang» zum Haus der Steiners schicken würde.

Terror online und offline

Die Terrorkampagne fand auch online statt. So wurde auf der Inserate-Plattform Craigslist eine vermeintliche Swingerparty an der Wohnadresse des Paars beworben. Ausserdem wurden anonyme Twitter-Accounts erstellt, über die Drohungen verschickt wurden. «Hast du unser Geschenk bekommen, du Fotze?», hiess es etwa in einer Nachricht nach einer Lieferung. Ina Steiner wurde mit einer wahren Flut von Vulgaritäten konfrontiert.

Über einen anonymen Twitter-Account verschickten die eBay-Mitarbeiter laut FBI vulgärste Nachrichten.
Über einen anonymen Twitter-Account verschickten die eBay-Mitarbeiter laut FBI vulgärste Nachrichten.
DOJ

Später seien mehrere Mitarbeiter auch mehrfach vom eBay-Firmensitz in Kalifornien an die andere Küste der USA zum Wohnsitz des Ehepaars im Bostoner Vorort Natick geflogen, um das Paar persönlich zu beschatten und zu verfolgen. Dabei hörten sie laut FBI den Polizei-Scanner der örtlichen Polizeibehörde ab und brachen die Verfolgung ab, nachdem das Ehepaar die Polizei angerufen hatte. Die Mitarbeiter wollten offenbar auch einen GPS-Peilsender ans Fahrzeug der Steiners anbringen, scheiterten aber an einer abgeschlossenen Garage.

Über die Kennzeichen der Mietwagen kamen die Ermittler schliesslich auf die Spur der eBay-Mitarbeiter. Diese versuchten noch, ihre Beteiligung zu verschleiern und Zeugen zu beeinflussen, das Kartenhaus brach allerdings offenbar schnell zusammen. Allen sechs Angeklagten droht nun wegen Cyberstalking und Nötigung von Zeugen bis zu zehn Jahre Haft.

Was wusste der eBay-CEO?

eBay wurde nach eigenen Angaben noch im August 2019 von den Behörden informiert. Man entschuldige sich bei den Betroffenen. Die beteiligten Mitarbeiter habe man sofort entlassen und eine Untersuchung durch externe Anwälte angeordnet. Ebenfalls entlassen wurde der damalige Kommunikationschef des Unternehmens.

Im September 2019 verliess dann CEO Devin Wenig eBay. Damals hiess es vage, eine «Reihe von Erwägungen» habe dazu geführt, dass Wenig seinen Posten räumte. Wenig selbst sprach damals von Meinungsverschiedenheiten mit dem Verwaltungsrat.

Nun sagt eBay, dass es keine Beweise dafür gäbe, dass Wenig «vorab» von der Kampagne gegen das Ehepaar gewusst habe, oder dass er diese «autorisiert» hätte. Es habe allerdings «unangebrachte Kommunikationen» des CEO gegeben. Wenig selbst, der nicht angeklagt wurde, gibt sich völlig unschuldig.

«Fick die»

Aber in den Gerichtsunterlagen finden sich auch belastende Zitate aus SMS von Wenig, die vor Beginn der Terrorkampagne getätigt werden. Er wird dort als «Executive 1» bezeichnet. So schrieb er an seinen Kommunikationschef («Executive 2») in Bezug auf Ina Steiner: «Wenn du jemals vorhattest, sie fertig zu machen, jetzt ist die Zeit dafür gekommen.» Dieser antwortete: «Ich bin dran.»

eBay-CEO Devin Wenig war unzufrieden mit der Berichterstattung über ihn.
eBay-CEO Devin Wenig war unzufrieden mit der Berichterstattung über ihn.
DOJ

Auch für das «Wall Street Journal» hatte Wenig wenig freundliche Worte übrig. «Fick die! Das ‹Journal› ist der nächste auf der Liste [nach Ina Steiner]», schrieb er nach einem kritischen Bericht der Zeitung über seine Unternehmensführung. Wenig ist inzwischen Verwaltungsrat beim Autobauer GM. Er bekam 57 Millionen Dollar Abfindung von eBay, wie Ina Steiner auf ihrem Blog berichtete.

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