«Bei Aserbaidschan hat keiner gebuht» Ein unpolitischer ESC-Wettbewerb – so politisch

Philipp Dahm

12.5.2024

Israels Performance im Vergleich

Israels Performance im Vergleich

In der ESC-Halle in Malmö ertönten am Samstagabend beim Auftritt Israels Pfiffe. Im TV war davon wenig zu hören. Haben die Verantwortlichen die Übertragung manipuliert?

12.05.2024

Wie war noch das Motto in Malmö? United by Music? Von wegen: Trotz grösster Bemühungen gelang es den Veranstaltern nicht, sich des langen Schattens zu entziehen, den der Gaza-Krieg auf den ESC 2024 geworfen hat.

Philipp Dahm

12.5.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Kein normaler ESC: Der Protest gegen den Gaza-Krieg hat den Gesangswettbewerb dieses Jahr geprägt.
  • Journalisten beschreiben die Stimmung vor Ort und den enormen Sicherheitsaufwand, der betrieben worden ist.
  • «Es hat keiner bei Aserbaidschan gebuht»: Jan Böhmermann und Olli Schulz kritisieren die Buh-Rufe gegen Eden Golan.

«Ich war mit der Schweizer Delegation unterwegs und in unserem Hotel waren viele Länder-Delegationen untergebracht. Auch im Hotel standen schwer bewaffnete Polizisten herum», beschreibt Schimun Krausz die Sicherheitsmassnahmen beim ESC im Malmö, der als SRF-Musikredaktor Nemo beim Finale begleitet hat. «Wir wurden auch von der Polizei ins Stadion eskortiert. Zum ersten Mal im Leben wurde ich eskortiert.»

Der Schatten des Gaza-Krieges schwebte über dem ESC: Insbesondere die israelische Delegation brauchte Schutz. Mehrere hundert Polizisten sollen für den Schutz der Delegation verantwortlich gewesen sein. 

Ins selbe Horn stiess der Korrespondent der ARD: «Als Eden Golan aufgetreten ist, gab es in der Halle Buh-Rufe», sagte Christian Blenker im ersten deutschen Fernsehen. «Aber vor allen Dingen draussen war den ganzen Tag richtig Stimmung.» Gegen 15 Uhr hätten sich um die 10'000 Menschen versammelt «Diese Demonstration war sehr, sehr friedlich.»

Demonstrierende schreien ESC-Besucher an

Dann aber habe sich eine Gruppe abgespalten und sei zur Arena gezogen, in der der ESC stattfindet. «Ich habe selbst erlebt, wie pro-palästinensische Demonstranten die Gäste angeschrien haben», berichtete Blenker. Einige Demonstrierende seien abgeführt worden – unter ihnen auch Klima-Aktivistin Greta Thunberg.

Viele seien «schockiert und verängstigt» gewesen. Und: «Es ist unheimlich viel Zivil-Polizei unterwegs: Sowas habe ich auch noch nicht gesehen», sagte Blenker Immer, wenn die Situation sich verschärft habe, hätten diese Zivil-Polizisten Kappen aufgesetzt und sich so zu erkennen gegeben. Es sei eine «sehr, sehr besondere Stimmung» gewesen, endet der Korrespondent.

Die Organisatoren bemühten sich verzweifelt, politische Äusserungen zu unterbinden. An den Einlasskontrollen wurden etwa alle Flaggen von Ländern konfisziert, die nicht am Wettbewerb teilnehmen.

»Es hat keiner bei Aserbaidschan gebuht»

Dennoch wurden nicht nur im Publikum Palästina-Fahnen während Eden Golans Auftritt gezeigt. Auch die portugiesische Sängerin Iolanda zeigte ihren Protest – mit den Fingernägeln. 

Die Buh-Rufe in der Halle in Malmö werden besonders laut, als die israelische Jury nach ihrem Ergebnis befragt. «Es wird gebuht, weil Israel kommt?», fragte Jan Böhmermann fassungslos. Der Moderator kommentierte mit Olli Schulz das Ereignis für den österreichischen Sender FM4. Es folgen Kraftausdrücke.

Der Tenor der beiden Deutschen: An diesem Wettbewerb hat eine politische Meinung keinen Platz, die sich auch noch an einer 20-jährige Künstlerin abarbeitet. «Es hat gerade eben keiner bei Aserbaidschan gebuht», regte sich Böhmermann auf. 

Der 43-Jährige spielte darauf an, dass das öffentliche Interesse an anderen Konflikten ungleich kleiner sei. Aserbaidschan wird autokratisch regiert und hat sich unlängst einen Krieg mit Armenien geliefert, der nachhallt. Auch ESC-Teilnehmer Georgien steckt in einer Krise, weil die Regierung zivile Rechte einschränken will.