Winzig, heiss und scharfes Essen Darum hat dieser mexikanische Taco-Stand einen Michelin-Stern

AP/tcar

16.5.2024

Ein Kunde drückt den Limettensaft auf seine Tacos am Stand von Tacos El Califa de León in Mexiko-Stadt aus. 
Ein Kunde drückt den Limettensaft auf seine Tacos am Stand von Tacos El Califa de León in Mexiko-Stadt aus. 
Bild: Fernando Llano/AP

Plastegeschirr, Irrsinnshitze und kaum Platz - besonders vornehm ist das «El Califa de León» in Mexiko-Stadt nicht. Doch für einen Michelin-Stern reicht es.

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  • Ein spartanischer Taco-Grill wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
  • Rivera Martínez ist der Küchenchef im mexikanischen Restaurant «El Califa de León».
  • «El Califa de León» ist der einzige Taco-Stand unter den 16 mexikanischen Restaurants, die einen Michelin-Stern erhalten haben.
  • Auf der Speisekarte in Mexiko-Stadts schäbigem Künstlerviertel San Rafael stehen genau vier Gerichte, allesamt Tacos.

Arturo Rivera Martínez ist Küchenchef des ersten mexikanischen Taco-Stands mit einem Michelin-Stern - doch die damit verbundene Trophäe ist für ihn eher hinderlich. Als Vertreter des mexikanischen Restaurantführers ihm am Mittwoch in seinem winzigen Lokal «El Califa de León» die übliche schwere, langärmlige, blütenweisse Kochjacke überreichen, zieht Rivera Martínez sie lieber nicht an. Denn in seiner winzigen Küche herrscht eine Höllenhitze.

Dort steht Rivera Martínez vor seinem irrsinnig heissen Grill und tut das, was er schon seit 20 Jahren macht: Fleisch anbraten. In der etwa drei Meter mal drei Meter kleinen Küche macht die Hitze das Fleisch. Und die Hitze ist gewaltig. Rivera Martínez ist wahrscheinlich auch der einzige Sternekoch, der auf die Frage, welches Getränk zu seinen Gerichten passt, die Antwort gibt: «Ich mag eine Cola.»

Doch auch sonst sticht er heraus. «El Califa de León» ist der einzige Taco-Stand unter den 16 mexikanischen Restaurants, die einen Michelin-Stern erhalten haben. Dazu kommen zwei mit zwei Sternen. Fast alle anderen sind verflixt schicke Lokale. Viele davon servieren teure Meeresfrüchte in hübschen Schalen auf massangefertigten Tellern.

Vier Gerichte auf der Speisekarte

Auf der Speisekarte des «El Califa de León» in Mexiko-Stadts schäbigem Künstlerviertel San Rafael stehen genau vier Gerichte, allesamt Tacos aus Rindfleisch von Rippe, Lende oder Vorderhaxe. «Das Geheimnis liegt in der Einfachheit unserer Tacos. Sie bestehen nur aus einer Tortilla, roter oder grüner Sosse, und das war's. - Das und die Qualität des Fleisches», sagt Rivera Martínez. Besitzer Mario Hernández Alonso will nicht einmal verraten, wo er das Fleisch kauft.

Abgesehen von einem Strassenimbiss in Bangkok ist «El Califa de León» wahrscheinlich das kleinste Restaurant, das jemals einen Michelin-Stern gewonnen hat. Die Hälfte der 9,29 Quadratmeter grossen Fläche nimmt ein massiver Stahlplattengrill ein, der noch heisser ist, als Rivera Martínez' Salsasosse auf der Zunge brennt. In der anderen Hälfte klammern sich Kunden im Stehen an Plasteteller und schöpfen Salsa, während Rivera Martínez' Assistentin in einem Fort Tortillateig ausrollt.

Zwei Sossen zur Auswahl

Seinen Erfolg vedankt das «El Califa de León» der Tatsache, dass es immer noch genau die vier Dinge tut, die es schon seit 1968 praktiziert. Tausende Male am Tag wirft Rivera Martínez ein frisches, dünn geschnittenes Rinderfilet von einem Stapel auf den superheissen Stahlgrill, wo es heftigst zu brutzeln beginnt. Er streut eine Prise Salz darüber, presst eine halbe Limette aus und legt eine weiche Scheibe frisch gerollten Tortillateig auf die massive Metallplatte.

Nach weniger als einer Minute wendet Rivera Martínez das Rindfleisch. Die genaue Zeit verrät er nicht. - «Das ist ein Geheimnis.» Auch die Tortilla wird gewendet. Dann schaufelt Rivera Martínez sie blitzschnell auf einen Plasteteller, packt das Rindfleisch darüber und ruft den Namen des Kunden, der bestellt hat. Die Sosse wählen sich die Gäste selbst aus - feuerrot oder giftgrün.

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Trotz der bescheidenen Grösse und der simplen Ausstattung des Lokals sind die Qualität und der Geschmack der Tacos unübertroffen, was die hohen Preise rechtfertigt. Ein Taco kostet fast fünf US-Dollar (4,60 Euro), was für mexikanische Verhältnisse ziemlich hoch ist. Stammkunde Alberto Muñoz kommt seit acht Jahren regelmässig und versichert, er sei noch nie enttäuscht worden. «Es ist die Qualität des Fleisches», sagt er. «Und jetzt werde ich es noch mehr empfehlen, jetzt, da es einen Stern hat.» Sein Sohn Alan fügte hinzu: «Das ist ein historischer Tag für die mexikanische Küche, und wir sind Zeugen davon.»

Sitzen kann man im Michelinprämierten «El Califa de León» nicht, zu bestimmten Tageszeiten nicht einmal stehen. Es ist aber auch nicht so, dass man in dem winzigen Taco-Lokal wirklich essen möchte. Die Hitze an einem Frühlingstag ist überwältigend. Die Temperatur ist eines der wenigen Geheimnisse, die Rivera Martínez preisgibt. Der Stahlgrill müsse auf 360 Celsius erhitzt werden, sagt er. Auf die Frage, wie es sich anfühlt, einen Michelin-Stern zu haben, antwortet er im klassischen Slang von Mexiko-Stadt: «Está chido ... está padre.» - «Es ist toll, es ist cool.»