Ardon Jashari gilt als Charakterkopf, der auch mal aneckt. Im Interview mit blue Sport erklärt er, warum er ein Gewinnertyp ist, weshalb er sich nicht ändern wird und verrät, warum er seinem älteren Bruder viel zu verdanken hat.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Ardon Jashari wurde bereits mit 19 Jahren zum Captain beim FC Luzern. Weniger als ein Jahr, nachdem er seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte, durfte er mit der Schweizer Nationalmannschaft an die WM nach Katar.
- Im Interview mit blue Sport erklärt Jashari, weshalb er so selbstbewusst ist und wie er schon als Zehnjähriger lernen musste, mit Druck umzugehen.
- Dass er immer sagt, was er denkt, werde oft mit Arroganz verwechselt. Seinen Charakter zu verändern, kommt für den 21-Jährigen aber nicht in Frage.
Ardon Jashari, als Mario Frick vor zwei Jahren als Trainer beim FC Luzern angefangen hat, sah er Sie im ersten Training und sagte später, ihm sei aufgefallen, wie rotzfrech Sie waren. Ist das eine Charaktereigenschaft von Ihnen?
Ardon Jashari: Ich habe mich sicher nicht versteckt. Für mich war klar, dass ich Vollgas geben muss. Auf meiner Position im Mittelfeld waren da etwa acht Spieler, die Konkurrenz riesig. Ich war 19 Jahre alt und wusste: Wenn ich Profi werden will, muss ich jetzt liefern. Es ging ja auch darum, einen Profivertrag zu erhalten. Ich hatte nichts zu verlieren und dachte, das ist meine letzte Chance beim FC Luzern.
Das klingt sehr selbstbewusst. Waren Sie das immer?
Auf jeden Fall. Ich bin selbstbewusst, nicht nur beim Sport. Auch privat bin ich ein Leader. Ich übernehme gerne das Wort und treffe Entscheidungen.
Woher kommt das?
Ich bin sicher ein Mensch mit Temperament. Nicht im Negativen, sondern im Positiven. Ich bin einfach ein Gewinnertyp. Egal ob beim Kartenspiel oder im Sport, ich will immer gewinnen. Das zeichnet meinen Charakter aus. Das war schon im jungen Alter so, als ich mit Fussball begonnen habe. Ich wollte immer der Beste sein.
Wie war das für die Familie Jashari mit dem so ehrgeizigen Ardon?
Ich habe einen Bruder, der vier Jahre älter ist. Wir haben eine sehr enge Bindung. Wir sind vom Charakter her sehr verschieden. Ich habe als Elfjähriger beim FC Luzern begonnen, ich war derjenige, der zu einem Spitzenklub in der Innenschweiz gekommen ist. Alle wussten, bei Ardon könnte es klappen. Hätte meinen Bruder einen anderen Charakter, wäre es schwierig geworden – dann hätte auch Neid oder ein Machtkampf entstehen können. Er hat mich auch finanziell unterstützt, hat seinen Lehrlingslohn für mich geopfert und hat mir damit zum Beispiel Fussballschuhe gekauft. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken.
War der Stellenwert des Fussballs in Ihrer Familie generell hoch?
Wenn du so aufwächst und von klein auf diesen Weg einschlägst, gibt es bei uns kein Zurück mehr. Ich bin nicht in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen. Es ist dann schnell mal ein Bild auf Facebook, dass der kleine Sohn von dem und dem auf gutem Weg ist. Da war ich zehn oder elf. Irgendwann bist du dann auch als Kleiner schon so drin, dass du lernst, damit umzugehen. Das heisst, wenn du mal eine schlechte Phase hast, spürst du als Kleiner schon gewissen Druck in dir.
Wie herausfordernd war das?
Es war nicht so, dass die Familie mir diesen Druck gemacht hat, das hat sich automatisch entwickelt. Wenn du im Teenager-Alter etwas tust, was dich vom richtigen Weg abbringen könnte, erinnerst du dich immer wieder daran, dass du damit alle enttäuschen könntest. So habe ich persönlich immer wieder den Weg gefunden, um mich richtig zu fokussieren.
Sie lernten offenbar schon als Kind gut mit Druck umgehen.
Man wächst schon im frühen Alter mit diesem Druck. Und der Druck lässt nicht nach. Du wirst älter, bist immer noch beim FCL, kommst in Nachwuchs-Nationalmannschaften, so baut sich der Druck automatisch auf. Ich hatte das tief in mir drin, dass ich einfach niemanden enttäuschen möchte. Ich wollte alle stolz machen, weil alle wussten, dass ich von klein auf diesen Weg eingeschlagen habe. Ich wusste, ich darf das auf keinen Fall vermasseln.
Sie wurden schon mit 19 Jahren Captain beim FC Luzern. Man stellt sich das schwierig vor, wenn ein Teenager in der Kabine Mitspielern, die teils über 30 sind, sagt, wo's lang geht.
Das war natürlich neu für mich. Ich war zwar Captain in den Nachwuchs-Teams, aber es ist natürlich komplett was anderes, wenn du mit Familienvätern zusammenspielst. Auf einmal bist du mit 19 Jahren Captain dieser Mannschaft und trägst Verantwortung.
Gab es nie Probleme?
Am Anfang gab's sicher den einen oder anderen, der vielleicht etwas komisch geschaut hat und sich wohl dachte: «Wie kann jetzt der Captain sein?» Das ist aber völlig normal. Am Anfang ist jemand vielleicht skeptisch und denkt sich: «Von dem Jungen lasse ich mir nichts sagen.»
Hat Sie das nicht verunsichert?
Wer was denkt, war mir eigentlich egal. Am Ende zählt die Leistung auf dem Platz. Damit kannst du alle überzeugen.
Bei Ihnen ging alles sehr schnell. Im Januar 2022 haben Sie es in die erste Mannschaft bei Luzern geschafft, Ende Jahr sind Sie mit der Nati an die WM nach Katar geflogen. Wie haben Sie es geschafft, dass Sie nicht überrumpelt wurden?
Mein Umfeld – speziell meine Familie – hat mir geholfen, bodenständig zu bleiben. Auf einmal kennen dich mehr Leute, du bist in den Zeitungen. Es ging wirklich sehr, sehr schnell. Aber ich muss ehrlich sagen, man realisiert das gar nicht richtig. Man ist in einem Flow. Meine Familie meinte, ich könne zwar stolz auf mich sein, aber ich hätte noch gar nichts erreicht. Es kann schnell gehen und du bist weg vom Fenster.
Können Sie noch auf die Strasse, ohne erkannt zu werden?
In Luzern ist es sicher sehr speziell. Auf der Strasse wollen viele ein Foto oder erkennen mich zumindest. Aber wenn ich ehrlich bin, wollte ich das, seit ich klein bin. So wie ich zu anderen hochgeschaut habe, will ich, dass auch Leute zu mir aufschauen. Ich will für alle ein Vorbild sein. Darum bin ich in erster Linie stolz, wenn Leute mit mir ein Foto machen möchten.
Ihr Trainer Mario Frick war auch ein Spieler, der sagte, was er denkt. Auch er hat angeeckt. Bestärkt er Sie, so zu sein, wie Sie sind?
Wir wissen beide, dass wir diesbezüglich ziemlich ähnlich sind. Er hat das sofort erkannt und mir das auch gesagt. Wenn man die vergangenen zweieinhalb Jahre Profifussball von mir analysiert, war ich sicher immer einer, der sagte, was er denkt. Das wurde auch oft mit Arroganz verwechselt. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass es viel braucht, bis ich etwas sage, aber dann ist es in meinen Augen so. Das hat nichts mit Arroganz oder Abgehobenheit zu tun, das ist mein Charakter. Und es braucht auch solche Charaktere – ich will mich auf keinen Fall verstellen.
Ist es Ihnen wichtig, was andere über Sie denken?
Nicht unbedingt. Es gibt sicher Personen in meinem persönlichen Umfeld und auch beim FC Luzern, deren Meinungen mir wichtig sind. Aber im grossen Ganzen ist das halt der Fussball. Die Leute, die mir wichtig sind, sagen mir, ob es gut oder schlecht war. Der Rest ist einfach Part of it.