«Kälteblob» vor Grönland Sorgt diese eiskalte Klimazone für Hitzesommer in Europa?

Christopher Schmitt

4.4.2024

Südlich von Grönland im Nordatlantik ist das Wasser eiskalt. 
Südlich von Grönland im Nordatlantik ist das Wasser eiskalt. 
Bild: Donald Slater/Universität Bremen/dpa (Archivbild)

Die vergangenen Sommer ächzte Europa unter Hitzewellen mit drastischen Folgen. Eine neue Studie legt nahe, dass dafür ausgerechnet eine kalte Klimaregion südlich von Grönland mitverantwortlich sein könnte.

Christopher Schmitt

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  • Der Klimawandel schreitet voran, die Sommer in Europa werden immer heisser.
  • Eine neue Studie befasst sich mit dem Einfluss einer rätselhaften Klimazone auf Hitzewellen.
  • Paradoxerweise wird die Region «Kälteblob» südlich von Grönland tendenziell eher kälter.
  • Allerdings hat der Kältefleck möglicherweise Einfluss auf die Ozeanströmung sowie die Luftzirkulation und könnte die Hitze im Sommer begünstigen.

Die Sonne brennt regelmässig und unerbittlich, die hohen Temperaturen tun im Sommer ihr Übriges: Seit 2022 sind die Schweizer Gletscher um rund zehn Prozent geschrumpft. Niederschläge nehmen ab, Dürren häufen sich, der Klimawandel schreitet voran.

In anderen Ländern Europas fallen die Folgen heisser Sommermonate noch weitaus dramatischer aus: Während das Thermometer im vergangenen Juli in Italien auf bis zu 46 Grad kletterte, hatte Griechenland im letzten August mit den schwersten Waldbränden seit 15 Jahren zu kämpfen. Über 60'000 Menschen sind im Jahr 2022 in Europa an den Folgen extremer Hitze gestorben. Um 2,3 Grad hat sich der Kontinent laut Weltmeteorologiebehörde (WMO) seit der Industrialisierung erwärmt – so schnell wie kein anderer Erdteil.

Jeweils Kälteanomalie vor den zehn wärmsten Sommern

Eine neue Studie gibt nun Hinweise darauf, warum insbesondere die europäischen Sommer immer extremer ausfallen. Nicht nur sie identifiziert eine wesentliche Ursache kontinentaler Hitzewellen im Nordatlantik, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Es handelt sich um eine rätselhafte Region südlich von Grönland, die als «Cold Blob» («Kälteblob») bekannt ist. Das Besondere: Im Gegensatz zum Rest der Weltmeere wird diese Zone nicht wärmer, sondern in der Tendenz kälter.

Der Kältefleck wurde deshalb von einem Team des National Oceanography Centre in Grossbritannien genauer unter die Lupe genommen. Dabei fiel den Forscher*innen ein Mechanismus auf, der zumindest teilweise eine Erklärung für die Sommerhitze liefern könnte.

Schmelzwasser aus Grönland beeinflusst den Atlantik

Da der grönländische Eisschild immer mehr abschmilzt, ist das Wasser im Süden Grönlands nicht nur überraschend kalt, sondern auch weniger salzig als im Atlantik üblich. Die Schmelze sorgt für den Zufluss von etwa 3'000 Kubikkilometer Süsswasser von der Insel in die See. Dieses Süsswasser ist leichter als das salzigere Wasser und lagert sich demnach an der Meeresoberfläche ab. Daraus resultiert ein stark eingeschränkter Austausch mit tieferen Wasserschichten.

Die Kälteanomalie erklärt sich zudem durch die kältere Luft im Winter, die den Frischwasserfleck besonders stark abkühlen lässt – ein Phänomen, das bereits länger bekannt ist sowie als Hauptursache für eine mögliche Abschwächung der Atlantischen Umwälzströmung (Amoc) diskutiert wird. Offenbar wird das aus dem Süden in die Region einfliessende Wasser ausgebremst.

In die Analyse der Wissenschaftler*innen flossen die Wetterdaten der vergangenen 40 Jahre ein. Das Ergebnis: Im Vorfeld der zehn wärmsten Sommer in Europa liess sich stets eine starke Kälteanomalie südlich von Grönland ausmachen.

Die Erstautorin Marilena Oltmanns, deren Studie im Fachmagazin «Weather and Climate Dynamics» publiziert wurde, betont gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Die Behinderung des Wärmeaustauschs wirkt sich aber nicht nur auf die Ozeanströmung aus, sondern auch auf die Luftzirkulation.» So führe das Süsswasser zu Bedingungen, «in denen sich Stürme leichter entwickeln können».

Kettenreaktion sorgt für Verschiebung der Ströme

So kann man die stärkeren Winde im Atlantik als Ausgangspunkt einer Kettenreaktion verstehen: In deren Folge wird der Nordatlantikstrom, der Wärme aus subtropischen Regionen nach Europa bringt, nach Norden verschoben. Auch der Jetstream, der im darauffolgenden Sommer folgt, wird nach Norden abgelenkt.

Die kalte Polarluft wird auf diese Weise durch ein Band aus Höhenwinden von wärmeren, südlichen Luftmassen abgegrenzt. Schliesslich sorgt diese Ablenkung des Windbandes für den Zustrom wärmerer Luft nach Europa.

Die Wissenschaftler*innen halten in ihrer Arbeit zudem fest, dass sich in dieser Situation Hochdruckgebiete länger halten können. So könnten langwierige Hitzewellen, wie etwa Cerberus im vergangenen Juli, entstehen.