Knapper Sieg Erdogan gewinnt Stichwahl in der Türkei

dpa/tpfi

28.5.2023 - 21:22

Der Wahlabend in der Türkei bringt langsam Gewissheit. Recep Tayyip Erdogan scheint ein weiteres Mal an die Spitze des Staates gewählt.

DPA, dpa/tpfi

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  • Recep Tayyip Erdogan gewinnt die Stichwahl in der Türkei mit 52 zu 48 Prozent.
  • Inzwischen vermelden sowohl Wahlamt als auch staatliche und oppositionelle Medien einen Vorsprung Erdogans.
  • Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat seine Wahlniederlage bei der Präsidentenwahl indirekt eingeräumt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich bereits vor Ende der Stimmauszählung zum Wahlsieger in der Präsidentschaftswahl erklärt. Er danke allen, die es ihm ermöglicht hätten, die nächsten fünf Jahre zu regieren, sagte Erdogan vor jubelnden Anhängern in Istanbul. Er werde «bis ans Grab» bei seinen Anhängern sein. In Ankara füllten am frühen Abend bereits Autokorsos mit wehenden Fahnen die Strassen. Auch in Istanbul waren Hupkonzerte zu hören.

Wie bereits im Wahlkampf hetzte Erdogan gegen lesbische, schwule, bisexuelle und transidente Menschen. «Meine Brüder, ist diese CHP denn nicht für die LGBT?», sagte er auch am Sonntag mit Bezug auf die Partei Kilicdaroglus. In seinem eigenen Wahlbündnis gebe es so etwas nicht, so Erdogan. Er erhielt dafür laute Zustimmung aus dem Publikum.

Türkei: Erdogan erklärt sich zum Sieger der Präsidentenstichwahl

Türkei: Erdogan erklärt sich zum Sieger der Präsidentenstichwahl

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat sich zum Sieger der Stichwahl um das Präsidentenamt erklärt. Nach Auszählung fast aller Stimmzettel erhielt der religiös-konservative Amtsinhaber gut 52 Prozent der Stimmen.

28.05.2023

Obwohl am frühen Abend viele Stimmen noch nicht ausgezählt waren, deutete sich eine klare Tendenz an. Erdogan habe bislang rund 55,41 Prozent der Stimmen erhalten, sagte der Chef der Wahlbehörde, Ahmet Yener, am Sonntag in Ankara nach Auszählung von zwei Drittel der Stimmen. Sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu komme auf 46,59 Prozent. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur kam der türkische Präsident nach Auszählung von knapp 99 Prozent der Stimmen auf 52 Prozent, Kilicdaroglu auf 48 Prozent. Die oppositionsnahe Agentur Anka verzeichnete fast gleiche Werte.

Oppositionsführer räumt Niederlage indirekt ein

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat seine Wahlniederlage bei der Präsidentenwahl indirekt eingeräumt. Er bedauere «die weit grösseren Probleme», die das Land nun erwarteten, sagte Kilicdaroglu am Sonntag in Ankara. Damit deutete er an, dass Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan die Stichwahl gewonnen hat, sagte dies aber nicht direkt.

Er werde weiter für Demokratie kämpfen, sagte Kilicdaroglu. «Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen.»

Er werde weiter für Demokratie kämpfen, sagte Kilicdaroglu. «Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen.»

«Wir haben den unfairsten Wahlkampf der letzten Jahre erlebt», sagte Kilicdaroglu. «Alle Staatsmittel wurden für eine politische Partei mobilisiert und einem Mann zu Füssen gelegt.»

Wahlbeteiligung bei rund 85 Prozent

Die Wahlbeteiligung lag Anadolu zufolge bei rund 85 Prozent und damit niedriger als bei der ersten Runde mit 87 Prozent. Auch in Deutschland zeichnete sich den vorläufigen Zahlen von Anadolu zufolge ein deutlicher Sieg Erdogans ab – nach knapp 45 Prozent der ausgezählten Stimmen lag der Staatschef bei 67 Prozent.

Als einer der ersten gratulierte Viktor Orban dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, ebenfalls vor Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse, zum Sieg. Der ungarische Ministerpräsident schrieb auf Twitter am Sonntag von einem «unbestrittenen Wahlsieg». Zuvor hatten Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani und Libyens Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba dem türkischen Staatschef bereits gratuliert. «Mein lieber Bruder Recep Tayyip Erdogan, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sieg», schrieb das Staatsoberhaupt Katars auf Twitter.

Die Opposition äusserte sich vorerst nicht zu den Ergebnissen. Kilicdaroglu wollte sich noch am Abend äussern. Der Abstimmungstag war laut Wahlbehörde ruhig verlaufen, es hatte jedoch mehrere Meldung von gewaltvollen Zwischenfällen gegeben.

Erdogan seit 20 Jahren an der Macht

Erdogan führt die Türkei seit 20 Jahren. 2003 wurde Erdogan zunächst Ministerpräsident, 2014 Staatspräsident. Seit Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat er so viel Macht wie nie zuvor. Befürchtet wird, dass er nach der Wahl noch autoritärer regieren wird. Die Türkei ist Nato-Mitglied, pflegt enge Beziehungen zu Russland ebenso zur Ukraine und ist Akteurin im syrischen Bürgerkrieg. Die Wahl wurde entsprechend auch international mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt.

Die Wahl galt unter anderem vor dem Hintergrund einer grassierenden Wirtschaftskrise als eine der grössten Herausforderungen seiner politischen Laufbahn. Dass die Mehrheit der Wähler der Krisen zum Trotz für Erdogan stimmte, liegt Beobachtern zufolge auch an der Kontrolle der Regierung über die Medienlandschaft. In einem Interview kurz vor der Wahl etwa erklärte Erdogan unhinterfragt, wirtschaftliche Probleme seien eine Mär der Opposition.

Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf einer Wahlkampfveranstaltung.
Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf einer Wahlkampfveranstaltung.
Archivbild: Francisco Seco/AP

Insgesamt waren rund 64 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, davon rund 3,4 Millionen im Ausland.

Im Parlament konnte sich das Bündnis um den türkischen Staatschef nach vorläufigen Zahlen bereits am 14. Mai eine Mehrheit sichern, trotz Verlusten im Vergleich zu 2018.

Migration und Wirtschaft wichtigste Wahlkampfthemen

Bestimmendes Thema im Wahlkampf waren die Themen Migration sowie die kriselnde Wirtschaft und die hohe Inflation. Erdogan hetzte gegen die Opposition, in dem er ihr Verbindungen zu Terroristen vorwarf und sie wegen der Unterstützung von schwulen, lesbischen und queeren Menschen anging.

Die Opposition war in einem historisch einmaligen Bündnis aus sechs Parteien angetreten. Sie versprach eine Demokratisierung des Landes und einen harten Kurs gegen Flüchtlinge. Für einen Sieg reichte das aller Voraussicht nach jedoch nicht.

Der Wahlkampf verlief unfair. Erdogan konnte neben der Kontrolle über die Medien auch auf staatliche Ressourcen zurückgreifen. Im ersten Wahlgang, den Erdogan gewann, hatte es Berichte über Unregelmässigkeiten gegeben, die jedoch nichts am Wahlausgang änderten.