Boeing-Whistleblower vor US-Kongress «Meine Vorgesetzten sagten mir, ich soll die Schnauze halten»

smi, SDA

18.4.2024

Die Whistleblower Sam Salehpour und Ed Pierson sagen zusammen mit dem ehemaligen Direktor der FAA, Joe Jacobsen, vor dem Senat über die Sicherheitskultur bei Boeing aus.
Die Whistleblower Sam Salehpour und Ed Pierson sagen zusammen mit dem ehemaligen Direktor der FAA, Joe Jacobsen, vor dem Senat über die Sicherheitskultur bei Boeing aus.
Bild: IMAGO/ABACAPRESS

Ein ehemaliger und ein aktueller Mitarbeiter des Flugzeugbauers Boeing haben vor dem US-Senat ausgesagt. Sie zeichnen ein schlechtes Bild von der Sicherheitskultur des Unternehmens. Boeing widerspricht von aussen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Sam Salehpour, langjähriger Ingenieur bei Boeing, wiederholt in einer Anhörung vor dem US-Senat, der Flugzeughersteller gehe bei der Sicherheitsprüfung nicht genug präzise vor. 
  • Ein ehemaliger Boeing-Angestellter, der jetzt für die Flugsicherheitsbehörde FAA arbeitet, beschuldigt das Unternehmen, Sicherheitsmängel zu vertuschen.
  • Boeing hat die Teilnahme am Senats-Hearing verweigert, weist die Vorwürfe aber von aussen dezidiert zurück.

Eine Tür fliegt mitten im Flug weg, ein Rad löst sich nach dem Start, eines kurz davor. Boeing macht seit Monaten mit Sicherheitsmängeln Schlagzeilen.

Am Mittwoch ist ein Boeing-Ingenieur vor dem Kongress aufgetreten. Sam Salehpour ist der Whistleblower, der über die Medien verlauten liess, der Flugzeug-Hersteller stelle Effizienz über Sicherheit.

«Halt die Schnauze!»

Vor dem Senat wiederholt er seine Vorwürfe. Nicht nur hatte er mehrere Produktionsverfahren beobachtet, die nach seiner Ansicht die Sicherheit der Flugzeuge beeinträchtigten. Er habe diese Mängel auch wiederholt seinen Vorgesetzten mitgeteilt.

Statt die Verfahren zu prüfen, hätten ihm seine Chefs gesagt, er solle «keine Verzögerungen verursachen und die Schnauze halten.» Einige Medien zitieren Salehpour auch mit der Aussage: «Mein Chef sagte: ‹Ich hätte jemanden umgebracht, der das gesagt hätte, was Sie in einer Besprechung gesagt haben.›»

Konkret wirft Salehpour Boeing vor, das Zusammenfügen verschiedener Rumpfteile nicht genügend sorgfältig und mit den nötigen Sicherheitskontrollen durchzuführen. Er habe gesehen, wie Arbeiter auf Teile gesprungen seien, um sie zusammenzufügen. «Details von der Grösse eines Haars können über Leben und Tod entscheiden», betont er vor dem Senat.

Sein zentraler Vorwurf lautet, dass Boeing Sicherheits-Abläufe verkürzt habe, um die Produktion zu beschleunigen. Damit bestehe die Gefahr, dass Boeing 787 in Verkehr gesetzt würden, die nicht sicher sind.

Boeing wehrt sich

Boeing hat die Teilnahme am Hearing verweigert. Da die Vorwürfe Salehpours aber bereits vorher publik geworden sind, hat Boeing auch schon darauf reagiert. So sagte Chef-Ingenieur Steve Chisholm, dass 671 Maschinen des Typs 787 ihre Inspektionen nach sechs Betriebsjahren absolviert hätten und bei keinem Flugzeug Probleme festgestellt worden seien.

Auch eine 787, bei der von 2010 bis 2015 die Belastung von 165'000 Flügen simuliert worden sei, habe keine Anzeichen von Materialermüdung am Rumpf gezeigt. Die FAA habe die Ergebnisse der Untersuchungen abgesegnet.

Eine weitere Boeing-Vertreterin hält dagegen, der Flugzeugbauer sei bei der Entwicklung der 787 extrem vorsichtig gewesen. Die Vorgabe für die Spaltmasse sei strikter festgesetzt worden, weil es das erste Flugzeug mit einem Rumpf aus Verbundmaterialien gewesen sei.

Ex-Angestellter übergibt Dokument dem FBI

Eine Überraschung hält ein anderer ehemaliger Boeing-Angestellter für den Senat bereit: Seit Wochen versuche das National Transportation Safety Board NTSB, das Unfälle im Flugverkehr untersucht, von Boeing zu erfahren, wer die Tür montiert hat, von der beim Flug der Alaskan Airlines ein Teil weggerissen worden war. Boeing habe gemeldet, sie hätten diese Information nicht.

Ed Pierson, früher für Boeing tätig, heute für die internationale Foundation for Aviation Safety FAA, sagt, er habe ein Dokument erhalten, in dem stehe, wer dafür verantwortlich sei. Er habe dieses Schriftstück an das FBI weitergegeben.

Pierson geht in seiner unter Eid gemachten Aussage dann noch weiter und bezeichnet das Vorgehen Boeings mit dieser Angelegenheit als «kriminelle Vertuschung». Nach der Anhörung im Senat sagt Pierson zum Magazin Politico, er habe noch mehr Dokumente. 

Boeing überprüft sich selbst

Ein Teil des Problems ist laut den zwei Vertretern der FAA vor dem Senat, dass Boeing einen grossen Teil ihrer Arbeit selber zertifiziere. Sie tue das unter der Überwachung der FAA. Die Flugsicherheitsbehörde habe aber nicht die Ressourcen, um den Flugzeugbauer in all den angewendeten Technologien überwachen zu können.

Der republikanische Senator Ron Johnson sagt nach der Anhörung: «Letztendlich möchte ich, dass die Öffentlichkeit zuversichtlich ist, wenn sie in ein Flugzeug steigt. Aber ich muss zugeben, dass diese Aussagen mehr als beunruhigend sind. Wir müssen uns Sorgen machen. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen.»