Bötschi fragt Esteriore Brothers (Teil 2) «Der Krebs machte uns Brüdern bewusst: Das Leben ist nicht unendlich»

Von Bruno Bötschi, Laufen BL

30.4.2024

Die Esteriore Brothers erobern musikalisch die Welt

Die Esteriore Brothers erobern musikalisch die Welt

Lange wollte niemand etwas von den singenden Brüdern aus Laufen BL wissen – bis ihre Videos mit A-cappella-Versionen von Italo-Hits im Netz weltweit viral gingen. Seither sind die Esteriore Brothers in über 20 Ländern aufgetreten.

16.04.2024

Die Videos der Esteriore Brothers werden im Netz millionenfach angeklickt. Hier sprechen Amedeo, Gabriele, Mimmo und Piero über ihre Musik, den Glauben an Gott, und wer und was sie im Leben sonst noch erdet.

Von Bruno Bötschi, Laufen BL

30.4.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die A-cappella-Videos der Esteriore Brothers aus Laufen BL werden auf Tiktok, Youtube und Instagram regelmässig von mehr als 20 Millionen Follower*innen angeschaut.
  • In Kürze gehen Amedeo (26), Gabriele (28), Mimmo (39) und Piero Esteriore (46) auf Welttournee, bevor am 7. Juni ihr Album «Viva Italia» erscheint.
  • «Mich hält meine Vergangenheit als Solokünstler auf dem Boden. Ich weiss aus Erfahrung, so schnell wie es raufgeht, so schnell kann es auch wieder runtergehen», sagt Piero Esteriore im Interview mit blue News.
  • Der erste Teil des Gespräches erschien gestern Samstag auf blue News.

Amedeo, Gabriele, Mimmo und Piero Esteriore, am 7. Juni erscheint euer neues Album. Auf «Viva Italia» werden elf italienische Klassiker und zwei eigene Titel zu hören sein.

Amedeo: Für uns schliesst sich mit dem Album ein Kreis. Wir haben diese Lieder jetzt über ein Jahr lang auf den sozialen Medien performt. Jetzt können wir das alle zusammen auf eine CD packen.

Piero: Ich bin voller Vorfreude. Denn als Merchandise-Artikel an den Liveshows ist eine CD nach wie vor wichtig.

Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.

Bereits am 10. Mai geht es mit der «Das Zelt»-Tour los. Es ist das erste Mal, dass ihr in der Schweiz auf Tournee geht.

Piero: Das wird ein spezieller Moment werden. Wir haben uns lang überlegt, ob diese Tour vielleicht nicht zu früh ist. Doch dann sagten wir uns: Wir leben in Laufen BL und die Schweiz ist unsere Heimat. Und natürlich ist es cool, mit der Tour daheim zu starten, auch wenn wir bisher im Ausland deutlich mehr Erfolg hatten.

Amedeo: Natürlich wäre cool, wenn unsere Shows im «Das Zelt» ausverkauft wären. Wir sind es uns aber auch gewohnt, auf der Strasse mit Enthusiasmus Musik zu machen. Deshalb kann ich garantieren: Das wird auch das Publikum im «Das Zelt» zu spüren bekommen.

Piero, du stehst seit über 20 Jahren auf der Bühne und hast viele Hochs, aber auch Tiefs erlebt. Was sagen die Eltern über eure aktuelle Erfolgswelle?

Piero: Unsere Eltern freuen sich mega über unseren Erfolg. Gleichzeitig beten sie dafür, dass es nicht noch grösser wird (lacht). Fakt ist aber auch: Wenn du in der Champions League mitspielen willst, braucht es viel Einsatz. Das bedeutet aber auch, dass andere Kosten auf dich zukommen und sich dein Leben stark verändert. Ehrlich gesagt, ich möchte die Sache lieber nicht zu gross fahren. Viel wichtiger ist mir, dass wir weiterhin mit Leidenschaft Musik machen, weil dann auch hundert Prozent Passion dahintersteckt. Fühlt sich Musik machen wie harte Arbeit an, geht es irgendwann an die Substanz. Das ist die Challenge, der wir uns aktuell stellen müssen.

Wer hält euch am Boden?

Amedeo: Unsere Eltern und unsere Grossmutter sind unser Anker in stürmischen Zeiten.

Piero: Mich hält meine Vergangenheit als Solokünstler auf dem Boden. Ich weiss aus Erfahrung, so schnell wie es raufgeht, so schnell kann es auch wieder runtergehen. Ich habe heute grossen Respekt vor Höhenflügen.

Amedeo: Ich denke, wir alle haben diesen Respekt, weil wir wissen, was Piero in den letzten 20 Jahren alles erlebt hat.

Piero: Früher war ich in Interviews mit Journalisten oft euphorisch und dachte, es geht ewig erfolgreich weiter. Ich verhielt mich oft auch dementsprechend. Was beim Gegenüber nicht selten arrogant und selbstverliebt rüberkam.

Mimmo: Musik hat mit Emotionalität zu tun, aber genau daran scheitern viele Künstler. Denn irgendwann fragst du dich: Ist das jetzt Liebe zur Musik oder Business? In solchen Momenten musst du auch einmal den Mut haben und die Handbremse lösen.

«Natürlich ist es cool, mit der Tournee daheim zu starten, auch wenn wir bisher im Ausland deutlich mehr Erfolg hatten»: Mimmo, Amedeo, Piero und Gabriele Esteriore (von links nach rechts).
«Natürlich ist es cool, mit der Tournee daheim zu starten, auch wenn wir bisher im Ausland deutlich mehr Erfolg hatten»: Mimmo, Amedeo, Piero und Gabriele Esteriore (von links nach rechts).
Bild: Moreno Theurillat

Es geht noch 60 Minuten, bis euer Konzert beginnt. Was macht ihr?

Piero: Umziehen, duschen und nervös sein.

Amedeo: Mimmo bekommt oft nasse Hände …

Piero: … er ist der emotionalste von uns vier Brüdern.

Gabriele: Das Warten vor einem TV-Auftritt zerrt an den Nerven, auch, weil das Adrenalin immer wieder hoch- und runtergeht.

Piero: Das absolut Verrückteste erlebten wir in Mexiko-Stadt. Nachdem wir mit dem Auto zum TV-Studio chauffiert worden waren, lag dort bereits der rote Teppich bereit und es hingen überall riesige Plakate, auf den geschrieben stand: «Bienvenidos Esteriore Brothers». Kaum waren wir im TV-Studio drin, drückten sie uns bereits die Mikrofone in die Hand und fragten: «It’s okay?» – «Yes, it’s okay.» – «Great … in 10 minutes we are on air.»

Amedeo: Und dies, nachdem wir erst einen Tag vorher Bescheid bekommen hatten, dass wir in der Fernsehshow dabei sein werden.

Es geht noch fünf Minuten bis zu eurem Auftritt: Kennt ihr ein Ritual?

Amedeo, Gabriele, Mimmo und Piero (halten die Hände zusammen und sagen im Chor): We rock the stage.

Amedeo: Danach beten wir zusammen.

Glaubt ihr an Gott?

Gabriele: Ja.

Amedeo: Ja.

Piero: Ich bin befreit worden und habe schon mehrere Wunder erlebt. Es wäre darum komisch, wenn ich jetzt behaupten würde, es gebe Gott nicht.

Piero und Gabriele, ihr wisst beide, dass es nicht immer nur aufwärtsgehen kann im Leben. Vor bald zehn Jahren seit ihr an Hodenkrebs erkrankt. Was hat diese Krankheit mit euch gemacht?

Piero: Der Krebs hat mich geerdet.

Gabriele: Mir wurde damals bewusst, dass das Leben nicht unendlich ist. Wir Menschen sind nur vorübergehend auf der Erde.

Piero: Natürlich haben wir im ersten Moment an viele grausame Dinge gedacht. Danach versuchten Gabriele und ich, das Positive aus diesem Schicksalsschlag herauszuholen. Ich denke, es ist uns ganz gut gelungen. Was sicher auch mit unserem Glauben an Gott zu tun hat.

Habt ihr nie gezweifelt?

Gabriele: Natürlich haben wir uns gefragt, warum es gerade uns beide trifft. Bis ich irgendwann realisiert habe, dass es noch viel Schlimmeres auf der Erde gibt.

Geht ihr oft in die Kirche?

Amedeo: Wir haben fast in jedem Land, dass wir in den letzten Monaten besucht haben, eine Kirche besucht.

Als Sehenswürdigkeit oder zum Gottesdienst?

Mimmo: In Rom ging ich kürzlich sogar zur Beichte.

Wie kam’s?

Während eines Kirchenbesuches sagte ich aus Witz zu Piero: «Hey, ich gehe einmal schauen, ob ein Pfarrer im Beichtstuhl sitzt.» Und dann sass da wirklich ein Priester.

Welches Ziel wollt ihr mit eurem Quartett unbedingt noch erreichen?

Piero: Einen Preis gewinnen und die Charts erobern.

Was haltet ihr davon: Nummer eins werden in der offiziellen Chartlisten der Federazione Industria Musicale Italiana?

Piero: Ich bin gar nicht sicher, ob ich die Nummer eins in den Charts werden will.

Warum nicht?

Amedeo: Weil dann der Druck noch grösser würde und viele das Gefühl haben, beim nächsten Album muss es auch wieder Platz eins sein.

Gabriele: Ich fände es cool, wenn wir das, was wir jetzt tun, noch so lange wie möglich machen können. Denn mir ist sehr wohl bewusst, dass wir als vier Brüder ein Privileg haben mit dem, was wir heute machen.

Piero: Ja, es wäre schön, wenn wir noch ein paar Jahre auf dieser Erfolgswelle reiten könnten.

Mimmo: Ich hoffe, dass wir vier Brüder es weiterhin gut haben zusammen. Und dass wir auch künftig genug Zeit haben und sagen können: Komm, wir nehmen die Gitarre hervor, machen Musik zusammen und lassen uns inspirieren. Ich glaube, wir können nur so lange fröhliche Musik machen, wie wir alle glücklich sind. Ja, ich fände es wirklich cool, wenn wir diesen Vibe noch ein paar Jahre unter allen Menschen auf der Welt verteilen können …

Gabriele: … unser Publikum besteht eben nicht nur aus Italienern. Bei unserem kürzlichen Besuch in Ägypten zum Beispiel waren gar keine Italiener da und trotzdem haben alle bei «L'Italiano (Lasciatemi Cantare)» mitgesungen.

Amedeo: Die Mehrheit unserer Community in den sozialen Medien sind keine Italiener. Es sind vielmehr Menschen, die verliebt sind in die Italianità.

«Es wäre schön, wenn wir noch ein paar Jahre auf dieser Erfolgswelle reiten könnten»: Mimmo, Amedeo, Gabriele und Piero Esteriore (von links nach rechts).
«Es wäre schön, wenn wir noch ein paar Jahre auf dieser Erfolgswelle reiten könnten»: Mimmo, Amedeo, Gabriele und Piero Esteriore (von links nach rechts).
Bild: Imago/osnapix

Wie würdet ihr euch als Menschen beschreiben?

Mimmo: Ich kann sehr stur sein. Das ist vielleicht ein Defekt, den ich habe. Aber ich stehe dazu.

Gabriele: Mimmo ist die Stimme der Vernunft.

Und welche Stimme bist du, Gabriele?

Gabriele: Ich weiss es nicht.

Piero: Engel Gabriel.

Und du Piero?

Amedeo: Er ist immer Vollgas.

Mimmo: Er ist Rock ’n’ Roll.

Piero: Ich beschreibe mich nicht gerne, ich lasse mich lieber entdecken.

Amedeo: Ich bin ein positiver und sehr überlegter Mensch.

Mimmo: Amedeo ist ein kreativer Vogel.

Euer Grossvater wanderte in den 50er-Jahren von Sizilien ins Baselbiet aus. Heute feiert ihr als Quartett weltweit Erfolge mit Italo-Hits. Was würde er sagen, wenn er euch heute sehen könnte?

Amedeo: Das frage ich mich, seit wir vier Brüder gemeinsam auf der Bühne stehen.

Piero: Ich glaube, unserem Grossvater würden die Worte fehlen. Er würde wahrscheinlich weinen und vor Freude geniessen.

Ein Leben ohne Musik wäre für euch?

Amedeo, Gabriele und Piero (im Chor): Kein Leben.


Die Welttournee der Esteriore Brothers startet am 10. Mai im «Das Zelt» in Winterthur, bevor am 7. Juni ihr Album «Viva Italia» erscheint. Weitere Termine im In- und Ausland finden sich auf der Website der Band.

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