«Potzmusig»-Moderator Nicolas Senn«Die Zeit der Ländlerpäpste ist vorbei, und das ist gut so»
Von Bruno Bötschi, Meglisalp AI
27.8.2022
Hackbrettspieler Nicolas Senn: «Die Musik berührt mich immer noch tief»
Auf der Meglisalp im Appenzellerland spricht «Potzmusig»-Moderator Nicolas Senn über seine Liebe zur Musik im Allgemeinen und dem Hackbrett im Speziellen.
26.08.2022
Auf der Meglisalp im Appenzellerland spricht «Potzmusig»-Moderator Nicolas Senn über das Hackbrett, seine Liebe zum Wandern – und über neue Entwicklungen in der Volksmusik.
Von Bruno Bötschi, Meglisalp AI
27.08.2022, 15:21
27.08.2022, 15:31
Bruno Bötschi, Meglisalp AI
Ein Treffen auf der Meglisalp im Appenzellerland. Nicolas Senn spielt an diesem himmelblauen Tag im August während eines Gottesdienstes Hackbrett. Vorher trinkt er mit dem Journalist im Berggasthaus einen Kaffee und steht ihm Red und Antwort.
Seit zehn Jahren moderiert der 32-jährige Musiker die Volksmusik-Sendung «Potzmusig». In dieser Zeit anvancierte er zum SRF-Aushängeschild. Oder wie es auf Neudeutsch heisst: Everybody's Darling.
Nicht wenige seiner Anhänger*innen reisen ihm von Konzert zu Konzert nach. Heute morgen hat der Hackbrettspieler sogar drei Fans, die nicht mehr so gut zu Fuss sind, mit dem Auto mitgenommen.
Der Journalist will mit dem Musiker über seine Arbeit als Moderator im Allgemeinen und die «Potzmusig»-Jubiläums-Sendung im Speziellen reden. Im Video gibt es zudem eine Liebeserklärung an das Hackbrett und eine Eigenkomposition zu hören.
Nicolas Senn, es heisst, in der Ruhe liegt die Kraft. Ist Wandern deshalb ein Hobby von dir?
Diese Redensart trägt viel Wahres in sich. Obwohl ich gleichzeitig zugeben muss, dass es mir hin und wieder schwerfällt, die Ruhe wirklich zu geniessen. Trotzdem bin ich gern in den Bergen – oft mit Kollegen, aber ich bin auch regelmässig allein im Alpstein unterwegs, meinem Lieblingswandergebiet in den Appenzeller Alpen.
Dir machen auch mehrtägige Wanderungen keine Angst. 2019 hast du die 84 Kilometer lange Alpstein-Königstour in nur zwei Tagen absolviert.
Das war eine spezielle Challenge, die ich für eine Zeitung zusammen mit TV-Moderator Marco Fritsche und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr in Angriff genommen habe. Ein Jahr zuvor absolvierte ich die Königstour alleine an einem Stück innerhalb von 22 Stunden.
Was reizt dich an solch verrückten Abenteuern?
Natürlich ist es ein Ausloten der Grenzen. Ich bin morgens um 4 Uhr losgelaufen und am nächsten Tag um 2 Uhr morgens am Endpunkt angekommen. Ich liebe Wanderungen frühmorgens oder in der Abenddämmerung und habe die Stirnlampe daher meistens griffbereit.
Vor zehn Jahren hast du zu einem anderen Abenteuer «Ja» gesagt. Was reizte dich damals, mit nur 21 Jahren, bei der neuen SRF-Volksmusik-Sendung «Potzmusig» als Moderator einzusteigen?
Die Fernsehverantwortlichen suchten einen Nachfolger für Kurt Zurfluh, nachdem er 16 Jahre lang die Volksmusik-Sendung «Hopp de Bäse!» moderiert hatte. Das SRF suchte eine Person, die selber Musik macht. Heute kann ich es zugeben: Als ich für die Castingteilnahme angefragt wurde, wusste ich nicht richtig, worauf ich mich einlasse. Ich ging ziemlich blauäugig an die Sache ran.
In «Potzmusig» spielen alle Musiker*innen live.
Das stimmt. Die Verantwortlichen von SRF haben der Redaktion und mir von Anfang viele Freiheiten bei der Gestaltung der neuen Sendung gelassen. Mir persönlich war zudem wichtig, dass es keine Kitschshow gibt, sondern ein glaubwürdiges Format, das die Schweizer Volksmusik in ihrer ganzen Breite präsentiert.
Was macht den Erfolg von «Potzmusig» noch aus?
Ein Erfolgsfaktor der Sendung ist wahrscheinlich, dass die Musiker*innen, die bei uns auftreten, ganz normale Menschen wie du und ich sind.
Wie meinst du das?
Die Menschen haben eine grosse Leidenschaft für die Musik, gehen sonst aber einem normalen Beruf nach. Dem Erfolg zuträglich ist zudem, dass wir mit «Potzmusig» in der ganzen Schweiz herumkommen und regelmässig auch in einem Weiler ganz weit hinten in einem Tal zu Gast sind. In den vergangenen drei Jahren produzierten wir zudem Sommersendungen bei Familien auf wunderschönen Alpen.
In den ersten Jahren gab es die Rubrik «Sensationell». Für diese besuchte ich mit dem Hackbrett Orte und Veranstaltungen in der Schweiz, die sonst kaum etwas mit Volksmusik am Hut haben. So unterhielt ich 2013 das Publikum an der Street Parade in Zürich mit Hackbrett-Klängen. Da erlebte ich viele lustige und kurzweilige Begegnungen.
Am Samstag, 27. August, 18:15 Uhr, wird die Jubiläumssendung von «Potzmusig» auf SRF 1 ausgestrahlt. Darfst du schon verraten, was ihr alles zeigen werdet?
In der Jubiläumssendung wird es einen gemeinsamen Auftritt von Jodlerin Melanie Oesch, der Alphornspielerin Lisa Stoll und mir geben. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich ein Stück für eine Jodlerin komponiert habe.
Wie gut kam deine Komposition bei deinen Mit-Musikerinnen an?
Am Anfang waren Melanie und Lisa skeptisch, aber es gefiel ihnen jedes Mal besser und das Publikum bei der Aufzeichnung war begeistert. Bei der ersten Probe kurz vor Sendebeginn meinte Melanie lachend: «Irgendwann brachte ich die Melodie nicht mehr aus meinem Kopf raus.»
Wie hat sich die Schweizer Volksmusik in den letzten zehn Jahren verändert?
Die Volksmusik ist offener geworden. Deshalb finden auch immer mehr junge Menschen daran Gefallen, was auch damit zu tun hat, dass das Fach Volksmusik seit einigen Jahren an der Hochschule Luzern studiert werden kann. Gleichzeitig fällt mir auf, dass immer mehr junge Volksmusiker*innen alte Stücke hervorholen und versuchen, diese nachzuspielen. Man ist offen für Neues, lässt sich gleichzeitig aber auch auf das Alte ein.
Der beste Beweis dafür bist du selber. Von 2009 bis 2011 warst du mit Rapper Bligg auf Tournee.
Das stimmt, auch wenn das eine sehr plakative Offenheit war.
Und wie hast du dich persönlich in den letzten zehn Jahren verändert?
Mich selber zu beurteilen, finde ich immer schwierig. Ich denke, dass ich in den letzten Jahren wieder näher zur traditionellen Volkmusik gerückt bin. Zudem habe ich angefangen selber zu komponieren. Heute spiele ich grösstenteils nur noch eigene Stücke während meiner Auftritte.
Wysel Gyr und Sepp Trütsch, zwei deiner Vorgänger beim Schweizer Fernsehen, bekamen von den Medien und vom Volk den Titel «Ländlerpapst» verpasst. Warum du nicht?
Die Zeit der Ländlerpäpste ist, glaube ich, definitiv vorbei, und das ist gut so.
Wie nennen dich deine Fans?
Wenn ich während des Wanderns erkannt werde, heisst es oft: «Hoi Nicolas. Hast du das Hackbrett nicht dabei?»
Wirklich wahr, dass du manchmal, wenn du per pedes unterwegs bist und jemand meint, du kämst ihm bekannt vor, einfach so tust, als wüsstest du nicht, woher?
Das kommt vor. Vor ein paar Jahren schaute mich in einem Laden eine ältere Frau an. Ich sagte «Grüezi» und lief weiter. An der Kasse stand ich dann hinter der Frau, als sie sich umdrehte und zu mir sagte: «Sie haben im Fall einen bekannten Doppelgänger.» Ich lachte und sagte: «Ach ja …» Dann sagte die Frau: «Aber er ist noch etwas grösser als Sie.» Nach dem Zahlen ging ich zu der Frau hin, zeigte ihr meine Identitätskarte. Sie guckte mich an und sagte: «Ja, der heisst schon so, aber wie gesagt, er ist noch etwas grösser als Sie.»
Wie geht es weiter mit der TV-Sendung «Potzmusig»?
Ich möchte mich nicht zu weit auf die Äste rauslassen, auch weil die inhaltlichen Entwicklungen nicht nur von mir, sondern von der Redaktion angestossen werden. Mittelfristig geben wir sicher wieder Vollgas, was auch damit zu tun hat, dass nächstes Jahr das Eidgenössische Jodlerfest in Zug und das Eidgenössische Volksmusikfest in Bellinzona stattfinden werden.
Wirklich wahr, dass dein Traumberuf Fussballstadion-Architekt war?
Ja, Fussballstadien waren als Teenager eine meiner grossen Leidenschaften. Es gab Zeiten in meinem Leben, da hättest du mir von irgendeinem Stadion ein Bild vorlegen können und ich hätte dir gesagt, wo das Stadion steht und welche Zuschauerkapazität es hat.
Wann hast du zuletzt ein Stadion besucht?
Bis vor der Pandemie war ich Teamfotograf beim FC St.Gallen. Das heisst, ich kenne fast jede Ecke im Stadion Kybunpark. Aber weisst du was: Ich habe erst im vergangenen März zum ersten Mal überhaupt einen ganzen Match im Stadion vom Fansektor ausgesehen.
Welchen Traum möchtest du dir unbedingt noch erfüllen?
Ein Fussballstadion bauen (lacht).
Und ernsthaft?
Vielleicht tönt das jetzt bieder und brav, aber ich war nie ein Mensch, der laut sagte, welche Ziele er alle noch erreichen will. Ich bin vielmehr einfach dankbar für alle Türen und Türchen, die sich mir in den letzten 20 Jahren meistens ungefragt aufgetan haben. Ich bin ein unglaublicher Glückspilz. Und deshalb wäre mein Traum, dass dieser Traum einfach noch ein bisschen so weitergeht.
Ich gebe zu, dass dies schon ein Thema zwischen meiner Freundin und mir war. Mir ist jedoch wichtig, dass wenn wir eine Familie gründen, ich auch ein aktiver Vater sein kann.
Was steht dem im Weg?
Aktuell läuft gerade wieder so viel, dass ich meinen Lebenswandel als nicht ganz gesund einstufen würde.
Wie meinst du das?
Ich meine damit nicht, dass ich ungesund esse, sondern dass ich einfach ständig unterwegs bin. Du kannst an zwei Händen abzählen, wie viele Abende ich im letzten halben Jahr daheim war. Ich denke, es braucht noch etwas Zeit, bis ich als Musiker einen Gang runterschalten und dafür einem anderen Thema mehr Zeit widmen kann.
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.
Potzmusig
Sa 27.08. 18:15 - 19:15 ∙ SRF 1 ∙ CH 2022 ∙ 60 Min
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.
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