Bötschi fragtLara Stoll: «In dieser Stadt gab es viele erste Male für mich»
Von Bruno Bötschi
27.8.2023
Lara Stoll: «Ich mache mich jetzt an die Arbeit»
Slam-Poetin Lara Stoll zieht privat gerade um. Nach dem Interview mit Bruno Bötschi musste sie deshalb noch dringend in einem Möbelladen vorbeigehen. Vorher hinterliess sie dem blue News Redaktor noch eine kurze Video-Botschaft.
15.08.2023
Lara Stoll ist im Thurgau aufgewachsen, der Journalist auch. Ein Gespräch über Heimat und erste Male – und warum sich die 36-jährige Slam-Poetin wahrscheinlich schon bald einen Hund zulegen wird.
Von Bruno Bötschi
27.08.2023, 18:15
01.09.2023, 09:23
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Lara Stoll scheint auf der Bühne eine Alleskönnerin zu sein. Sie ist Schauspielerin, Slam-Poetin, Kabarettistin, Sängerin und DJ.
Was die heute 36-Jährige einst auf die Bühne trieb? «Irgendwie muss in mir eine Rampensau stecken, obwohl ich es privat überhaupt nicht bin», sagt sie.
Ein «Bötschi fragt» in dem über Heimat, Stolls Mutter und Vor- und Nachteile des Stadtlebens gesprochen wird.
Lara Stoll, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, sagst du einfach «weiter».
Ich bin in Frauenfeld aufgewachsen, verstehe es aber, wenn deine Antwort «Schaffhausen» lautet.
Ich wuchs in Rheinklingen TG auf. Von dort war ich innert 15 Minuten mit dem ÖV in Schaffhausen. Die Verbindung nach Frauenfeld hingegen war katastrophal. In Schaffhausen nahm ich zum ersten Mal an einem Poetry-Slam teil. In dieser Stadt gab es viele erste Male für mich.
Thur oder Rhein?
Rhein.
Thron oder Traktor?
Interessante Frage. Was wäre mit einem Thron auf dem Traktor? Eine schöne Vorstellung.
Am 5. September 2006 titelte das «St. Galler Tagblatt»: «Mit dem Traktor auf den Thron.» Es ist – laut meinen Recherchen – der allererste Zeitungsartikel über dich als Slam-Poetin. Erinnerst du dich?
Wahrscheinlich liegt dieser Artikel ganz zuunterst im Korb meiner Mutter. Zu Beginn meiner Karriere sammelte sie jeden Text, der über mich in der Zeitung erschienen ist.
Im September 2006 hast du den U20-Schweizer-Meisterschaft-Titel im Poetry-Slam gewonnen. Was trieb dich auf die Bühne?
Ich war 18, als ich in Schaffhausen am ersten Poetry-Slam teilgenommen habe. Der zweite Abend fand in Frauenfeld statt … was dich als Frauenfelder möglicherweise freuen wird. Ich schnitt beide Mal total schlecht ab. Die Schweizer Meisterschaften in St. Gallen waren mein dritter Auftritt und dort hat es zum ersten Mal funktioniert. Was mich einst auf die Bühne getrieben hat? Das kann ich dir ehrlich gesagt nicht sagen. Ich spielte als Teenagerin gern Theater. Irgendwie muss in mir also eine Rampensau stecken, obwohl ich es privat überhaupt nicht bin.
Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: blue News
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Wann kam die Sprache in dein Leben?
Im Alter von anderthalb bis zwei Jahren.
Warst du von klein auf eine Wortakrobatin?
Ich kann diesem Begriff nicht zustimmen. Und sollte ich heute eine Wortakrobatin sein, dann habe ich es mir antrainiert. Ich habe einen grossen Ehrgeiz und viel Lust, gewisse Dinge zu tun und beschäftige mich jeweils so lange mit einer Idee, bis sie funktioniert. Alles, was mit Schreiben zu tun hat, ist ein Prozess, den ich mir angelernt habe, nicht zuletzt durch ständiges Wiederholen.
Hast du Lieblingswörter?
Nein.
Zum Einstieg in dieses Interview will ich noch ein Geständnis loswerden: Je länger ich mich in den vergangenen Tagen mit dir und deiner Karriere befasst habe, desto grösser wurde meine Angst, …
… interessant …
… weil ich unbedingt verhindern möchte, dich mit Sauglattismus-Fragen zu langweilen.
Entschuldigst du dich bereits im Voraus für deine nächste Frage?
Was machst du, wenn du ideenlos bist?
Ich prokrastiniere. Das ist das Produktivste, was du in so einer Situation tun kannst. Ich empfehle das allen Menschen, die sich in einer Schreibkrise befinden. Es bringt meist nichts, sich an den Schreibtisch zu setzen, die Fäuste ballen und auf Ideen zuwarten. Vielmehr passiert es dann oft, dass die Zweifel noch grösser werden.
Kennst du Schreibblockaden?
Jein. Mein Tipp für solche Situationen: Entspannen, Joggen gehen, ein Konzert besuchen – ich setze mich erst dann, wenn ich eine Idee habe, an den Schreibtisch. Ich behaupte sogar, ich bin kreativer, wenn ich nicht arbeite. Ein Beispiel: Ich weiss, ich muss bis im Februar 2024 mein neues Bühnenprogramm erarbeitet haben. Aktuell habe ich jedoch absolut keine Ahnung, was ich präsentieren werde. Im nächsten halben Jahr habe ich deshalb ständig einen Notizblock oder meinen Computer dabei, um mögliche Ideen sofort aufzuschreiben.
Wie geht es danach weiter?
Anfang Winter werde ich mich für mehrere Wochen zurückziehen und mit dem Schreiben beginnen, also eine Idee nach der anderen abarbeiten.
Wir wollten uns heute Nachmittag eigentlich auf dem Aussichtspunkt Waid treffen und auf die Stadt Zürich hinunterschauen. Das Wetter machte uns jedoch einen Strich durch die Rechnung. Jetzt reden wir zusammen in der Olé Olé Bar an der Langstrasse. Fördert Weitsicht deine Kreativität?
Das ist ein schönes Bild. Ich sage deshalb ja.
Fördert die Stadt deine Kreativität?
Jein. Die Stadt kann die Kreativität fördern, gleichzeitig kann sie einen auch ablenken, die Reizüberflutung kann sogar krank machen. Das ist vielleicht aber nur bei mir so. Der Leistungsdruck, die Schnelllebigkeit und die hohen Wohnungspreise in Zürich können einen depressiv werden lassen. Gleichzeitig bin ich ein Mensch, der versucht, solche Herausforderungen in seinen Texten zu thematisieren. Aber für mich gilt: Kreativ sein funktioniert in der Ruhe besser, im Stadtlärm lauert zu viel Verzettlung für mich.
Wo schreibst du deine Texte?
Zum Schreiben verreise ich meist einige Wochen in ein schäbiges, «Shining»-mässiges Hotel. Mehr als ein sauberes Zimmer und ab und an etwas zu essen, brauche ich während dieser Zeit nicht. Und ganz wichtig: Ich darf nicht durch irgendwelche TV-Serien oder das Waschen der Wäsche abgelenkt werde.
Du bist Schauspielerin, Slam-Poetin, Kabarettistin, Sängerin und DJ: Ist meine Aufzählung vollständig?
Ich würde Slam-Poetin und Kabarettistin zusammennehmen und Performerin sagen.
Welcher von deinen Berufen fordert dich am meisten heraus?
Immer der, mit welchem ich gerade beschäftigt bin. Denn als Künstlerin gebe ich immer 100 Prozent, sonst müsste ich diesen Job nicht machen.
Welchen deiner Jobs würdest du am ehesten aufgeben?
Das Musikmachen sehe ich nicht als Job, sondern als extrem wichtiges Hobby und eine zeitintensive Leidenschaft, die meiner Psyche guttut. Mit der Musik lässt sich für mich aber kein Geld verdienen.
Du bist wie ich auf dem Land aufgewachsen. Für mich war als bereits Vierjähriger klar, dass ich einmal in die Stadt ziehen werde. Wie war das bei dir?
Wie du weisst, bin ich in der Pampa aufgewachsen. Umso grösser war meine Sehnsucht nach mehr Menschen, mehr Häuser und mehr Action. Ich bin, kaum verdiente ich mein eigenes Geld, sofort nach Winterthur gezogen. Später wohnte ich elf Jahre an der Langstrasse Zürich.
Über deine Heimat sagtest du einmal: «Der Thurgau ist für mich eine schmerzhafte Idylle. So schön, dass es fast ein bisschen wehtut. Perfekt gehegte und gepflegte Gärten, die dem grauen Anstrich der Doppelgaragen Paroli bieten.»
Dort, wo ich aufgewachsen bin, sieht es wirklich so aus.
Dein Lieblingsort in Rheinklingen TG?
Auf dem Rhein.
Wenn ein Tourist sich nach Rheinklingen verirren würde, was würdest du ihm als Erstes zeigen?
Den Erdbeer-Strauch meiner Mutter und den Rhein.
Warst du während der Schulzeit beliebt oder unbeliebt – und was hast du daraus gelernt?
Mein Wert in der Beliebtheitsskala drehte sich jeweils im Halbjahrestakt um 180 Grad. Es war eine schmerzhafte Erfahrung. Heute weiss ich: Kinder können brutal sein, Teenager*innen noch viel mehr. Ich glaube aber, da müssen wir Menschen durch, weil das Lektionen sind, die wir im Leben lernen müssen.
Willst du dich noch zum Thurgauer Dialekt äussern, der – trotz erfolgreichen Menschen wie dir und Mona Vetsch – zu den unpopulärsten des Landes gehören soll?
Das ist ein Gerücht. Ich bin ein Fan vom Thurgauer Dialekt und behaupte sogar: Es ist das neue Berndeutsch in der Musik. Thurgauerdeutsch ist cool.
Komiker Karpi erzähltest du während eures gemeinsamen «Babywalk» im März 2022, deine Psychotherapeutin habe dir empfohlen, täglich Sport zu treiben.
Ja, das hat sie.
Bist du ein Mensch, der gut gemeinte Ratschläge mit Akribie befolgt?
Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich mich richtiggehend in ein Thema rein-nerde. Diese Phasen sind leider aber meist auch ganz schnell wieder vorbei. Sport ist zudem etwas wahnsinnig Gemeines. Du wirst sofort bestraft, wenn du einige Tage nicht trainiert hast. Ach, es ist eine ewige Geschichte mit dem Sport …
Lieblingssport?
«Lieblingssport» ist schon fast ein Paradoxon. Ich sage: Baden.
Baden oder Schwimmen?
Baden.
Lieblingssportgerät?
Ich sitze gern auf einem Stand-up-Paddle-Brett und schaue auf verwilderte Uferzonen.
Lieblingsjoggingstrecke?
Ich weiss, während sportlichen Phasen erzähle ich oft megastolz in Interviews darüber, wo ich gerade joggen war. Zurzeit bin ich eine sportliche Niete. Die Strecke, die ich aktuell hin und wieder laufend absolviere, ist eine Runde um das Haus, wo ich zurzeit wohne. Wichtig zu wissen ist dabei: Ich will nicht aufs Velo steigen müssen, um irgendwo hinzufahren, bevor ich losrennen kann.
Warum nicht?
Ich bin zeitgeizig.
Unter uns gesagt: Wieso hat dir deine Psychotherapeutin geraten, täglich Sport zu betreiben?
Ich leide wie viele andere Menschen auch an Verspannungen im Rücken. So richtig erfolgreich waren meine Bemühungen bisher aber noch nicht. Ich kaufe mir demnächst Klebeband und hefte meine Schulterblätter so zusammen.
Ein ausgefallener Glücksbringer auf deinem Schreibtisch?
Ich besitze einen Obsidian-Stein, den ich hin und wieder um den Hals trage und ab und zu auch ins Bett nehme. Das tönt jetzt vielleicht komisch. Ich habe gelesen, Obsidian halte negative Energien von einem fern.
Wie geht es deinem Wunsch, dereinst Hundebesitzerin zu werden?
Eine Hundebox habe ich bereits, jetzt fehlt nur noch der Hund. Nachdem ich jahrelang versuchte, es nicht mehr zu tun, surfte ich kürzlich wieder einmal auf einer Website, über die Hunde vermittelt werden. Natürlich bin ich bereits nach wenigen Minuten fündig geworden und habe mich sogleich komplett in einen Corgi-Mischling verliebt. Danach schrieb ich sofort den Betreibern der Webseite und informierte mich darüber, wie man Hunde vom Tierheim abgeholt. Jetzt weisst du, wieso ich Besitzerin einer Hundebox bin.
Was ist mit dem Hund passiert?
Anderthalb Wochen, nachdem ich die Betreiber der Website angeschrieben hatte, wurde mir mitgeteilt, dass der Hund an eine Familie vermittelt worden sei. In dem Moment zerbrach ein Teil meines Herzens. Nun brauche ich einen Moment, um die Enttäuschung zu verarbeiten und mich vom Schock zu erholen.
Welche Rasse müsste es sein?
Ein Corgi fände ich toll, aber auch ein Dackel wäre schön. Aber ich bin da nicht festgelegt. Viel wichtiger als das Aussehen ist mir der Charakter des Hundes. Und es würde Sinn machen, wenn der Hund nicht zu gross ist. Wer mich kennt, weiss warum …
Darf dein Hund bellen?
Dürfen ja. Sollen nein.
Dann empfehle ich dir, einen Pudel zu kaufen, denn die bellen kaum und sie haaren nicht.
Echt? Das wusste ich nicht. Weisst du, ob es Pudel-Corgi-Mischlinge gibt?
Sorry, da muss ich passen. – Deine letzte Demo?
Weiter.
Bei welcher Schweizer Politikerin denkst du: Wow, die sollte viel mehr Macht haben?
Da gibt es einige. Sanija Ameti mag ich zum Beispiel sehr gern.
Bei welchen Schweizer Politikern geht dir, nur wenn du schon den Namen hörst, der Laden runter?
Natürlich könnte ich jetzt einige Namen nennen. Ich finde es jedoch schwierig, Politiker so öffentlich zu diskreditieren. Die Lesenden dieses Interviews können sich sicher vorstellen, welche Leute ich meine.
Wann hast du dich zuletzt über deine eigene Ahnungslosigkeit geschämt?
Ich finde das eine megaspannende Frage. Ich denke, jeder Mensch kennt solche Momente. Gleichzeitig muss ich feststellen, dass ich in einer Bubble lebe, in welcher die Interessen sehr ähnlich sind. Aber zurück zu deiner Frage: Beim Thema Flachdächer habe ich keine Ahnung.
Wie geht es deiner Ungeduld?
Es geht ihr gut. Punkt.
Wie ist es, als Frau in einer von Männern dominierten Welt aufzuwachsen?
Ermüdend, aber es wird langsam besser.
Was braucht es, um reale Gleichberechtigung zu erlangen?
Vermutlich braucht es Männer in Chef-Positionen, die pensioniert werden. Es braucht eine nächste Generation, die die Gleichberechtigung motiviert vorantreibt. Und es braucht junge Männer, die bereit sind, Teilzeit zu arbeiten. Leider lassen dies die Wirtschaft und die Politik nach wie vor oft nicht zu. Aber ich bin guter Hoffnung, dass in nächster Zeit etwas passieren wird.
Deine Schätzung bitte: Das Ablaufdatum des Patriarchats?
Wie gross ist der Frust, dass es die Verantwortlichen von der Comedy-Abteilung des Schweizer Fernsehen SRF bis heute nicht geschafft hat, eine Sendung mit einer Komikerin als Headlinerin zu lancieren?
Ich finde es schade, weil es eine verpasste Chance ist. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass langsam etwas geht. Und darum: Statt frustriert zu sein, lohnt es sich weiterzuarbeiten. Zudem möchte ich die Verantwortlichen beim SRF nicht nochmals in den Senkel stellen. Das war auch nie unsere Idee.
Dein weibliches Vorbild?
Ich mag Patty Smith sehr und Hildegard Knef. Ich muss dazu allerdings sagen: Meinen Vorbildern möchte ich nicht mit meiner Tätigkeit nachstreben. Ich mag es einfach, wenn Frauen ihr Ding durchziehen und durch Wände gehen, egal, was andere dazu sagen.
Dein männliches Vorbild?
Andrew Geoffrey «Andy» Kaufman.
Sorry, den kenne ich nicht.
Kaufman war ein US-amerikanischer Entertainer und Performance-Künstler, der erfolgreich Dada-Kunst gemacht hat, obwohl oft niemand wusste, warum es viele Menschen lustig fanden. Ein völlig durchgeknallter Typ. Trotz seiner seltsamen Bühnennummer schaffte es Kaufman irgendwann, Mainstream zu sein. Wenn du mehr über ihn erfahren willst, empfehle ich dir den Spielfilm «Man on the Moon» von Regisseur Miloš Forman. Es ist die Verfilmung von Kaufmans Leben. Jim Carrey spielt darin die Hauptrolle.
Welches Buch liest du gerade?
Gerade lese ich den Roman «Bild ohne Mädchen» von Sarah Elena Müller. Ich muss dazu sagen, ich bin eine extrem langsame Leserin.
Gibst du gern Interviews?
Ich hasse Interviews.
Schon einmal ein Interview abgebrochen?
Noch nie. Interviews geben gehört zu meinem Job als Künstlerin. Irgendwann kommst du einfach nicht mehr drumherum. Ich hoffe jetzt aber, dass der Satz «Ich hasse Interviews» nicht die Schlagzeile für unser Gespräch wird.
Im November 2021 sagtest du im «Tages-Anzeiger»: «Es ist extrem, ich gebe die ganze Woche Interviews, gestern musste ich mich deswegen sogar übergeben.»
Ich nenne dies die Medien-Vielfalt-Diät, die ich damals unabsichtlich gemacht habe. Du musst dir das so vorstellen: Ich gewann damals den Salzburger Stier, während wir mitten in der Coronapandemie steckten. In der Folge dachte ich mir, ich muss alle Medienanfragen beantworten, sonst habe ich im darauffolgenden Sommer, falls es mit Bühnenauftritten wieder losgehen sollte, keine Chance, die Säle zu füllen. Jemand, der nicht Künstler*in ist, kann sich nicht vorstellen, wie anstrengend es sein kann, so viele Interviews nacheinander zu geben. Ich verlor damals innert weniger Tage vier Kilos und am Ende musste ich mich übergeben.
Welche Frage oder Fragen möchtest du nicht mehr beantworten?
Alles, was mit dem Thurgau zu tun hat.
Oh.
Heute nahm ich diese Frage easy. Ich dachte bereits im Vorfeld, dass sie kommen werden und darum … ach, ich bin gerade im Frieden mit meiner Heimat. Ich war ein paar Tage in den Ferien dort und badete im Rhein.
So grundsätzlich: Wie sieht es in unserem Land mit dem Kabarett- und Comedian-Nachwuchs aus?
Viel besser als auch schon. Nach dem Poetry-Slam-Hype konnte sich in den letzten Jahren eine Stand-up-Comedian-Szene entwickeln. Ich finde es zudem cool, dass auch immer mehr Frauen auf der Bühne stehen.
Wirklich wahr, dass die Comedy-Szene in der Schweiz nicht den besten Ruf hat?
Wer sagt das?
Ein Arbeitskollege, der selber einst als Stand-up-Comedian tätig war.
Natürlich ist noch nicht alles gut. Die Szene ist erst kürzlich aus den Kinderschuhen entwachsen. Dazu muss man wissen, dass es diese Art von Komik in der Schweiz – im Gegensatz zu den USA, England und Deutschland – noch nicht so lange gibt. Ich bin aber überzeugt: Es kommt gut.
Zum Schluss nenne ich dir vier Lara-Stoll-Sätze, die ich in den Medien gefunden habe und du sagst, was sie bedeuten: «Was mein eigenes Leben betrifft, so entscheide ich alles diktatorisch. Ich bin selbstständig erwerbend und emanzipiert – das koste ich voll und ganz aus.»
Ich bin meine eigene Chefin und muss auf keinen Menschen hören, der mir sagt: Mach dies oder mach das nicht. Ich darf mein Leben selbstständig auf der Spitze der Selbstverwirklichungs-Pyramide führen. Und das ist absolut fantastisch.
«Wenn ich es von Samstag auf Sonntag noch nach Zürich schaffe, gehe ich in den Club meiner Freunde und betreibe dort etwas, das ich ‹Hirn-Hygiene› nenne.»
(Lacht) Komme ich nach einem Gig nach Hause, gehe ich oft noch in die «Zukunft». Dort kenne ich ganz viele Leute. Ich hocke mich dann jeweils hin …
… du tanzt nicht?
Meistens setze ich mich in den Backstage-Bereich, trinke ein Bier, rede mit den Angestellten und komme so wieder etwas runter. Später gehe ich meist noch etwas tanzen. Das Loslassen nach einem Auftritt ist etwas ganz Wichtiges für mich – also die Kontrolle zu verlieren, die ich davor auf der Bühne den ganzen Abend haben musste. Ich mag es, mich nach einem Auftritt fallen zu lassen, ohne viel denken zu müssen.
Im Internet verkaufte ich Joints, um so ein Filmprojekt finanzieren zu können. Das Angebot war als Witz gemeint. Ich schaffte es damit aber auf die Titelseite von «20 Minuten». Seither haben gewisse Menschen das Gefühl, ich sei ständig am Kiffen. Mehr will ich dazu nicht sagen.
«Als Slam-Poetin ist man immer nur so gut wie der letzte Satz.»
Habe ich das wirklich gesagt?
Nein.
Test bestanden.
Der Satz stand in einem Porträt über dich, welches in der «Annabelle» erschienen ist. Bleibt die Frage: Stimmt die Aussage oder nicht?
Ich muss kurz überlegen … also meine letzten Sätze sind nicht unbedingt meine allerstärksten Sätze. Einen Schluss zu finden, ist meiner Ansicht nach etwas vom Schwierigsten überhaupt.
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