Meyers LiebesklinikHabe ich meine beste Freundin für immer an ihren Freund verloren?
Bruno Bötschi
28.4.2024
Flavia (37) hat kaum mehr Kontakt zu ihrer besten Freundin, seit die einen neuen Freund hat. Als Single war die Frau immer viel unterwegs. Soll die blue News-Leserin ihre Freundin darauf ansprechen oder sein lassen?
Das Thema der fünften Kolumne: Beste Freundin für immer an ihren Freund verloren?
blue News-Leserin Flavia aus Zürich hat kaum mehr Kontakt zu ihrer besten Freundin, seit die einen neuen Freund über Tinder gefunden hat. Als Single war die Frau megaviel unterwegs, unkompliziert und selbstständig.
Meine beste Freundin hat sich vor zwei Jahren auf Tinder verliebt. Sie schwebt seither auf Wolke sieben.
Wir sind eine befreundete Vierer-Clique, die nun auseinanderzubrechen droht. Wenn wir sie zu sehen bekommen (was selten der Fall ist), redet sie nur über ihn, ihr ganzes Leben dreht sich nur um ihren neuen Freund.
Anfangs haben wir noch gedacht, das lege sich mit der Zeit, nachdem die ersten Schmetterlinge im Bauch verflogen sind.
Ihre ganze Welt dreht sich nur um seine. Wollen wir abmachen, checkt sie seinen Kalender ab. Und sie meldet sich nie von sich aus.
Ich bin enttäuscht. Sie war als Single megaviel unterwegs, unkompliziert, selbstständig und immer für uns da. Soll ich sie ansprechen oder sein lassen?
Einerseits ist es schön für deine Freundin, dass sie ihr Glück gefunden hat – und nach zwei Jahren immer noch so begeistert ist. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass Menschen sich sozial spürbar zurückziehen, wenn sie eine neue Partnerschaft eingehen.
Zur Person: Thomas Meyer
Bild: Joan Minder
Schriftsteller, Drehbuchautor – und Coach in Beziehungs- und Liebesfragen: Thomas Meyer, Jahrgang 1974, berät neu die Leser*innen von blue News bei Liebeskummer und Beziehungsproblemen.
Das Bedürfnis nach Spass, Nähe, Geborgenheit und Anerkennung wird schliesslich nun zur Hauptsache dort gestillt. Singles sind deshalb so aktiv und umgänglich, weil sie zu Hause niemanden haben, um diese Bedürfnisse zu befriedigen.
Andererseits ist es doch etwas merkwürdig, wenn jemand die wenige Zeit, die mit der alten Clique verbracht wird, jedes Mal nur dazu nutzt, vom neuen Partner zu schwärmen.
Ihr habt ja mittlerweile gewiss verstanden, dass es sich um einen tollen Hecht handelt, und möchtet wieder mal über etwas anderes mit ihr reden.
Das soziale Verhalten ist aus dem Gleichgewicht geraten
Es scheint, als wäre bei eurer Freundin das soziale Verhalten ziemlich aus dem Gleichgewicht geraten. Alles konzentriert sich auf diesen einen Menschen. Das ist für euch nervig – aber für sie ist es ein echtes Problem. Sie macht ihren Partner damit zu gross und sich selbst in der Folge zu klein.
Das zeigt sich daran, dass die beiden offenbar keinen gemeinsamen Kalender haben, den sie prüft, wenn sie mit euch abmachen will, sondern nur seinen. Eure Freundin kommt allem Anschein nach gar nicht mehr auf die Idee, sich Zeit für sich zu nehmen und ihren Partner darüber zu informieren.
Womöglich fürchtet sie seine Reaktion.
Es ist auch in einer stabilen und harmonischen Beziehung wichtig, ein eigenes Leben mit eigenen Leuten zu haben – eigentlich macht genau das die Beziehung erst stabil und harmonisch. Zieht man sich komplett zurück, wird man zu einer immer seltsameren zweiköpfigen Kreatur. Oder wie im Fall eurer Freundin, zum Sektenmitglied.
Wie immer und überall ist auch hier offene Kommunikation der Schlüssel. Am besten rufst du deine Freundin an und sagst ihr, was du beobachtest (dass sie sich sehr stark zurückgezogen hat, dass ihr Leben nur noch um ihre Beziehung kreist), wie das auf dich wirkt (sachlich!) und worum du sie bittest (konkrete Bitten wie «Jeden ersten Freitag im Monat abmachen» sind besser als abstrakte Wünsche wie «Mehr sehen»).
Wenn sie das nicht animiert, ihr Verhalten zu ändern, müsst Ihr akzeptieren, dass eure Clique ein Mitglied verloren hat. Dann sind ihr die Beziehung und die Sicherheit, die sie dort findet, wichtiger als alles andere und alle anderen. Gesund ist das nicht. Aber es ist wenigstens eine klare Ansage.
Also: Unbedingt ansprechen – und dann je nach Reaktion tatsächlich sein lassen.
PS: Ja, ich schreibe an einer «Wolkenbruch»-Fortsetzung, aber es wird noch eine Weile dauern, bis du sie sehen kannst. Danke für dein Interesse.
* Name der Redaktion bekannt.
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