Aufruhr in Malmö Wie der ESC im Chaos zu versinken drohte

Marius Egger

12.5.2024

Beim ESC kam es zu massiven Protesten – unter anderem wegen Israel. 
Beim ESC kam es zu massiven Protesten – unter anderem wegen Israel. 
KEYSTONE

Europa findet Nemo, doch zwischenzeitlich drohte der ESC im Chaos zu versinken. Die Stimmung war aufgeheizt – nicht nur wegen Israel.

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  • Der ESC 2024 drohte im Chaos zu versinken.
  • Massenproteste, der Ausschluss der Niederlande

Weit nach Mitternacht war es, als Nemo als grosser Sieger die Bühne betrat und den Pokal unabsichtlich kaputt machte. Es war eine Szene mit Symbolcharakter. Nemo sagte später darüber: «Die Trophäe kann repariert werden – vielleicht braucht der ESC auch ein kleines bisschen Instandsetzung.»

Was der Artist damit meinte, zeigte sich in den Stunden und Tagen vor dem Event. Die grösste Musikshow der Welt stand unter dem Motto «United by Music», doch irgendwie waren alle eher divided denn united.

1. Der lange Schatten des Gaza-Kriegs

Der lange Schatten des Gaza-Kriegs lag schon Tage vor dem Finale über dem Event. Proteste gegen die Teilnahme Israels beherrschten den Austragungsort Malmö. Die Stimmung war angespannt, das Sicherheitsaufgebot massiv. Die israelische Teilnehmerin Eden Golan musste in Schweden die gesamten Tage abgeschirmt werden. Als die 20-Jährige die Halle beim Einlaufen betrat, waren Pfiffe zu hören. Das war auch während dem Singen ihres Songs «Hurricane» der Fall. Und als die Kameras bei der Punktevergabe nach Israel schalteten, wurden die Buhrufe noch einmal lauter.

Vor der Show wurde auch Klimaaktivistin Greta Thunberg bei Protesten auf den Strassen in Malmö von der Polizei abgeführt. Ihre Mutter nahm 2009 einst selbst am ESC teil und wurde 21. In diesem Jahr war die Stimmung aufgeheizt. Tausende versammelten sich vor der Halle auch am Finaltag wieder, um gegen den Gaza-Krieg und die Teilnahme Israels zu protestieren. 

2. ESC-Chef wird ausgepfiffen

Auch bei der traditionellen Punktevergabe des Eurovision Song Contest (ESC) hat es laute Buhrufe gegeben. ESC-Chef Martin Österdahl erntete vor Beginn der Video-Schaltung zu den Jurys aus den 37 ESC-Ländern unzufriedenes Raunen aus dem Publikum in der Halle. Bei der Punktevergabe aus Israel musste das Land ebenso Protest und Buhrufe über sich ergehen lassen.

Zu besonders lautstarkem Grölen und Buhrufen kam es, als Österdahl die Punkte der Niederlande verlas. Am Tag des Finales war bekannt geworden, dass der niederländische Kandidat Joost Klein vom Wettbewerb ausgeschlossen ist. Hintergrund war nach Angaben des niederländischen Fernsehsenders Avrotros eine aggressive Geste Kleins gegenüber einer Kamerafrau. Obwohl die ausgeschiedenen Niederländer zu dem Zeitpunkt noch bewertet wurden, wurden sie bei der Bewertung nach dem Ausschluss aus dem Wettbewerb herausgenommen.

Der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunk reichte eine offizielle Beschwerde gegen den Ausschluss von Joost Klein ein.

3. Punkteansager:innen ziehen sich zurück

Am Finaltag wurde dann plötzlich bekannt, dass die Holländische Moderatorin Nikkie de Jager von der Punktevergabe zurückzieht. Die YouTuberin trat beim ESC 2021 als Moderatorin auf und sollte am Abend dem Millionenpublikum die Punktevergabe der Holländischen Jury mitteilen. In einem Statement erklärte die 30-Jährige: «Was auch immer ich heute Abend tue, ob ich da bin oder nicht, ich kann es nicht gut machen.» Die Punkte der niederländischen Jury hat Martin Österdahl dann unter Buhrufen und Pfiffen aus dem Publikum verkündet.

Nikkie de Jager blieb nicht die einzige, die sich kurzfristig zurückzog. Alessandra Mele aus Norwegen sagte ihre Teilnahme als Spokesperson ab und begründete dies mit dem israelischen Vorgehen im Gaza-Streifen. Auch der Fast-Sieger des ESC 2023 Käärijä aus Finnland kündigte an, sich von der Punktevergabe zurückziehen. Stattdessen wurden die Ergebnisse aus Finnland von Radio Suomen-Moderator Toni Laaksonen bekannt gegeben.

4. Nemo schmuggelt die nonbinäre Flagge hinein

Der ESC setzt sich für Völkerverständigung durch Musik ein. Doch wenn es um Symbolik geht, zeigt der Veranstalter wenig Verständnis. Die nonbinäre Flagge war bei dem Event offenbar verboten.

Nemo mit der nonbinären Flagge – sie wäre eigentlich verboten gewesen. 
Nemo mit der nonbinären Flagge – sie wäre eigentlich verboten gewesen. 
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Als Nemo beim Sieger-Interview gefragt wurde, wie es möglich gewesen sei, die nonbinäre Flagge bei der Einlaufshow zu zeigen, antwortete der Artist: «Ich habe meine Flagge hineingeschmuggelt. Ich finde das eine Doppelmoral. Ich habe den Code gebrochen und gerettet. Vielleicht muss der Eurovision auch gerettet werden.»

(dpa/meg)