Champions League Wie Real Madrid seine Saison mehr als retten konnte

sda

8.5.2024 - 05:00

Real Madrid ist daran, eine Saison zu krönen, die sich als schwierig angekündigt hatte. Für alle Probleme haben die Spanier in den letzten Monaten bisher eine Antwort parat.

8.5.2024 - 05:00

Die Feier zum 36. Meistertitel muss vorerst warten. Der Fokus von Real Madrid war bereits auf die Champions League und das Halbfinal-Rückspiel vom Mittwoch gegen Bayern München gerichtet, als die Punkteverluste des FC Barcelona am Samstagabend die Königlichen vorzeitig zum Meister kürten. «Die Freude hält sich in Grenzen, denn wir haben ein sehr wichtiges Spiel vor uns. Wir müssen uns erholen», sagte Carlo Ancelotti.

Der bald 65-jährige Trainer wird mit seinen Spielern irgendwann die Zeit finden, sich zurückzulehnen und die laufende Saison Revue passieren zu lassen. Ob mit oder ohne den 15. Triumph in der Champions League wird die Bilanz positiv ausfallen. Real Madrid, das in der Vergangenheit nicht selten spielerische Probleme für viele Millionen auf dem Transfermarkt lösen wollte, ist zurückhaltender geworden und überzeugt mit Tugenden, für die es nicht in erster Linie bekannt war.

Zurückhaltung ist selbstredend relativ: Im letzten Sommer kam Jude Bellingham für über 100 Millionen Franken von Dortmund nach Madrid. Es war die erste Transferperiode seit vier Jahren, die aus finanzieller Sicht für den spanischen Kultklub negativ ausfiel, in der man mit Einkäufen also mehr ausgab als mit Verkäufen einnahm. Verglichen mit den englischen Vereinen, aber auch mit dem Halbfinal-Gegner Bayern München hielten sich die Ausgaben für neue Spieler zuletzt insgesamt im bescheidenen Rahmen.

Seit dem Sommer 2019 mit Transferkosten von über 300 Millionen Franken und dem einen oder anderen kostspieligen Fehleinkauf verstärkt Real Madrid seine Mannschaft sehr geschickt. Die einzigen weiteren grösseren Investitionen neben Bellingham – in Aurélien Tchouaméni und Eduardo Camavinga – haben sich ausbezahlt; für die nächste Saison dürfte mit Goalgetter Kylian Mbappé ein weiterer Franzose zum Team stossen, der ablösefrei kommen soll und alles mitbringt, um in Madrid zu reüssieren.

Ein perfekter Übergang

In dieser Saison kommt Real Madrid ohne einen überragenden Mittelstürmer aus, ohne einen Torgaranten wie früher Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema. Die Treffer fallen trotzdem, weil Ancelotti für jedes Problem scheinbar eine Lösung findet. Der Italiener macht erst möglich, dass die Pläne der Führungscrew um Präsident Florentino Perez aufgehen, dass die Übergangssaison, in der Benzema noch nicht ersetzt wurde und Luka Modric nur noch dosiert zum Einsatz kommt, ein Erfolg ist.

Offensiv fand Ancelotti taktische Mittel, um seine nun besten Torschützen Vinicius Junior und Jude Bellingham gut in Szene zu setzen. Und in der Verteidigung schaffte er es, die über den Grossteil der Saison verletzt ausgefallenen Thibaut Courtois, David Alaba und Eder Militão zu ersetzen, unter anderem durch den zum Innenverteidiger umfunktionierten Tchouaméni und den langjährigen ukrainischen Ersatzkeeper Andrij Lunin.

Die Mannschaft zog immer mit Ancelotti mit, auch im Viertelfinal gegen Manchester City, als die Madrider einen Grossteil der gut 210 Minuten damit verbrachten, dem Ball hinterherzurennen und Räume zuzulaufen. Vor dem 50. Match der Saison am Mittwochabend steht Real Madrid bei 38 Siegen, 9 Unentschieden und 2 Niederlagen (beide gegen Atlético Madrid).

Der etwas andere Trainer

Anders als auch schon behauptet, funktioniert die Methode Ancelotti immer noch, auch wenn sie ganz anders ist als jene von den Trendsettern Pep Guardiola, Jürgen Klopp oder Luis Enrique. Es wird in den Interviews nicht gepoltert, kaum lamentiert und erst recht nicht an der Seitenlinie wie wild gestikuliert. Mit einer bemerkenswerten Gelassenheit führt Ancelotti seine Mannschaften zum Erfolg.

«Er ist nett, umgänglich und bescheiden», beschreibt Bayerns Coach Thomas Tuchel sein Gegenüber. «Das ist aussergewöhnlich!» So aussergewöhnlich, dass Ancelotti während seiner Trainerzeit in München schnell mal unverstanden war. Nach 15 Monaten wurde der damalige Nachfolger von Guardiola im Herbst 2017 vorzeitig verabschiedet. Dabei liess man beim FC Bayern durchblicken, dass weder der Arbeitseifer noch die Trainingsmethoden von Ancelotti überzeugen konnten.

Andere hätten sich nach der Vorgeschichte die Gelegenheit für einen Seitenhieb in Richtung des in diesen Tagen ziemlich ungeschickt nach einem neuen Trainer suchenden Ex-Klubs wohl nicht entgehen lassen. Nicht so Ancelotti, der kein böses Wort verlor, sondern von einer fantastischen Zeit in München und seiner Freundschaft zu Karl-Heinz Rummenigge sprach.

Etwas von seiner positiven und zurückhaltenden Art hat der Trainer auf die Mannschaft übertragen. Solidarität, Konstanz und Stabilität stehen im Vordergrund. Während in München beim oft so verlässlichen FC Bayern die Saison einer Achterbahnfahrt gleicht, überlässt Real Madrid zur Not das Zaubern auch mal den anderen. Die Fähigkeit, den Kopf einzuziehen, könnte acht Tage nach dem 2:2 im Hinspiel der entscheidende Vorteil gegenüber den Deutschen sein.

sda