In die Halfpipe? Zum Freeriden? Auf Social-Media in neue Dimensionen vorstossen? Andri Ragettli kann sich vieles vorstellen. Aber noch liegt der Fokus des Ski-Freestylers ganz auf seinem Kerngeschäft.
Mit dem Sieg im letzten Weltcup des Winters, dem dritten auf dem Corvatsch in seinem Heimatkanton Graubünden, hat Andri Ragettli die Saison erfolgreich beendet. Zu Buche stehen vier Podestplätze und acht Rangierungen in den ersten sechs aus neun Wettkämpfen. Mit dem kleinen Makel, dass damit keine (weiteren) Kristallkugeln resultierten.
«Keine Kugel, ja... Aber eigentlich eine super Saison», findet Ragettli nicht zuletzt deshalb, weil zwei der Podestplätze im Big Air zustande kamen – in seiner zweitstärksten Disziplin, in der er sich zuvor letztmals 2019 im Weltcup in den Top 3 klassiert hatte. «Nachdem ich mich 2021 schwer am Knie verletzt hatte, setzte ich mir zum Ziel, es auch im Big Air wieder nach vorne zu schaffen. Es hat etwas gedauert, aber jetzt habe ich es geschafft. Es fehlte wirklich nicht viel zur Kugel.»
Drei Jahre nach dem gerissenen Kreuzband und Innenband im linken Knie, der schweren Verletzung, die ihn im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2022 in China in die Bredouille und letztlich um eine Olympia-Medaille brachte, mischt Ragettli wieder in aller Regelmässigkeit um die Podestplätze mit. 40 Punkte trennten ihn vom zweiten Gewinn der Big-Air-Disziplinenwertung nach 2019. In der Gesamtwertung belegte er in der Endabrechnung den 4. Platz.
Im Fahrplan
Der Fahrplan auf dem Weg zu den nächsten grossen Highlights stimmt. Und das soll auch so bleiben. Schliesslich ist Ragettli entschlossen, die Lücke in seinem Palmarès noch zu füllen. 31 Weltcup-Podests, so viele wie kein anderer in der Sparte der Ski-Freestyler, und drei WM-Medaillen hat der 25-Jährige vorzuweisen. An Olympischen Spielen ging er aber sowohl 2018 als auch 2022 leer aus.
Während es einige in der Saison ohne Grossanlässe in Bezug auf Wettkämpfe ruhiger angingen und andere die Prioritäten verschoben, nutzte Ragettli den Weltcup für Feinarbeit im Hinblick auf die nahenden nächsten grossen Ereignisse, die Heim-WM 2025 im Engadin und, insbesondere, die Olympischen Spiele 2026 in Norditalien. «Es gibt immer Details zu verbessern. Der Prozess ist nie fertig», sagt der Bündner.
Durch die regelmässigen Weltcup-Starts erhält Ragettli auch ein gutes Gefühl dafür, worauf das Augenmerk der Punktrichter liegt und wo es Optimierungspotenzial gibt. Rails etwa gewannen zuletzt an Gewicht, und zusehends finden sich Halfpipe-Elemente in den Slopestyle-Parcours. Zudem zeigte sich in diesem Winter einige Male, dass Ragettlis jetzigen Auftritte tendenziell eher schlechter bewertet werden, als es das Gefühl erahnen liesse.
Ski-Star
Andri Raglettli
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Kein Skifahrer und Snowboarder
Andere verfolgen gänzlich unterschiedliche Ansätze. Der norwegische Big-Air-Olympiasieger und Slopestyle-Weltmeister Birk Ruud etwa ist gerade dabei, auch als Snowboarder im Weltcup Fuss zu haben. Er schlägt sich sehr beachtlich, läuft beim Multitasking aber Gefahr, in seinem angestammten Metier nachzulassen. Der amerikanische Slopestyle-Olympiazweite Nicholas Goepper trat in dieser Saison nur in der Halfpipe an, in der er zuvor nur selten Wettkämpfe bestritten hatte.
Auch Ragettli macht sich Gedanken in diese Richtung. Vorerst aber liegt der Fokus ganz auf dem Kerngeschäft: «Natürlich mache ich mir langfristige Gedanken. In den nächsten zwei Jahren ist Vollgas Skifahren angesagt, vielleicht auch in den vier Jahren danach bis zu den Winterspielen 2030. Aber danach? Wer weiss. Vielleicht wird das Freeriden bald olympisch, dann wäre auch das eine Option. Oder zieht es mich neben dem Bisherigen noch in die Halfpipe? Oder will ich die Aktivitäten auf Social Media forcieren und dort richtig durchstarten? Ich kann mir vieles vorstellen. Klar ist: Den Drive werde ich weiter haben, was auch immer ich tue.»
Nur eines schliesst Ragettli aus: Ein Skifahrer und Snowboarder wie sein norwegischer Rivale Birk Ruud, das wird er selber nicht.
jos, sda