Newcomerin Cachita «Der Schweizer Rap muss seine Hausaufgaben machen»

Von Manuel Kellerhals

6.5.2022

Rapperin Cachita: «Wenn ich auf Schweizerdeutsch texte, bin ich emotional»

Rapperin Cachita: «Wenn ich auf Schweizerdeutsch texte, bin ich emotional»

Cachita ist ein Name, den man sich als Schweizer Latin- und Rap-Fan merken muss. Im Interview spricht die Newcomerin über ihre Wurzeln, Unterschiede zwischen Spanisch und Schweizerdeutsch und Sexismus in der Rap-Szene.

10.05.2022

Cachita ist ein Name, den man sich als Schweizer Latin- und Rap-Fan merken muss. Im Interview spricht die Newcomerin über ihre Wurzeln, Unterschiede zwischen Spanisch und Schweizerdeutsch und Sexismus in der Rap-Szene. 

Von Manuel Kellerhals

Die Zürcherin Cachita, 22, würde in ihrer Musik eigentlich lieber «Herzschmerz und Liebe» thematisieren als sexistische Rapper, wie sie selbst verrät. Weil sie aber am SRF-Virus-Cypher Zweites so kreativ und gnadenlos machte, ging sie viral. Vor allem, weil Aussagen ihrer männlichen Kollegen gleichzeitig für einen Shitstorm sorgten.

Dein Auftritt beim SRF-Virus-Cypher wurde bisher mehr angeklickt als jeder andere Beitrag. Wie fühlt sich das für dich an?

Es ist ein unglaubliches Gefühl – vor allem, weil ich das nicht erwartet habe. Nie hätte ich gedacht, dass ich so viele Rückmeldungen erhalten würde. Das bedeutet mir sehr viel.

Wie sahen diese Rückmeldungen aus? Und vom wem hast du sie bekommen?

Es sind vor allem viele Frauen, die mir geschrieben haben. Sie sagten, dass sie froh sind über meinen Auftritt. Ich habe realisiert, dass viele sich wünschten, dass endlich eine Frau kommt, die genau das sagt, was sich alle denken. Sie haben sich bei mir bedankt, dass ich die Probleme der Szene ausgesprochen habe. Es haben sich auch Männer gemeldet, die mir Respekt zollten. Auch sie freuen sich über mehr Frauen-Power im Schweizer Rap.

Der Cypher löste wegen einigen Aussagen deiner Kollegen eine Debatte über Sexismus und Homophobie im Schweizer Rap aus. Was denkst du darüber?

Ich finde, es ist eine Diskussion, die endlich stattfinden muss. Ich habe erst im Nachhinein gesehen, was so gesagt wurde. Am Cypher selbst fällt einem das nicht auf. Es sind so viele Leute dort und man muss auch den Kontext verstehen. Die problematischen Sätze stammen aus insgesamt sechseinhalb Stunden Rap. Gleichzeitig macht das die Aussagen nicht weniger schlimm. Schweizer Rap muss jetzt seine Hausaufgaben machen. Jeder Künstler muss sich mit seinen eigenen Texten und der Verantwortung, die man hat, auseinandersetzen.

Warum hast du dich schon im Vorfeld dafür entschieden, über sexistische Rapper zu texten?

Ich habe lange überlegt, was ich rappen soll, weil ich würde mich sonst inzwischen eher als Sängerin bezeichnen. Ich singe vor allem über Liebe und Herzschmerz, nicht gerade Themen für ein Rap-Cypher. Deshalb habe ich mich entschieden, dass das genau der Ort ist, an dem ich auch mal eine andere Seite von mir zeigen kann. Alles, was ich in meinem Text geschrieben habe, sind Dinge, die mir an der Szene aufgefallen sind. Ich behandelte Seiten von Künstlern, die ich selbst so erlebt habe.

Wie fühlst du dich allgemein als Frau in der Schweizer Rapwelt?

Mit den Künstlern oder Produzenten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, hatte ich bislang keine negativen Erfahrungen. Es gibt viele, die sich freuen, dass jetzt eine Frau kommt und das Mikrofon in die Hand nimmt. Auch am Cypher selbst haben alle geklatscht, als ich aus dem Studio lief. Aber es ist leider so, dass es mehrere Künstler gibt, die sexistisch sind oder nicht mit einem Nein umgehen können. Ich habe auch schon Feature-Anfragen gekriegt und als ich dann abgelehnt habe, wurde ich beleidigt.

Du erfüllst in deinen Videos manchmal auch selbst das Rap-Klischee und posierst mit dicken Autos und in Luxus-Villen. Muss man das als Rapperin?

Natürlich muss man das nicht unbedingt. Ich selbst wollte dieses Rumgeprotze in meinem Video «Pabla» auch ein wenig auf die Schippe nehmen. Ich sage in dem Song, dass die Männer gerne auf «Pablo» machen und posieren als wären sie Pablo Escobar. Dann bin ich eben halt die Pabla.

Spulen wir mal zurück: Wie kamst du überhaupt zur Musik?

Ich bin durch meine kubanischen Wurzeln mit Latin-Musik aufgewachsen. Auf Kuba ist es normal, dass den ganzen Tag überall Musik läuft. Mit Rap in Berührung kam ich durch meine grosse Schwester. Sie ist neun Jahre älter als ich und in meiner Kindheit habe ich mit ihr immer MTV geschaut. Das hat mich geprägt.

Und wann hast du entschieden, dass du selbst Musik machen willst?

Ich kannte nie etwas anderes. Ich war im Kinderchor und habe mehrere Instrumente gelernt. Als ich älter wurde, habe ich dann damit begonnen, meine eigenen Texte und Lieder zu schreiben. Wenn ich andere Künstler auf einer Bühne sah, habe ich mir selbst gesagt: Das kann ich auch.

Du singst auf Spanisch, Englisch und Schweizerdeutsch. Wie unterscheiden sich die Sprachen beim Musikmachen?

Auf Schweizerdeutsch bin ich meistens eher ein wenig emotionaler beim Texteschreiben. Dort singe ich lieber über die Liebe und zeige meine Gefühle. Spanisch steht für mich eher für Spass, Party und Tanzen. Wenn ich einen Beat höre, kann ich meistens schnell entscheiden, in welcher Sprache ich singe. Das geht nicht mit dem Kopf, das habe ich im Gefühl.

Wovon lebst du neben der Musik?

In meinem beruflichen Leben bin ich einerseits bei einer Werbefirma als Mediamatikerin angestellt. Ab April arbeite ich ausserdem für das SRF und werde ab Juni für SRF Virus moderieren. Da freue ich mich sehr darauf.

Wie kamst du zu deinem SRF-Job?

Durch meine Auftritte bei Formaten wie «Battle Mansion» oder «Enter the Circle» konnte ich erste Kontakte knüpfen. Dann wurde ich angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Moderatorin zu werden. Ich habe bereits in meiner Ausbildung etwas moderiert und rede allgemein extrem gerne. Deshalb habe ich mich beworben und das hat geklappt. Meine eigene Musik werde ich glücklicherweise aber nicht anmoderieren müssen. Im Radio werde ich als Gabriela zu hören sein und nicht als Cachita.

Zum Schluss: Welche Ziele verfolgst du mit deiner Musik?

Ich träume davon, über die Landesgrenze hinaus Erfolg zu haben. Mit meinen Liedern will ich auch die spanisch-sprechende Welt erobern. Besonders schön wäre es, auch in meiner zweiten Heimat Kuba auf der Bühne zu stehen. Ich habe so viele Einflüsse von dort übernommen, es wäre ein Traum von mir, sie wieder zurückzubringen und den Kreis zu schliessen.