Windkraft-Anlage am Gotthard Biologe findet 69 tote Vögel unter Windturbine

smi

2.5.2024

Ein der fünf Turbinen des Windparks von AET auf dem Gotthard, in Betrieb seit Herbst 2020.
Ein der fünf Turbinen des Windparks von AET auf dem Gotthard, in Betrieb seit Herbst 2020.
KEYSTONE

Ein Biologe hat 2021 an einem Windrad auf dem Gotthard 69 tote Vögel gefunden, darunter gefährdete Zugvogelarten. Laut Bund sind Windturbinen für Vögel nicht existenzgefährdend.

smi

2.5.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Biologe Stefan Werner von der Vogelwarte Sempach hat 2021 an einer Windturbine auf dem Gotthard 69 tote Vögel gefunden.
  • Betreiber AET im Besitz des Kantons Tessin hat darauf ein Monitoring eingerichtet. Dieses hat pro Turbine 10 tote Vögel pro Jahr gezählt.
  • Der Bund hält fest, dass pro Jahr bis zu 36 Millionen Vögel durch Hauskatzen, Glasscheiben oder im Verkehr sterben. Windparks seien im Vergleich dazu ein kleines Problem.

Der Biologe Stefan Werner, tätig für die Vogelwarte Sempach, findet unter einem Windrad am Gotthard 69 tote Vögel. Sein Arbeitgeber meldet die massive Ansammlung von Kadavern dem Bund, dem Betreiber des Windparks AET und dessen Besitzer, der Kanton Tessin. Das war im Juni 2021, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.

Der Windpark am Gotthardpass ist eine der ersten grösseren Anlagen dieser Art in den Alpen. Er liefert über das ganze Jahr so viel Energie, wie 4000 bis 5000 Haushalte im gleichen Zeitraum brauchen.

Die Vogelwarte Sempach hat die Öffentlichkeit nicht gesucht. In ihrer Zeitschrift beschreibt sie den Vorfall im April 2023 ohne den Ort zu nennen. Aber sie führt die Arten der toten Vögel auf: Hauptsächlich seien es Zugvögel, darunter gefährdete und potenziell gefährdete Arten wie Fitis, Neuntöter und Schafstelze.

Diese Arten fliegen im späten Frühling in den Norden. Die Expert*innen der Vogelwarte vermuten, dass die gefundenen toten Vögel im Mai und Juni Opfer des Windrads geworden sind.

Wie viele Vögel sterben an Windrädern?

Wie viele Vögel Windparks zum Opfer fallen, ist eine wichtige Frage in der Diskussion um solche Anlagen. Der Bund schätzt, dass pro grosse Anlage und Jahr 20 Vögel umkommen, aktuell insgesamt rund 1000. Die Zahl stützt sich laut «Tages-Anzeiger» auf einer Studie aus dem Jahr 2016 und einer Erhebung der Opferzahlen eines einzigen Windkraftwerks im Jura. 

AET hat das Angebot der Vogelwarte Sempach eines Schlagopfer-Monitorings nicht angenommen. Stattdessen führt es selber ein solches durch. Das vorläufige Ergebnis: Pro Jahr und Windturbine haben die Zuständigen 10 Vogelopfer gezählt. Werners Fund kommt in ihrer Statistik nicht vor, da ihre Untersuchung damals noch nicht begonnen hat.

Der Windpark auf dem Gotthard verfügt laut AET über einen Kollisionsradar. Dieser erkennt Vogelschwärme und stoppt die Turbinen, wenn sie sich solche nähern. 130 Stunden seien die Windräder deswegen stillgestanden, bei einer durchschnittlichen Betriebsdauer von 8000 Stunden pro Jahr. Die definitiven Ergebnisse will AET erst nach dem 9. Juni bekannt geben.

Bund: Windparks nicht die grösste Gefahr für Vögel

Am 9. Juni kommt das Stromgesetz zur Abstimmung, das einen starken Ausbau von Solar- und Windkraft-Anlagen vorsieht. Gegner der Windkraft bringen auch den Vogelschutz als Argument gegen die stets prominent platzierten Rotoren vor.

Geht es nach den Plänen des Bundes stehen in der Schweiz dereinst 200 Windkraft-Anlagen. Sterben an ihnen jährlich so viele Vögel wie Werner am Gotthard eingesammelt hat, wären es knapp 14'000.

Die Lobby-Organisation der Windenergie-Gewinnung, Suisseéole, zitiert Zahlen des Bundes wonach jährlich 36 Millionen Vögel durch menschliche Aktivitäten getötet würden. 30 Millionen davon allein durch Hauskatzen, 5 Millionen nach Kollisionen mit Glasscheiben und eine Million im Verkehr. 

Im Vergleich dazu nimmt sich der Vogelschlag durch Windturbinen bescheiden aus. Die Frage bleibt, ob auf Alpenpässen platzierte Windparks  für gefährdete Zugvögel doch ein besonders grosses Risiko darstellen. 

Stefan Werner erklärt, dass bei Vögeln mit langer Lebensdauer, aber geringer Fortpflanzungsrate wie Uhu, Rotmilan oder Bartgeier, schon wenige Todesfälle pro Jahr reichen können, dass diese aus gewissen Gebieten verschwinden.