Fragen und Antworten Diese Gewalterfahrungen machen unsere Lehrer*innen 

uri

16.1.2023

Lehrpersonen verlangen mehr Schutz vor Gewalt

Lehrpersonen verlangen mehr Schutz vor Gewalt

Beschimpfungen von Eltern, Drohungen von Schülern und Mobbing von Arbeitskollegen: Zwei von drei Schweizer Lehrpersonen haben in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt. Ihr Dachverband verlangt nun präventive Massnahmen und bessere Unterstützung.

16.01.2023

Beschimpfungen, Drohungen und Mobbing: Viele Lehrer*innen in der Schweiz machen laut einer aktuellen Studie Gewalterfahrungen. Das sind die Probleme – und so sollen sie gelöst werden.

uri

Was bezweckt die neue Studie?

Bislang lagen in der Schweiz keine empirischen Daten zu Gewalterfahrungen von Lehrpersonen vor. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) hat hier Abhilfe geschaffen und durch das Büro Brägger eine Umfrage bei allen Aktivmitgliedern der LCH-Mitgliederverbände in Auftrag gegeben. Wie es im Kurzbericht dazu heisst, stehen im Fokus der Umfrage die Gewalterfahrungen der Lehrpersonen im schulischen Kontext während der letzten fünf Schuljahre.

Welche Gewalterfahrungen gibt es?

Bei der Medienkonferenz des Berichts sagte Zentralpräsidentin Dagmar Rösler, man habe «keine amerikanischen Verhältnisse», sei also von Amokläufen und direkter physischer Gewalt wie in den USA weit entfernt. Auch wollte der Verband nicht dramatisieren, so Rösler.

Dennoch machen Lehrerinnen und Lehrer in Schweizer Schulen zahlreiche Gewalterfahrungen. Diese zeigten sich in subtileren Formen, führte Studienautorin Martina Bräger auf der Medienkonferenz aus. Am häufigsten kommen Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und Einschüchterungen vor. Auch diese seien aber nicht ohne Folgen, Betroffene seien oft über einen längeren Zeitraum emotional belastet.

Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz werden selten physisch angegangen – werden aber nicht selten Opfer psychischer Gewalt. 
Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz werden selten physisch angegangen – werden aber nicht selten Opfer psychischer Gewalt. 
Archivbild: Keystone

Innerhalb der letzten fünf Schuljahre erlebten demnach zwei Drittel der Befragten mindestens eine Form von Gewalt im schulischen Kontext. Vor allem ging es dabei um verbale Beleidigungen und Beschimpfungen, die allein 23 Prozent der Befragten im aktuellen Schuljahr erlebten. Über die gesamten letzten fünf Schuljahre machten sogar 48 Prozent der Befragten eine entsprechende Erfahrung.

Andere Formen psychischer Gewalt, etwa Verleumdung, Einschüchterung oder auch absichtliche Ignoranz, wurden zwischen 11 und 25 Prozent des befragten Lehrpersonals in den letzten fünf Schuljahren erlebt. 13 beziehungsweise 15 Prozent berichteten sogar von Gewalt gegen Eigentum oder physische Angriffe, die allerdings keine ärztliche Behandlung benötigten hätten.

Wer ist von der Gewalt besonders betroffen?

Laut der Studie erfahren Lehrerinnen tendenziell mehr Gewalt als ihre männlichen Kollegen. Ebenfalls trifft das auf jüngeres Lehrpersonal zu und zudem auf Klassenlehrer*innen. Unterschiede gibt es hier zudem für die Lehrer*innen unterschiedlicher Schulstufen. An Sonderschulen erleidet das Lehrpersonal demnach besonders häufig Gewalt durch Schüler*innen der eigenen Klasse und in der Sekundar-Stufe II durch Eltern der Schüler*innen.

Wer ist für die Gewalt verantwortlich?

Wie die Analyse der Studie weiter zeigte, ging die registrierte Gewalt gegenüber den Lehrpersonen am häufigsten von Eltern sowie von Schülerinnen und Schüler aus (36 und 34 Prozent). In 15 Prozent der Fälle treten als Aggressoren aber Lehrpersonen auf, in 11 Prozent sogar die Schulleitung.

Mündliche Beleidigungen oder Beschimpfungen kommen am häufigsten von den Eltern und den Schülern selbst. Mündliche sexuelle Belästigung hingegen erfolgen laut der Studie am häufigsten durch Kolleginnen und Kollegen.

Wie soll Abhilfe geschaffen werden?

Um der Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer entgegenzuwirken, hat der Lehrerverband sechs Forderungen aufgestellt, darunter eine unabhängige Ombudsstelle. Zudem müssten flächendeckend niederschwellige Beratungs- und Mediationsangebote geschaffen werden. Ebenfalls sollen flächendeckend alle Schulen Interventions- und Krisenkonzepte erarbeiten, und Lehrpersonen müssten im Konfliktmanagement oder im Umgang mit Cybermobbing geschult werden.